"Was sollen wir jetzt machen?" Über Bilder der Trauer in Nordkorea

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Nach dem Tod von Nordkoreas Machthaber Kim Jong Il darf man auf das von politischem Autismus, Hunger und kultureller Isolation gebeutelte Land durch die üblichen Passepartouts blicken: Unruhe an den Börsen wegen angespannter Sicherheitslage, Hungersnöte, wenig Hoffnung auf politische "Öffnung", ein weithin unbekannter 30-Jähriger als nächster Spross einer ebenso bizarren wie geheimnisumwitterten Familiendynastie. Nordkoreas Führung verhält sich den negativen Erwartungen ensprechend – und zündete erst einmal eine Kurzstreckenrakete. China, Japan und Russland haben kondoliert, was für die politische Interpretation wichtig ist. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts hierzulande sprach von einer "Chance" auf Veränderung. Hier wüsste man ja gern, wer was darunter versteht – und vor allem, ob und was die Nordkoreaner dazu denken.










Einige sind, wie diese Bilder zeigen, offenkundig bestürzt über den Tod des "Geliebten Führers". Oder nicht? Die nun offiziell verbreiteten Szenen der öffentlichen Trauer sind wohl kaum nur herrschaftliche Inszenierungen, es weinen da sicher nicht nur Günstlinge. Sind die Menschen "hysterisch", wie ein Hinweis auf das oben stehende Video lautet? Der Begriff wurde wohl weniger aus fachlichen Motiven gewählt, sondern wegen seiner negativen Aufladung: Dass und wie Nordkoreaner da öffenltich reagieren, ist "im Westen" ganz undenkbar. Können diese Bilder eine Ahnung vom massenpsychologischen Aspekt eines autoritären Regimes vermitteln? Und was sagt es über "uns" aus, wenn ein ironisierendes Gegenbild zur üblichen "Schurkenstaat"-Folie – die Seite kim jong-il looking at things – so populär ist, dass es nun auch Eingang in die offizielle Nachrichtenberichterstattung erhalten hat?

Nun, auch Nordkoreas "neuer Führer" wird dafür sorgen, dass man bei der Antwort auf seine Fragen nicht viel weiter kommt. Aus einer Agenturmeldung: "Im ganzen Land waren die Flaggen am Montag auf Halbmast gesetzt. Bis zum 29. Dezember wurde eine nationale Trauerzeit ausgerufen, während der Singen und Tanzen verboten ist. Nordkoreas Staatsfernsehen zeigte Mitglieder der regierenden Kommunistischen Partei, die schluchzten, schrien und auf Tische schlugen. "Ich kann es nicht fassen. Wie konnte er so gehen? Was sollen wir jetzt machen?", fragte Parteimitglied Kang Tae Ho. "Er versuchte so sehr, unser Leben besser zu machen und ist einfach gegangen", sagte Hong Sun Ok." Fast liest sich das wie ein Vorwurf.

nach dem Tod von Kim Il Sung 1994:






Und ein Blick ins Jahr 1953:

Ein autoritärer Politiker stirbt, die Menschen weinen: Es fallen einem unwillkürlich Berichte über die Szenerie nach Stalins Tod 1953 ein, wo hierzulande selbst Leute am ebenso allgemeinen wie politisch aufgeladenem Betrauern teilnahmen, die in ihrer subjektiven Reflektion der Moskauer Herrschaft längst viel weiter waren. Aber die offiziellen Bilder sehen - wohl nicht nur aus Zeitgründen - eben doch anders aus.






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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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