Wissenschaft ist Wettbewerb. Das gilt nicht nur für die einzelnen Forscher im Rennen, mit den besten Ideen und Studien zuerst auf dem Markt zu sein, sondern auch für Nationen. Maßen sie sich früher an der modernsten Kriegsflotte oder am Bau einer „Wunderwaffe“, hat sich das Feld des Wettstreits ausgeweitet ins Zivile, insbesondere die Informations- und Biotechnologie, wo nicht nur das moderne Gold zu schürfen ist, sondern auch nationales Prestige winkt. Nicht umsonst heißen die beiden Javaneräffchen, die von chinesischen Forschern kürzlich im Labor geklont worden sind, Zhong Zhong und Hua Hua: Zusammengezogen ergibt das „Zhonghua“, die Bezeichnung für „chinesische Nation“.
Und so muss man die wissenschaftliche
haftliche Leistung wohl auch lesen: Es geht weniger um einen wissenschaftlichen Paradigmenwechsel oder einen der viel beschworenen „Durchbrüche“ als zunächst einmal um einen Wechsel der Flaggen. Denn noch bis ins Jahr 2000, als Craig Venter das menschliche Genom als entziffert präsentierte, galt der angelsächsische Raum als führend in Bezug auf bio- und reproduktionstechnologische „Sensationen“, nicht zuletzt weil eine utilitaristische Ethik den Begründungsrahmen dafür lieferte. Ian Wilmuts Klonschaf Dolly war die Ikone hybrider Züchtungsfantasien, sei es, um landwirtschaftliche Erträge zu steigern oder um genetisch identische Tiermodelle für die Forschung zu erzeugen.Noch im selben Jahr, als Venter die Welt und den Menschen mittels vier Buchstabenfolgen erklären wollte, bastelten in Oregon Wissenschaftler an der Zerteilung der Zellen eines Schimpansenembryos, um aus ihnen identische Äffchen zu klonen. Sie versuchten damit die komplizierte Methode, die Wilmut bei seinen Schafen angewandt hatte, zu umgehen: Statt den Zellkern zu isolieren und anschließend in eine weibliche Eizelle einzuführen und den Klon durch ein Muttertier austragen zu lassen, splitteten sie den Embryo einfach auf, um Duplikate zu erhalten. Bei den vier bei dieser Prozedur entstandenen Äffchen handelte es sich um die ersten genveränderten Primaten. Gerald Schatten, der damalige Leiter der Forschungsabteilung, pries sie als „Modelle“ für die Aids-Forschung und rief damit damals schon die Tierschützer auf den Plan.Mittlerweile sind Singapur und China auf diesem Gebiet auf der Überholspur, und die Laborkünstler des Instituts für Neurowissenschaften in Schanghai haben sich wieder auf Wilmuts Methode besonnen. Die beiden Affenbabys sind das – zahlenmäßig eher dürftige – Ergebnis eines erstmals an Primaten durchgeführten somatischen Zellkerntransfers. Dürftig, wenn man bedenkt, dass für dieses Experiment über 400 Eizellen verbraucht und 260 Embryonen erzeugt wurden, die auf 63 Affenweibchen übertragen wurden. 28 Schwangerschaften ergaben sich, aus ihnen gingen die besagten beiden Äffchen hervor, eine aus tierethischer Sicht hochproblematische Materialschlacht, bei der die Ursprungszelle jedes Mal so reprogrammiert, die genetische Uhr sozusagen jedes Mal zurückgestellt werden muss, damit sich ein Embryo daraus entwickeln kann.Tierschützer kritisieren die chinesischen Klonexperimente als einen Dammbruch, der, so der Bundesverband „Menschen für Tierrechte“, zu einer erneuten „Welle von Affenversuchen“ führen könnte. Javaäffchen werden insbesondere eingesetzt, um die Toxizität von Medikamenten und die Qualität medizinischer Produkte und Geräte zu prüfen. Der Deutsche Tierschutzbund befürchtet ebenfalls eine Ausweitung von Affenexperimenten und macht auf das Leid der sensiblen Tiere aufmerksam, die häufig kurz nach der Geburt unter Schmerzen sterben. Er lehnt jegliches Tierklonen ab und wirft damit die generelle Frage auf, ob Klontiere im Dienst des Menschen produziert und vernutzt werden dürfen.Paradoxerweise bringen die einschlägigen Forscher gerade jedoch den Tierschutz in Anschlag, um ihre Experimente zu legitimieren. Denn durch die genetisch identischen Klontiere, behaupten sie, benötige man weniger Versuchstiere. Je geringer nämlich deren genetische Variabilität, desto genauer die Forschungsergebnisse. Der „Material“verbrauch beim Klonen wird aus dieser Perspektive ausgeglichen durch die Sparsamkeit beim Einsatz von Versuchstieren. Man wird allerdings den Verdacht nicht los, dass die Existenzberechtigung der beim Klonen verbrauchten Tiere anders bewertet wird als die der auf natürliche Weise erzeugten.Nebulöse TherapieversprechenDie Wissenschaftsgeschichte zeigt indessen auch, dass das Modellieren von Versuchstieren und deren (Ver)nutzung in der vergleichenden Forschung – etwa der Erbpathologie – eine lange Spur hin zum Menschenexperiment hinterlassen hat, durchaus nicht nur im Nationalsozialismus. Von daher ist es berechtigt, danach zu fragen, inwieweit der Klonversuch mit Affen technisch nicht auch mit anderen Primaten – also den Menschen – möglich ist und damit erst der Anfang, selbst wenn man dies den chinesischen Forschern, die das weit von sich weisen, nicht persönlich unterstellen muss.Zwar hat sich der Ansatz in der Stammzellforschung mittlerweile verändert, und zumindest in der westlichen Hemisphäre wird viel mit „erwachsenen“ Körperzellen gearbeitet. Das heißt aber noch lange nicht, dass der Weg von der Möglichkeit zur Tatsächlichkeit nicht irgendwann doch beschritten werden könnte. Das reproduktive Klonen von Menschen wird zwar international geächtet, ist in vielen Ländern aber auch nicht verboten. Die lange Auseinandersetzung in den Vereinten Nationen um das Klonverbot, die 2005 mit einer unverbindlichen Deklaration endete, hat nur dazu geführt, dass das Handwerken mit menschlichen Föten und Eizellen inzwischen unter den Radar der öffentlichen Aufmerksamkeit gerutscht ist.Mit Blick auf die Versuche in China stellt sich zunächst aber weniger die Frage, wie viele Lichtjahre uns noch vom Menschen-Klon des Science-Fiction trennen, sondern die nach dem grundsätzlichen Umgang mit Kreaturen, die sich der Mensch glaubt dienstbar machen zu können. Die entwicklungsbiologische Spanne zwischen patentierter Onco-Maus und geklontem Makaken schnurrt plötzlich zusammen, wenn es um nebulöse Therapieversprechen für den Menschen geht. Im Unterschied zum Embryonensplitting stünde mit dem Zellkerntransfer jedenfalls ein ganzes Heer von Versuchsäffchen bereit.Placeholder link-1