S. Raab – Interview mit Merkel und Steinbrück

Realsatire Der Wahlkampf nähert sich seinem ersten Höhepunkt. Stefan Raab - das Enfant terrible - der deutschen Medien interviewt die Kanzlerin und ihren Herausforderer.

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Bild: cicero.de

Raab: Frau Bundeskanzlerin, wie fühlen Sie sich so unangefochten an der Spitze Deutschlands?

Merkel: Also ich mache nur meine Arbeit, fühle mich im Übrigen nicht unterbezahlt und wenn das von der Bevölkerung honoriert wird, ist diese breite Zustimmung durch meine Landsleute für mich Ansporn und Herausforderung zugleich.

Raab: Herr Steinbrück, der Abstand - was die Zustimmungswerte betrifft - zwischen Ihnen und der Bundeskanzlerin ist so groß, dass schon ein kleines Wunder passieren müsste, um diesen Abstand in einen Vorsprung zu verwandeln. Wie wollen Sie das noch schaffen, zumal ihre Beliebtheitswerte selbst in ihrer eigenen Partei nicht gerade berauschend sind. Oder andersherum gefragt. Können Sie Kanzler?

Steinbrück: Wer mich kennt- und ich kenne mich selbst am besten – der weiß, dass ich eine Kämpfernatur bin. Die SPD hat mich zum Kanzlerkandidaten nominiert und ich stehe in der Verantwortung gegenüber einer Partei mit einer 150-jährigen Geschichte. Dieser Verantwortung werde ich mich ohne Wenn und Aber stellen. Im Übrigen sind die aktuellen Zustimmungswerte zwar eine Momentaufnahme, die ich ernst nehme, mehr aber auch nicht. Abgerechnet wird aber im Herbst und da gibt es für die SPD noch erheblichen Spielraum nach oben.

Raab: Herr Steinbrück, Ist es für Sie überhaupt lukrativ, Bundeskanzler zu sein. Der Gehalt ist – wie Sie anmerken – eher mickrig und als Bundeskanzler halten Sie zwar viele Vorträge, die aber werden nicht gesondert bezahlt, sondern sind im Gehalt inbegriffen.

Steinbrück: Ich habe in meiner Zeit als Bundesfinanzminister auch Vorträge gehalten, für die ich nicht gesondert entlohnt wurde. Insofern muss man unterscheiden, in welcher Funktion man tätig ist. Als Minister oder gar als Bundeskanzler verbietet es sich geradezu, sich für Vorträge honorieren zu lassen. Zudem habe ich meine Nebeneinkünfte im Rahmen der Vorschriften offen gelegt und korrekt versteuert. Wenn es künftig so sein soll, dass ein normaler Bundestagsabgeordneter – der ich zu dem Zeitpunkt meiner honorarpflichtigen Vorträge war - keine Nebeneinkünfte mehr erzielen soll, will ich mich dem gerne anschließen.

Raab: Frau Bundeskanzlerin, inwieweit ist die CDU eigentlich noch eine christlich-konservativ ausgerichtete Partei. Ich nenne nur einmal die Themen: Rechtliche und steuerliche Gleichstellung der Homo-Ehe bzw. Wegfall der Wehrpflicht. Vergraulen Sie nicht ihre Stammwählerschaft sprich ist die CDU nicht am Ende eine Kopie der SPD?

Merkel: Wir sind zunächst die Partei der politischen Mitte, verbunden mit der Fähigkeit, die politischen Ränder mit zu integrieren. Darüber hinaus muss eine Volkspartei - wie es die CDU nun mal ist - in der Lage sein, die gesellschaftlichen Veränderungen aufzugreifen und sie in der politischen Willensbildung zu verankern. Unsere Fähigkeit – gerade in meiner Verantwortung -, sich an gesellschaftspolitische Veränderungsprozesse optimal anzupassen, hat uns unangefochten zur stärksten Partei in Deutschland gemacht. Ich möchte - und das sage ich ganz bewusst - diesen Weg mit meinen Parteifreunden fortsetzen.

Raab: Apropos Parteifreunde. Wird es um Sie nicht langsam einsam, Frau Bundeskanzlerin. Ich nenne nur folgende Namen. Jung, Rüttgers, Röttgen, Merz, Koch, Ole von Beust, Mappus, Mac Allister und nicht zu vergessen Frau Schavan. Man könnte Sie kosmisch betrachtet mit einem Fixstern vergleichen. Je mehr Sterne um sie herum verglühen, umso stärker ist ihre eigene Leuchtkraft.

Merkel: Es ist nun mal eine physikalische Gesetzmäßigkeit, dass die Gravitation einen Planten, der um die Sonne kreist, in seiner Umlaufbahn hält. Werden allerdings die Fliehkräfte zu groß, kann es schon passieren, dass der Planet seine Umlaufbahn verlässt und in den Weiten der Galaxie verschwindet. Gesetzmäßigkeiten lassen sich auch in der Politik nicht einfach aushebeln, das sage ich nicht nur als gelernte Physikerin, sondern auch als Politikerin.

Raab: Herr Steinbrück, wie will sich die SPD noch von der CDU abgrenzen. Selbst beim Mindestlohn bewegt sich die CDU in Richtung der SPD und hat sogar mit der FDP einen Kompromiss gefunden. Die CDU überholt die SPD mal rechts oder mal links, je nachdem, was gerade opportun ist. Wenn der SPD auch noch das Thema soziale Gerechtigkeit abhanden kommt, geht es dem Wähler wie mit der Fertiglasagne. Nicht überall wo Rind drauf steht, ist auch wirklich Rind drin.

Steinbrück: Bei dem Thema Mindestlohn fordern wir einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn über alle Branchen und Regionen hinweg. Die Lohnuntergrenze ist etwas völlig anderes. Das Thema soziale Gerechtigkeit ist unverrückbar mit der SPD verbunden. Die Leute wählen doch nicht die Kopie, wenn sie das Original bekommen können.

Raab: Ich will ihrem Gedächtnis etwas nachhelfen, Herr Steinbrück. Vor Schwarz/Gelb regierte Rot/Grün und dann Schwarz/Rot. In der Schröder-Regierung wurden die Hartz IV-Gesetze eingeführt. Seitdem ist die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander gegangen. Die SPD hat in der Regierung Schröder den schlimmsten Sozialabbau seit der Wiedervereinigung gesetzlich normiert.

Steinbrück: Vieles, aber eben nicht alles von der Agenda 2010 war richtig. Zusammen mit Sigmar Gabriel haben wir den Rotstift an die Agenda 2010 angesetzt, aber eben nur dort, wo es erforderlich ist. Jetzt sind wir wieder auf Kurs, wie der Hanseat zu sagen pflegt.

Raab: Frau Merkel, rund um Deutschland brennt es. Hohe Arbeitslosigkeit, vor allem bei der Jugend, steigende Schulden und mangelnde Wettbewerbsfähigkeit. Da ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Krise auch Deutschland erreicht. Setzen sie mit ihrer rigiden Sparpolitik nicht die falschen Zeichen in Europa?

Merkel: Nein, gerade das Umgekehrte ist der Fall. Wir sind der Leichtturm in Europa. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Die europäische Union ist kein Selbstbedienungsladen für die Staaten, die sich in punkto Schuldenabbau nicht an die Spielregeln halten und die in Sachen Wettbewerbsfähigkeit erheblichen Nachholbedarf haben.

Steinbrück: mischt sich ein und erwidert direkt. Deutschland ist Exportweltmeister, auch was die Exporte in die EU betrifft. Unser Export ist der Import der anderen Länder. Wer auf die Dauer will, dass die in Deutschland hergestellten Waren auch im Ausland gekauft werden können, muss dafür sorgen, dass sie dort auch bezahlt werden können. Mit dieser Austeritätspolitik schaden wir uns in letzter Konsequenz selbst. Die Schere zwischen Arm und Reich geht nicht nur in Deutschland auseinander, sondern auch zwischen den reichen und armen europäischen Staaten.

Raab: Ja, das ist doch mal ein griffiges Statement von Ihnen, Herr Steinbrück und das in einem Themenfeld, wo es niemand so richtig vermutet hätte.

Merkel: Nun mal langsam, Herr Raab und dann an Herrn Steinbrück gerichtet. Das ist genau ihr Problem, Herr Steinbrück. Ich vergleiche Deutschland immer mit unseren Rennrodlern, die in allen Disziplinen unangefochten die Nr. 1. sind. Sollen jetzt die Rennrodler ihre Trainingsbemühungen einfach einstellen oder ihre Schlitten schlechter bauen, nur damit die anderen Nationen auch mal gewinnen? Diese Vorstellung ist doch geradezu abstrus, meine Herren.

Raab: Die Zeit ist leider zu Ende. Ich bedanke mich für ihr Kommen.

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