Paywalls: Kein Geschäftsmodell 4.0

Verbraucher Mit 'Zukunft des Journalismus' sind meist Finanzierungsmöglichkeiten für digitale Presserzeugnisse gemeint. Doch der globale Konsument will nicht nur Zeitungen kaufen

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Paywalls: Kein Geschäftsmodell 4.0

Foto: John MacDougall/AFP/Getty Images

Natürlich braucht es Bezahlmodelle, schließlich ist ein Verlag ein privatwirtschaftliches Unternehmen. Während eine Zeitung aber nur ein Produkt verkaufen muss, stehen die potentiellen Käufer vor einer überwältigenden Auswahl. Sie müssen abwägen, ob sie zusätzlich zu ihrer Musik, ihren Lieblings-Apps, -Filmen,- Tools und -Gadgets auch noch aktuelle Informationen kaufen möchten. Oder können. Die Lust auf Waren aller Art, zu denen auch Texte, Bilder und Töne geworden sind, lässt sich bei Anbietern aus aller Welt innerhalb weniger Minuten befriedigen. Hier ein paar Cents, dort ein paar Dollars: Nur wenige können sich jeden Wunsch erfüllen, und so entscheidet die Preisfrage über das Konsumverhalten.

Welchen Stellenwert hat ein Zeitungsabo?

Um mit dem Einkommen auszukommen, hat jeder seinen ganz persönlichen Schlüssel; darein fließen alle denkbaren Kosten von der Miete bis zur Taxifahrt. Kunden müssen selektieren und denken deshalb profitorientiert – angesichts der schieren Masse digitaler Waren bleibt ihnen gar nichts anderes übrig. So ein Abonnement kostet ja nicht die Welt, mögen sich die Chefs von Online-Newssites denken, und, wenn das Produkt nur von guter Qualität und attraktiv ist, würden die Leser es schon durch den Griff zum Geldbeutel würdigen. Doch der Mehrheit genügen die vorhandenen Angebote völlig, und Attraktivität ist Geschmackssache. Mehr als um Qualität (wobei man diese Debatte für eine journalistisch-akademische halten kann) geht es um Relevanz und persönlichen Nutzen.

Der potentielle Leser überlegt, wie er seine finanziellen Möglichkeiten möglichst gewinnbringend ausnutzen kann. Er unterstützt schon den einen oder anderen Software-Entwickler, crowdfundet Projekte, flattrt Blogbeiträge und zahlt regelmäßig für Netflix und netzpolitik.org. Was bringt es ihm, für noch ein Angebot zu zahlen? Von einem aus dem Netz heruntergeladenen Film oder einem Tool, das ihm die tägliche Arbeit erleichtert, hat er länger etwas, profitiert also „mehr“ als von einer flüchtigen Nachricht, mag sie noch so sorgsam recherchiert und aufbereitet sein. An der schnellen Verderblichkeit von News ändern auch bewegte Bilder und eingebettete Töne nichts. Viele sind von den endlos zu scrollenden Multimedia-Beiträgen ohnehin genervt. Der Lesefluss wird häufig unterbrochen, und Zeit ist ebenso knapp wie Geld. Deshalb gilt eine über die nackte Meldung hinausgehende, vertiefende Information oder ein ausführlicher Hintergrund gegenüber dauerhafteren digitalen Gütern schnell als verzichtbar.

Zeitungen sind ein winziger Ausschnitt des digitalen Angebots

Es gibt genügend deutschsprachige aktuelle Informationen, multimedial und hübsch kuratiert, auch solche, die man „nur“ mit den eigenen Daten bezahlt. Schon bei durchschnittlichen englischen Sprachkenntnissen steigt das Produktangebot exorbitant an. Dank der vielen Übersetzungstools werden sogar speziellere Artikel und selbst kyrillische oder arabische Schrift zumindest grob verständlich, und auf Twitter und Facebook kommt sowieso alles irgendwann vorbei. Die Nutzer meinen es ja nicht böse, wenn sie kostenlose News vorziehen, obwohl dieser Eindruck entsteht, wenn man über „Gratiskultur“ wetternden Verlegern zuhört. Ihnen sind nur andere Dinge wichtiger, für die sie ihr Geld lieber ausgeben als für Zeitungsartikel.

Der zahlungswillige Kunde hat – falls er sich auf die Untiefen sonderbarer Bezahlsysteme einlassen möchte - die Wahl, ein herkömmliches, ein Tages- oder Plus-Abonnement zu kaufen, ein Genossenschaftsmodell zu unterstützen oder einzelne Artikel (teils zu Mondpreisen) zu erwerben. Für aktuelle Nachrichten zahlt, wer daran gewöhnt ist, wer berufliches Interesse hat, besonders gründlich informiert sein will oder einfach nicht warten möchte. Der konservative Leser wird seiner Zeitung und deren Blattlinie auch im Netz treu bleiben, falls er dort unterwegs ist. Immer mehr Menschen füttern auf dem Smartphone oder Tablet RSS-Reader mit ihren Interessen oder benutzen Aggregatoren, um sich an jedem Ort aktuell zu informieren.

Die Idee der komfortablen Aggregation kann sich indessen bei deutschen Verlegern so wenig durchsetzen, dass sie sogar ein Leistungsschutzrecht ersonnen haben, um dieses aussichtsreiche Geschäftsmodell gründlich zu verhindern – leider war es nicht ihre Idee, das mögen sie nicht. Lieber schreiben alle alles vielfach oder gleich bei dpa ab. Dabei wäre es für den Leser tatsächlich attraktiv, statt Zeitungen aufwendig nach ergänzenden Meldungen abklappern zu müssen, nach einem Stichwort suchen und den Output für den Preis einer einfach zu buchenden Flatrate an zentraler Stelle finden zu können. Das Sahnehäubchen wäre die Suche nach rein journalistischen, PR- oder gemischten Quellen. Doch die Vernetzung, die zwischen einer Zeitung und Öffentlich-Rechtlichen möglich ist, scheint unter Verlagen in weiter Ferne.

Leser müssen sich im Zeitalter des Hyperlinks immer noch für eine Zeitung entscheiden. Zwar kauft niemand ein ganzes Schwein, wenn er ein Schnitzel essen will, aber über solche Sauereien denken die Verleger nicht nach. Stattdessen halten sie stur ihr eigenes Angebot für das einzig wünschenswerte. Dabei übersehen sie gravitätisch betriebsblind, dass es neben ihrem noch andere Märkte gibt und sie nur ein Anbieter unter unendlich vielen sind.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

vera bunse

Freie Journalistin, Bloggerin, @verabunse, Dosenöffner für Kater Hadji. Netz·Politik, Soziales, Journalismus. Korrigiert und redigiert.

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