Eine junge Frau in meiner Bekanntschaft, eine Umweltingenieurin, musste lange suchen. Entgegen allen Behauptungen, dass Frauen, die MINT-Fächer studieren, gute Jobaussichten haben, dauerte es fast zwei Jahre, bis sie einen Arbeitsvertrag in den Händen hielt. Das Einstiegsgehalt, ein Hohn jedes Tarifvertrags, ist eine Unverschämtheit und treibt Tränen der Wut in die Augen. Soll das der Lohn für die Mühe sein, sich in einer Männerdomäne durchgesetzt zu haben? Einem gleichwertig ausgebildeten jungen Mann hätte das so wohl kein Unternehmen anzubieten gewagt.
Seit über einem Jahr kämpft Frauenministerin Manuela Schwesig darum, dass Frauen, wenn sie schon nicht das Gleiche verdienen wie Männer, zumindest ein Recht darauf haben, zu erfahren, was ihre vergleichbar qualifizierten männlichen Kollegen durchschnittlich nach Hause bringen. Diese verdienen statistisch nämlich 21 Prozent mehr als sie, und selbst wenn man die Tatsache berücksichtigt, dass Frauen mehr Teilzeit arbeiten, oft in generell schlechter entlohnten „Frauenberufen“ tätig sind und selten in die Top-Etagen aufsteigen, sind es immer noch sieben Prozent Unterschied.
Obwohl sich die Auskunftspflicht in ihrem Entwurf zum Entgelttransparenzgesetz nur auf tarifgebundene Betriebe mit über 200 Beschäftigten bezieht – ursprünglich sollte das Gesetz auch Kleinbetriebe einbeziehen – und damit viele Frauen gar nicht davon profitieren werden, stieß Manuela Schwesig auf vehementen Widerstand ihrer Kabinettskollegen. Die Argumente waren teilweise bizarr. Neben „grundsätzlichen Einwänden“ fand man in dem Gesetz beispielsweise Hinweise auf einen „Angriff auf die Selbstständigkeit“, weil arbeitnehmerähnliche Beschäftigte in die Regelungen miteinbezogen werden sollen.
Ein Tabu brechen
Nach endlosem Verschieben gelang es der Frauenministerin im Januar dann doch noch, ihren reichlich abgespeckten Entwurf im Kabinett durchzudrücken. Es gehe, sagte Manuela Schwesig, nicht darum, in die Lohnzettel zu spicken, sondern das Tabu zu brechen, dass über Geld nicht geredet werden dürfe. Dieses Tabu begünstigt vor allem Männer.
Am Ende bleibt den Gegnern des Gesetzes nun nur noch der Notschrei: „Zu viel Bürokratie!“ Diesmal kam er vom Fraktionsvorsitzenden der Union, Volker Kauder, der die Wirtschaft vor bürokratischer Überlastung bewahren will. Eigenartig nur, dass Länder, in denen man ziemlich offen darüber spricht, was jemand verdient – und dazu gehören auch so wirtschaftsfreundliche und sicher nicht überregulierte wie die USA –, noch immer nicht unter zu viel Bürokratie zusammengebrochen sind.
Die hiesige Wirtschaft ihrerseits möchte sich zum Advokaten der Frauen aufspielen und sie vor einer vermeintlich verblendeten Ministerin in Schutz nehmen. Das Gesetz sei wenig geeignet, „Karrierechancen für Frauen zu schaffen“, wird da unter anderem behauptet. Bei so viel Fürsorge ist Misstrauen am Platz. Sicher: Frauen sind klasse und erwünscht, solange sie – wie die eingangs erwähnte Bekannte – billig sind. Drängen sie in Männerberufe, darf man sicher sein, dass die dort üblichen Gehälter stagnieren.
Das ganze System funktioniert natürlich nur, solange Lohnzettel geheimer gehalten werden als ein gut gehütetes Testament. Wenn Betriebe mit über 500 Beschäftigen, wie es der Schwesig-Entwurf vorsieht, dann auch noch erklären sollen, nach welchen Kriterien Gehälter bezahlt werden, dürfte es richtig rundgehen.
Nur der jungen Umweltingenieurin nützt das wenig. Sie arbeitet bei einem Mittelständler, den Tarifverträge nicht kümmern. Und gut gemeinte Gesetze schon gar nicht.
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