Kürbissuppe ist nicht genug

Rheinland-Pfalz Von der APO auf die Regierungsbank neben Kurt Becks SPD: Die Grünen in Rheinland-Pfalz stehen nach dem Wahlerfolg vor einem schwierigen Spagat

Der Erfolg der Grünen bei den Landtagswahlen am 27. März war in der Höhe überraschend, auch wenn bei den rheinland-pfälzischen Grünen der Wiedereinzug ins Parlament und eine Beteiligung an der Regierung schon vor den Ereignissen in Japan als wahrscheinlich galten. Der Fukushima-Effekt ist nicht die einzige Erklärung für den Erfolg der Grünen.

Während der Zeit in der außerparlamentarischen Opposition, wie es die Grünen selbst gerne bezeichneten, fand die Partei ein Stück weit zu ihren Wurzeln zurück. Die Grünen suchten die Vernetzung mit der Zivilgesellschaft. Als die ganze Republik, gepackt vom S21-Fieber nach kritischen Großprojekten fahndete, stürzte sich die Presse in Rheinland-Pfalz auf den Hochmoselübergang. Die Grünen waren bereits vor Ort aktiv und konnten sich glaubwürdig gegen die Mammutbrücke positionieren. Egal ob Hochmoselübergang bei Zeltingen-Rachtig, Ausreisezentrum in Trier oder Kohlekraftwerk in Mainz, die Grünen waren stets dort präsent, wo Landespolitik sich auf die lokale Ebene herunterbrechen ließ. Diese Ausrichtung könnte die Grünen in Rheinland-Pfalz nun aber zu einem schwierigen Spagat zwingen.

Will man die Unterstützer aus der Zivilgesellschaft nicht frühzeitig vor den Kopf stoßen, müssen sich die Forderungen sowohl inhaltlich wie personell im Koalitionsvertrag wiederfinden. Dass der Hochmoselübergang noch zu verhindern ist, glauben - Baustopp während der Koalitionsverhandlungen zum Trotz – selbst innerhalb der Partei die wenigsten. Die Parteibasis ist skeptisch ob das Führungspersonal die vor Ort gesammelten Fleißpunkte in politisches Kapital ummünzen kann. Angelika Birk, Sozialdezernentin in Trier, ist als ehemalige Ministerin in Schleswig-Holstein die Einzige in der Landespartei die jemals in einem rot-grünen Kabinett saß. Auf ihre Expertise verzichtete man, Birk wurde noch nicht mal in die Verhandlungskommission berufen. „Wir haben Leute nach vorne gewählt, weil sie jede Woche auf dem Markt Kürbissuppe kochen“, heißt es hinter vorgehaltener Hand, „gleichzeitig wurden die, die programmatisch was drauf haben, nach hinten durchgereicht."

Drei grüne Minister?

Symptomatisch hierfür steht Ulrike Höfken, die als künftige Umweltministerin im Gespräch ist. Ihre Bilanz aus 17 Jahren Arbeit im Bundestag bietet dabei keine herausragende Bewerbungsgrundlage. 2001 wurde sie als Staatssekretärin für Verbraucherschutz im Ministerium von Renate Künast gehandelt. Den Vorzug erhielt mit Matthias Berninger ein damals fachfremder Jungpolitiker. An der Basis kritisiert man zudem, dass Höfken trotz ihres Amtes als verbraucherpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion kaum politische Prominenz erlangte. Einige Stimmen aus der Landespartei würden deshalb Bernhard Braun bevorzugen, dem umweltpolitische Kompetenz und Durchsetzungsfähigkeit zugesprochen wird. Als ehemaliger BUND-Landesvorsitzender wäre Braun einer, der auch jenseits der politischen Sphäre bereits ein gewisses Vertrauen erworben hat. Zudem hat er landespolitische Erfahrung: Bis 2006 war Braun stellvertretender Vorsitzender der Landtagsfraktion. Spitzenkandidatin Eveline Lemke hat sich durch ihre kritische Begleitung der Nürburgring-Affäre profiliert und wird für das Wirtschaftsministerium gehandelt. Beobachter rechnen mit insgesamt drei grünen Ministern am künftigen Kabinettstisch.

Auch in der SPD geht es bei den Koalitionsverhandlungen um einiges. Frühzeitig schlugen die Sozialdemokraten deshalb schon Pflöcke für die künftige Regierungsführung ein. "Die beiden Parteien sind sich einig darüber, dass bei allen Themenberatungen und Sachfragen die finanzielle Durchsetzbarkeit mit Blick auf die Schuldenbremse geprüft werden muss", teilte die SPD mit. Dadurch wird es für die Grünen schwieriger werden mit eigenen Projekten Akzente setzen zu können. Der Koalitionsvertrag wird zeigen, ob sie die Themen, die sie aus der Vernetzung mit der Zivilgesellschaft in den Wahlkampf getragen haben, konsequent umsetzen können. Ansonsten wird auch die Kürbissuppe auf dem Wochenmarkt keine Hilfe mehr sein.

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