Demnächst startet der letzte Flieger von Berlin-Tempelhof gen Westen. Mit ihm und dem alten Flugplatz verschwindet ein Stück Frontstadt, für die keine Partei so überzeugend stand wie die Westberliner CDU. Diese Partei und ihr Landeschef Ingo Schmitt wissen bis heute, dass der Feind links steht und die eigenen Reihen möglichst immun zu halten sind gegen metropolitane Infekte: Einwanderer, Subkulturen und lottrige Lebensstile. Daran hat auch Friedbert Pflüger, die 2006 eigens eingeflogene Erneuerungshoffnung, nichts ändern können. Vom verpatzten Start bei der letzten Berlin-Wahl bis hin zur glücklosen Pro-Tempelhof-Kampagne: Alles hätten die Westberliner Bezirksfürsten wohl hingenommen, vielleicht sogar die Palastrevolution, bei der sich der Fraktionsvorsitzende Pflüger nun auch den Landesvorsitz sichern will; nicht jedoch dessen Versuch, den Mauerspecht zu geben und die gepflegten Vorurteile gegenüber grünen und anderen Vögel umzupflügen. In der Frontstadt-Union ist "Jamaica" noch so fern wie vor 20 Jahren, als man durch Luft- und Betonkorridore reiste. Demnächst startet der letzte Flieger von Tempelhof gen Westen. Vielleicht sitzt Pflüger ja drin.
Betonspecht
Geschrieben von
Ulrike Baureithel
Redakteurin (FM)
Ulrike Baureithel studierte nach ihrer Berufsausbildung Literaturwissenschaft, Geschichte und Soziologie und arbeitete während des Studiums bereits journalistisch. 1990 kam sie nach Berlin zur Volkszeitung, war im November 1990 Mitbegründerin des Freitag und langjährige Redakteurin in verschiedenen Ressorts. Seit 2009 schreibt sie dort als thematische Allrounderin, zuletzt vor allem zuständig für das Pandemiegeschehen. Sie ist außerdem Buchautorin, Lektorin und seit 1997 Lehrbeauftragte am Institut für deutsche Literatur der Humboldt Universität zu Berlin.

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