Katz und Maus: das Fragerecht der Abgeordneten und die Opposition

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Die Linke will die Bundesregierung per Organklage zwingen, das verfassungsrechtlich garantierte Fragerecht der Abgeordneten nicht immer weiter zu untergraben. Bereits im September hat die Fraktion daher Klage in Karlsruhe eingereicht, im konkreten Fall geht es um ausweichende Antworten der Bundesregierung zu umstrittenen Einsätzen der Bundespolizei bei Demonstrationen in Dresden, Berlin und anderen Orten. Auf Anfragen der Linksfraktion hin hatte die Regierung, soweit diese den Unterstützungseinsatz der Bundespolizei betrafen, lediglich mit Hinweis reagiert, zu Polizeieinsätzen in der Zuständigkeit der Länder nehme sie keine Stellung. Der Justiziar der Linksfraktion, Wolfgang Neskovic, wird in der Süddeutschen Zeitung mit den Worten zitiert, die Bundesregierung spiele „mit den Abgeordneten Katz und Maus“. Dies betreffe nahezu alle sensiblen Politikbereiche wie die Sicherheitspolitik oder den Waffenexport. Es entstehe „häufig der Eindruck, als investierten die Ministerien mehr Energie dafür, Anfragen nicht zu beantworten, anstatt Parlament und Öffentlichkeit so sorgfältig und wahrheitsgetreu wie möglich zu informieren“.

Anfragen sind ein wichtiges Kontrollmittel der Opposition, sie reduzieren wenn auch nich komplett den Informationsrückstand, den sie gegenüber der Regierung hat. Die Linke war in der vergangenen Legislatur Spitzenreiter bei den “Kleinen Anfragen”, bei den “Großen Anfragen” lagen die Grünen vorn. Die Abgeordneten des Bundestags, heißt es in der Klageschrift, stünden „in einem ständigen Kampf um die Wahrung ihres verfassungsrechtlich garantierten parlamentarischen Fragerechts. Die Bedeutung dieses Rechts wird von der Bundesregierung weitgehend ignoriert.“ Die „Blockadementalität“ werde noch dadurch erleichtert, dass die Abgeordneten nicht in der Lage seien, „jede Antwortverweigerung vor das Bundesverfassungsgericht zu tragen“. Um welche Dimensionen es dabei geht, zeigt die Zahl der Beschwerden von Parlamentariern über die Antwortpraxis der Bundesregierung: Waren es in der vergangenen Wahlperiode noch 39, kamen allein in den ersten 14 Monaten der gegenwärtigen Legislatur bereits 44 Beschwerden zusammen. Der Bundestagspräsident hielt mindestens ein Drittel davon für begründet und mahnte bereits mehrfach Änderungen an. Das Problem ist alt und wenn heute von einer “schleichenden Entdemokratisierung” des Parlaments die Rede, muss man sich die Frage stellen, wie weit diese schon vorangeschritten ist – zumal sich offenbar trotz aller Kritik nichts ändert.

Schon im Januar 1989 fragten die Grünen mit unübersehbarem Groll in einer Anfrage, ob die Bundesregierung glaube, „dass es in ihr Belieben gestellt ist, ob sie Fragen beantworten will oder nicht“. Die Bundesregierung meinte damals zwar: Nein. Doch der „ständige Kampf“ hält bis heute und ungeachtet der jeweiligen Farbkonstellation der Koalition an. Im Herbst 2008 wandte sich Norbert Lammert an den damaligen Kanzleramtschef Thomas de Maizière und rügte, dass die Regierung Anfragen von Abgeordneten „oberflächlich“, „ausweichend“ oder mit rein formaler Begründung gar nicht beantworte. Die Grünen waren wegen der Abwimmelpraxis bereits in Karlsruhe vorstellig geworden – mit Erfolg. Der Parlamentarische Geschäftsführers der Fraktion, Volker Beck, sagt, bei ihm fülle der Briefwechsel mit Beschwerden über die „skandalöse“ Antwortpraxis der Regierung mittlerweile Aktenordner. Die FDP hat, als sie selbst noch in der Opposition saß, im Bundestag einen Antrag eingebracht, mit dem sie eine „Stärkung der Parlamentsrechte“ zu erreichen suchte, und zwar „unverzüglich“. Der Bundestag solle sich dafür aussprechen, „dass für die Zukunft das Verhältnis zwischen Parlament und Bundesregierung auf eine neue Grundlage gestellt wird. Der Umgang der Bundesregierung mit dem Recht des Bundestages auf Information und Kontrolle ist grundlegend zu ändern.“ Der Antrag fand seinerzeit keine Mehrheit.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

Avatar

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden