Die Kanzlerin inmitten von Männern: So weit haben wir es gebracht!, suggeriert das Foto, das die Glückwünsche Angela Merkels zum 40. Geburtstag der Frauenzeitschrift Emma begleitet. Sie freut sich, dass sich das Blatt nicht vom Kurs abbringen lasse, auch wenn es unversöhnlich agiere, wo eher Kompromissbereitschaft angezeigt sei. Schon vor zehn Jahren durfte Merkel ihr Testimonial abliefern. Vergessen war, dass sie noch 2003 unter der Rubrik „Pascha des Monats“ geführt wurde wegen ihrer „Nibelungentreue“ zu den USA. Als erster „Pascha“ wurde 1977 übrigens Rudolf Augstein inthronisiert, ihm folgte kurz darauf konkret-Herausgeber Hermann Gremliza, ebenjener Kollege, der Alice Schwarzer bei ihrem Start unterstützt hatte.
Schwarzers Gespür für Celebrities, neben denen sie sich gerne ablichten lässt, ist immens. „Köpfe“ spielen in der Emma eine wichtige Rolle, das deutete sich schon in der für stolze drei Mark vermarkteten ersten Nummer vom Februar 1977 an. Nicht nur posiert Alice Schwarzer in bunt gestreiftem Mantel zwischen ihren drei dunkel gewandeten Mitstreiterinnen auf dem Titelblatt; man sieht sie auch mehrmals mit „meiner Freundin Romy“ (Schneider) auf der Bettkante sitzen, deren eigentliche Geheimnisse, wie Schwarzer in ihrer Autobiografie Lebenslauf enthüllt, sie damals jedoch bewahrt habe.
40 Jahre Emma, das ist trotz und wegen Alice Schwarzer eine reife Leistung. 29.068 Seiten, rechnet sie im Jubiläumsheft vor, hat sie gestemmt, ohne nennenswerten Werbeetat oder Anzeigeneinnahmen, zusammen mit ihren Getreuen. Eine der ersten Stunde war die damals noch blutjunge Karikaturistin Franziska Becker, die dem Blatt die illustrative Kennung gab, auf elend schlechtem Papier und mit „ersoffenen“ Fotos, alles schwarz-weiß, versteht sich. Auch Christiane Ensslin, die Schwester von Gudrun Ensslin, war im bleiernen Jahr 1977 mit von der Partie. Ohne Alice Schwarzer ist Emma, das gilt nicht erst seit der spektakulär gescheiterten Übergabe der Chefredaktion an Lisa Ortgies, nicht denkbar. „Deutschland“, schreibt die Historikerin Miriam Gebhardt in ihrer bösen Abrechnung mit Alice im Niemandsland, „ist ein feministischer Erbhof. Es bescheidet sich mit einer Frau für alle Zeiten.“
Als Emma 1977 mit einer sagenhaften Auflage von 200.000, die in kürzester Zeit vergriffen war, startete, war sie fast eine Nachzüglerin, denn über ein halbes Jahr zuvor war die Berliner Courage an den Start gegangen, mit zeitweise bis zu 70.000 Exemplaren ebenfalls ein Erfolgsmodell. Die Gräben, die zwischen Alice Schwarzer und der Westberliner Frauenszene ohnehin schon klafften, wurden zwischen den Marktkonkurrentinnen unüberbrückbar. Es kam zu Boykottaufrufen und gegenseitigen Bezichtigungen. Bis heute sieht sich Schwarzer als Opfer einer gegen sie und die Emma gerichteten Kampagne und behauptet, sie sei von Männerpresse und Berliner Frauenszene regelrecht tribunalisiert worden. Konzeptlos, unentschlossen, sektiererisch, schlechter Journalismus, schrieb Elke Heidenreich ausgerechnet in der Zeitschrift pardon, wo Schwarzer einmal gearbeitet hatte, damals das Magazin, das sich explizit „an alle Frauen“ wendete.
Während die alternative Frauenpresse am basisdemokratische Anspruch festhielt und sich in den Mühlen der Ebene aufrieb, hatte Schwarzer verstanden, dass sie, wenn sie dauerhaft medienwirksam werden wollte, ein auf sie zugeschnittenes „Organ“ benötigte. Schwarzer vermarkte die Frauenbewegung, wurde der Emma-Chefin vorgeworfen, um sich selbst in Szene zu setzen. Schon im dritten Heft verwahren sich die Frankfurter AStA-Frauen gegen „Vereinnahmung“ und den „reformistischen Quark“, den Emma verbreite.
Schwarzer dagegen setzt von Anfang an auf Kampagnen: Sie fordert die Aufnahme von Frauen in die Bundeswehr, agitiert gegen Vergewaltigung, auch in der Ehe, prangert sexuellen Missbrauch und schon früh die Klitorisbeschneidung an. Dass die Zeitschrift Emma nicht in jedem Fall die erste war, die Ungerechtigkeiten oder Gewalt gegen Frauen skandalisiert hat, wie Schwarzer behauptet, widerlegt nicht, dass das Blatt viel dazu beigetragen hat, diese an die Öffentlichkeit zu tragen.
Aber vieles, was Emma in den Brennpunkt rückte, war auch umstritten. Die friedensbewegten Feministinnen der 80er Jahre hatten mitnichten Ambitionen, in der Bundeswehr Karriere zu machen. Die PorNO-Kampagne brachte Künstler und Künstlerinnen in Abwehrstellung. Besonders unbeliebt machte sich Alice Schwarzer aber bei den sich gerade als Berufsstand etablierenden Prostituierten, weil sie Sexarbeiterinnen vorschreiben wollte, wie sie leben, fühlen und ihr Geld verdienen sollen. Sie sei unfähig, hielt man ihr vor, zwischen Prostitution und Zwangsprostitution zu unterscheiden.
Keine differenzierten Betrachtungen
Dabei hatte es mit dem „kleinen Unterschied“ für Alice Schwarzer und die Emma einmal begonnen. Differenzierte Betrachtungen hatten allerdings nie zu ihrem Geschäft gehört. Im Emma-Kosmos waren von jeher weiße und schwarze Regionen abgesteckt, in Gut und Böse, In Freund und Feind. Mit diesen eindeutigen Weltbildern hat Schwarzer polarisiert, Widerspruch heraufbeschworen, Feindschaften begründet – und ihr Blatt, das in den letzten beiden Jahrzehnten große Auflageverluste hinnehmen und mehrfach den Erscheinungsmodus verändern musste, damit am Leben erhalten.
Eine besondere Zäsur in der Emma-Geschichte bilden die Silvesternacht in Köln 2015 und die Übergriffe „brutalisierter“ und „islamisierter“ junger Männer gegen Frauen. Den Kreuzzug gegen den „Gottesstaat“ mitten in Deutschland hatte Schwarzer, ihren der französischen Zweitheimat geschuldeten universalistischen Überzeugungen treu, schon Ende der 70er Jahre ausgerufen. In der Auseinandersetzung um das Kopftuch positionierte sich Emma immer klar dagegen. Die Kölner Silvesterereignisse aber lieferten Schwarzer den Anlass, eine neue Islam-Debatte „ohne politische Correctness“ ins Rollen zu bringen und gegen „falsche Toleranz“ im Namen einer „ominösen ‚Religionsfreiheit‘ “ zu polemisieren. Die Emma verglich die Geschehnisse in Köln mit den Übergriffen auf dem Tahrir-Platz in Kairo. Die mediale Aufmerksamkeit war, wie zu erwarten, überwältigend.
Die empörten Reaktionen – insbesondere auch aus der jüngeren Frauenszene – ließen nicht lange auf sich warten. Im Missy-Magazin wandte sich die Kulturwissenschaftlerin Mithu Sanyal gegen Schwarzer, weil sie mit „rassistischen Hassschriften“ den ohnehin aufgeheizten Diskurs gegen Muslime forciere. Ähnliches ist im Blog von „Mädchenmannschaft“ oder anderen feministischen Plattformen zu lesen. Die taz wirft ihr vor, sich in Argumentation und Wortwahl der AfD anzunähern.
Und da sind sie dann wieder, die alten, eingeübten Verbalaufstellungen im „Zickenkrieg“ – A. S. versus „Berliner Szene“ –, über den sich alle übrigen Medien hämisch freuen. Alice schlägt nun zurück gegen die Berliner Netz- alias „Hetzfeministinnen“, ausgerechnet in der Jubelnummer zum 40. Jubiläum. Die „Mädchen“ standen einmal in Schwarzers und Emmas Gunst, nun haben sie es vergeigt: Den akademischen „Befürworterinnen des Islamismus“ – und insbesondere der medial präsenten Anne Wizorek – wird Sektierertum vorgeworfen, die „Schauprozesse“ in stalinistischer oder maoistischer Tradition gegen Schwarzer inszenierten, um damit die feministische „Deutungshoheit“ an sich zu reißen.
„Deutungshoheit“ ist das entscheidende Stichwort. Seit Bestehen der Emma ging es immer um die Hoheitsrechte über den Feminismus. Seitdem Missy und der Netzfeminismus der Emma den Alleinstellungsanspruch streitig machen, ist dieser Konflikt neu entbrannt. Und es wäre eine Unterschätzung, dafür den „Kampf der Generationen“ verantwortlich zu machen. Es geht damals wie heute um politische Differenzen, die aber, weil Frauen beteiligt sind, leider meist untergehen.
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