Bei jedem Arzt mit Labor

PID Die Untersuchung von Embryonen aus künstlicher Befruchtung soll nicht auf Spezialkliniken beschränkt sein
Die PID wird von Kinderwunschzentren bereits kräftig beworben
Die PID wird von Kinderwunschzentren bereits kräftig beworben

Foto: Waltraud Grubitzsch/dpa

Als Anfang dieses Jahres im Kinderwunschzentrum des Universitätsklinikums Lübeck nach einer Präimplantationsdiagnostik offiziell das erste PID-Baby auf die Welt kam, war es schon eine kleine Berühmtheit. Es galt als das erste Kind in Deutschland, das im Reagenzglas gezeugt und gezielt danach ausgewählt worden war, eine schwere Erbkrankheit zu vermeiden. Nach Auskunft des mittlerweile emeritierten Reproduktionsmediziners Klaus Diedrich lagen im Frühjahr in Lübeck bereits 40 neue Anträge zur Begutachtung in der Warteschleife. Sie wurden vorerst nicht weiterverfolgt, weil sich das Gesundheitsministerium viel Zeit ließ mit der Ausführungsverordnung für das im Dezember 2011 in Kraft getretene PID-Gesetz. Andere Kinderwunschzentren haben darauf nicht gewartet, sondern die PID einfach praktiziert.

Nun hat Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) den Entwurf der Verordnung vorgelegt, die ab 2013 gelten soll. Doch Diedrichs Erwartungen dürfte dieser kaum erfüllen. Der Mediziner, der die PID befürwortet, plädiert dafür, die neu zugelassene Methode auf ganz wenige Zentren zu beschränken. Bahr geht einen anderen Weg: Statt weniger Kompetenzzentren kann künftig fast jeder niedergelassene Arzt in Kooperation mit Humangenetikern und Repro-Medizinern die PID anbieten, soweit die Praxen nahe beieinander liegen und die fachärztlichen Voraussetzungen erfüllen.

Zweifel an Qualität

Zuständig für die Zulassung sind die Länderbehörden, die auch die im PID-Gesetz vorgesehenen Ethik-Kommissionen bestellen. Diese entscheiden innerhalb von drei Monaten über Anträge von Paaren, die sich eine PID wünschen. Voraussetzung ist, dass die Disposition für eine schwere genetische Erkrankung vorliegt oder für eine Schädigung des Embryos, die zu einer Fehl- oder Totgeburt führen könnte. Für die Begutachtung müssen die Antragsteller eine Gebühr entrichten. Die Kommissionen sollen aus acht Personen bestehen: vier Medizinern, einem Ethiker, einem Juristen und zwei Patientenvertretern. Für die Umsetzung bleibt den Ländern ein Jahr Zeit.

Unmittelbar nach Bekanntwerden der Verordnung hagelte es Kritik, auch aus den Reihen der Regierungsparteien. Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Hubert Hüppe (CDU), fürchtet, dass künftig „jeder, der ein Labor hat, die PID anbieten kann“. SPD- und Grünen-Abgeordnete warnen, die Qualität könnte leiden, und fordern, dass die Zentren eine Mindestanzahl von PID-Untersuchungen nachweisen müssen. CSU-Experte Johannes Singhammer sieht das Risiko, dass sich daraus „ein Geschäftsmodell entwickelt“.

Er könnte richtig liegen. Auf den Homepages der deutschen Kinderwunschzentren wird die PID bereits kräftig beworben. „Mit der PID können wir auch Risikopatienten eine wertvolle und hochmoderne Behandlungsmethode bieten, die den Weg zum Wunschkind aussichtsreicher und sicherer macht“, schreibt beispielsweise das Fertility Center in Hamburg. Auch das Zentrum des Kinderwunscharztes Matthias Bloechle, der einst im rechtsfreien Raum die erste PID vornahm, sich selbst anzeigte und durch ein Urteil des Bundesgerichtshofs den Gesetzgeber unter Druck setzte, verweist stolz auf das erste „gesund geborene Kind“.

Länder-Hopping befürchtet

Angesichts der gerade einmal 200 erwarteten Fälle pro Jahr ist das ein bisschen viel verordnungs- und reklametechnischer Aufwand. So könnte die PID eine ähnliche Entwicklung nehmen wie vormals die Pränataldiagnostik (PND), die sich von einer vorgeburtlichen Untersuchung für ganz wenige betroffene Frauen innerhalb von zehn, zwanzig Jahren zu einem normalen Schwangerschafts-Screening ausgeweitet hat. Wie restriktiv oder liberal über die PID-Anträge entschieden wird, hängt auch von der Zusammensetzung der Ethikkommissionen ab. Wird ein Antrag in einem Land zurückgewiesen, haben Paare die Möglichkeit, es in einem anderen noch einmal zu versuchen. Das könnte zum Länder-Hopping führen, befürchtet Singhammer.

Gesundheitsminister Bahr weist alle Bedenken zurück. Es bestehe auch die Möglichkeit, länderübergreifende Kommissionen einzurichten. Im September soll das Bundeskabinett dem Entwurf zustimmen, danach ist der Bundesrat gefragt.

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Geschrieben von

Ulrike Baureithel

Redakteurin „Politik“ (Freie Mitarbeiterin)

Ulrike Baureithel studierte nach ihrer Berufsausbildung Literaturwissenschaft, Geschichte und Soziologie und arbeitete während des Studiums bereits journalistisch. 1990 kam sie nach Berlin zur Volkszeitung, war im November 1990 Mitbegründerin des Freitag und langjährige Redakteurin in verschiedenen Ressorts. Seit 2009 schreibt sie dort als thematische Allrounderin, zuletzt vor allem zuständig für das Pandemiegeschehen. Sie ist außerdem Buchautorin, Lektorin und seit 1997 Lehrbeauftragte am Institut für deutsche Literatur der Humboldt Universität zu Berlin.

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