Uli Hoeneß – das vom Sockel gestürzte Idol

Gesellschaftskritik Deutschland hat ein neues Thema. Uli Hoeneß. Die versammelten Medien stürzen sich auf ihn – und sie werden keine Ruhe geben, bis sie ihn zu Fall gebracht haben

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Photo: dpa

Wie heißt es so zutreffend, je höher der Aufstieg, desto tiefer der Fall. Uli Hoeneß ist ein typischer Self-Made-Man. Von ganz unten hat er sich nach ganz oben gearbeitet, zielstrebig, immer seine Meinung vertretend, auch wenn sie dem einen oder anderen nicht passte, geradezu besessen von seiner Arbeit. Wer nicht für ihn ist, ist gegen ihn. Geradlinig war er und er führte des FC Bayern München dorthin, wo er heute steht. Gesunde Finanzen, Rekordmeister, unzählige internationale Wettbewerbe und kurz davor das Triple Champions League, Meisterschaft und DFB Pokal zu gewinnen. Ein derartiger Erfolg schafft viele Neider, auch in seiner unmittelbaren Umgebung. Klar ist aber auch, dass ein solcher Erfolg nicht durch eine Person bewerkstelligt werden kann.

Aber es gab auch den fürsorglichen und einfühlsamen Menschen Uli Hoeneß, der sich um „gestrandete“ Spieler kümmerte, unzählige soziale Projekte anstieß bzw. mit finanzierte. Darüber redete er in der Öffentlichkeit nur selten.

Und dann war da noch der Geschäftsmann Uli Hoeneß, der eine Wurstfabrik gründete, weil die Leute immer essen und trinken müssen. Die richtige Nase für den geschäftlichen Erfolg war Uli Hoeneß in die Wiege gelegt, kam er doch aus dem handwerklich schwäbisch geprägten Bürgertum mit solider Ausbildung und dem Sinn für das Bodenständige.

Eine insgesamt vielschichtige Persönlichkeit, ein Erfolgsmensch durch und durch, geprägt von der Überzeugung, dass harte Arbeit, Fleiß, Härte gegen sich selbst und andere und Durchsetzungsvermögen zum Erfolg führt. Und die Realität gab ihm Recht. Er, der 11,0-Sprinter mit dem unwiderstehlichen Tordrang wurde von Udo Lattek zum FC Bayern München geholt, so wie auch Paul Breitner. Dass er im EM-Finale gegen die Tschechoslowakei 1976 den entscheidenden Elfmeter verschoss, wirkte lange Zeit in ihm nach.

Als seine Karriere als Spieler abrupt endete, schien es folgerichtig, dass er zum Manager des FC Bayern München berufen wurde. Der damals unerfahrene Hoeneß formte den FC Bayern zu einem sportlich erfolgreichen und wirtschaftlich absolut gesunden Verein. Nichts überließ er dem Zufall.

Wer von dem Erfolg so verwöhnt wird, verliert mit der Zeit den Bezug zur Realität. Eine derartige Machtfülle tut keinem gut. Das Bodenständige, was ihn einst auszeichnete, ging allmählich verloren. Es ist ein schleichender Prozess, der sich für die betroffene Person unmerklich vollzieht. Die Umgebung schweigt, teils aus Rücksicht, teils aus Vorsicht, will man sich doch nicht den Zorn des „Übervaters“ zuziehen. So entsteht mit der Zeit eine Art Selbstgerechtigkeit, gepaart mit dem Duktus der Unbesiegbarkeit. „Mir kann keiner“. "Ich bestimme, wie viel Steuern ich zahle und auch wo“, “ihr könnt doch froh sein, dass ihr so einen habt wie mich“.

Nur so lässt es sich erklären, wie Hoeneß zu einem Steuerhinterzieher werden konnte. „Hochmut kommt vor dem Fall“ heißt es im Volksmund.

Ganz egal, wie das Steuerverfahren gegen Uli Hoeneß ausgehen wird, sein Absturz wird tief sein. Warum ist das so? Für die einen ist er per se schon ein Feindbild, weil sie ihm den Erfolg neiden. Und Neider gibt es dieser Gesellschaft wahrhaft genug. Für die anderen war er ein Vorbild und Vorbilder stößt man von Sockel, wenn sie versagen. Und das hat er in den Augen seiner einstigen Bewunderer schon jetzt.

Zurück bleibt eine tragische Figur, die ihr Lebenswerk in Frage gestellt sieht. Dabei sollte doch gelten, dass ein jeder Mensch eine zweite Chance verdient hat.

Wir leben in einer Gesellschaft, in der Erfolg, vor allem der finanzielle, alles ist. Gleichzeitig verzeiht diese Gesellschaft keinen Fehler. Es ist ein Voyeurismus der perfiden Art, immer Ausschau haltend nach dem nächsten Opfer, um von der Tristesse des eigenen Daseins abzulenken.

Die Medien bedienen diesen Voyeurismus in nahezu perfekter Art und Weise. Im Kolosseum in Rom gab es die Einpeitscher, die das Volk mit Geschichten bei Laune hielten. Genauso verhält es sich auch jetzt. Die Medien sind die Handlanger einer voyeuristischen Gesellschaft und wenn das Opfer tot in der Arena liegt, tut es ihnen leid. „So weit hätte es aber nicht kommen müssen“.

Aufmacherfoto: Christof Stache/ AFP/ Getty Images

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