Kraft ändert Kurs: Nun doch Minderheitsregierung in NRW

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Die nordrhein-westfälische SPD will nun also doch schon im Juli eine rot-grüne Minderheitsregierung anstreben. Der Vorstand der Landespartei hat am frühen Nachmittag in einer Telefonschaltkonferenz über den jüngsten Schwenk von Hannelore Kraft beraten. Auch die Grünen seien in die Gespräche einbezogen, hieß es. Die Begründung für den neuesten Kurswechsel: „Nordrhein-Westfalen braucht stabilere Regierungsverhältnisse. Rot-Grün wird diese jetzt schaffen." Vor ein paar Tagen hatte Generalsekretär Michael Groschek noch genau das Gegenteil erklärt – eine Minderheitsregierung würde „nicht für stabile Verhältnisse“ stehen.





Ausgeschlossen worden war Rot-Grün zwar auch in den vergangenen Tagen nicht völlig, vor allem, seit sich die SPD-Bundesspitze drängend eingemischt hatte. Am donnerstagvormittag hatte die SPD-Bundesspitze mit Sozialdemokraten aus NRW über die Lage beraten. Bis dahin war die Losung von Hannelore Kraft: Jetzt nicht, vielleicht später. "Wenn wir mit dem politischen Wandel nicht vorankommen oder im Bundesrat wichtige Entscheidungen anstehen, bei denen es darum geht, Schaden von Nordrhein-Westfalen und seinen Bürgerinnen und Bürgern abzuwenden, werden wir eine neue Positionierung vornehmen", hieß es in einem Brief Krafts an die SPD-Basis. Am vergangene Freitag hatte der NRW-Landesvorstand noch Nein gesagt, am Montag folgte der Landesparteirat mit dem Beschluss, eine Minderheitsregierung werde „derzeit nicht angestrebt“.

Nun hat sich mit Blick auf etwaige Vorhaben der Bundesregierung und die Länderkammer in den vergangenen Stunden eigentlich nicht viel verändert. Die Kehrtwende dürfte andere Gründe haben.

Zum einen wäre da der massiver werdende Druck der Grünen. Deren Parteivorsitzende Claudia Roth hatte Krafts Abwarten heute in der Tageszeitung noch einmal als „unverantwortlich“ kritisiert. Für den kommenden Samstag ist eine Landesdelegiertenkonferenz der Partei in Neuss angesetzt, bei der sich die SPD abermals heftige Kritik hätte anhören müssen. Im bisherigen Leitantrag des Landesvorstandes war Krafts Taktieren jedenfalls deutlich kritisiert worden. Zum anderen reagierte die SPD offenbar auf die Versuche von Schwarz-Gelb, Sparpaket und Laufzeitverlängerung so auszugestalten, dass eine Zustimmung des Bundesrat für diese Vorhaben nicht nötig ist. Sollte der Bundesregierung das gelingen, wäre eine rot-grüne Minderheitsregierung schwerer zu rechtfertigen gewesen.

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Kraft hat nun den erstbesten Anlass genutzt, die von den SPD-Parteigremien eben erst beschlossene Linie wieder über den Haufen zu werfen. Nämlich einerseits Äußerungen des Vorsitzenden der NRW-FDP. Darin hatte Andreas Pinkwart erklärt, der Koalitionsvertrag der vergangenen Legislaturperiode sei „abgearbeitet“ und die Verpflichtung zum Konsens mit der CDU von Jürgen Rüttgers damit ausgelaufen. Und andererseits ein Interview des noch amtierenden Ministerpräsidenten selbst, in dem der den Satz sagte: "Ich kann nicht zurücktreten." Deshalb will die SPD nun „stabilere Verhältnisse“ mit einer Minderheitsregierung schaffen, die eben noch als „nicht stabil“ galt.

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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