Der Snowden-Effekt

Abhörskandal Nun wirft das CSIS seinen Hut in den Ring: Der Guttenberg-thinktank betont, die USA habe keine Fehler begangen. Lediglich die Rhetorik der US-Politik müsse sich wandeln

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Die Rolle des zentralen Hüters von Recht und Ordnung verteidigen die USA auch während der Überwachungsaffäre
Die Rolle des zentralen Hüters von Recht und Ordnung verteidigen die USA auch während der Überwachungsaffäre

Foto: SAUL LOEB/ AFP/ Getty Images

Wenn Politiker in Glaubwürdigkeitskrisen stecken oder in öffentlichkeitswirksame Skandale verwickelt sind, erweist sich Abwarten als denkbar schlechtestes Mittel. Noch fahrlässiger ist nur das Leugnen oder die Betonung der eigenen Unschuld entgegen der Faktenlage.

Auch die US-Politik versuchte nach dem Bekanntwerden der NSA-Enthüllungen durch Edward Snowden zunächst Zeit ins Land streichen zu lassen um die europäischen Gemüter zu beruhigen. Doch die Informationsflut schien nicht abzureißen, immer neue Enthüllungen brachten insbesondere Deutschland gegen den verbündeten Freund auf. Schließlich stürzte sich NSA-Chef Keith Alexander in die offensive Selbstverteidiung und wurde vor dem US-Kongress nicht müde zu betonen, dass auch die Europäer Spionage betreiben.

Nun stößt das Center for Strategic and International Studies (CSIS), dem auch Karl-Theodor zu Guttenberg angehört, in einer jüngst veröffentlichten Prognose für die Außen- und Sicherheitspolitik der USA eine Debatte über die globale Wahrnehmung der US-amerikanischen Dominanz in den internationalen Beziehungen an, die mitunter brisante Einschätzungen der US-Spionage offenbart.

Die Studie des CSIS, einem renommierten thinktank dem offizielle Vertreter des Verteidiungsministeriums und ehemalige Regierungsmitglieder angehören, stellt Edward Snowden und Chelsea Manning als naive und leicht zu täuschende Verräter dar, die nur ihre Abneigung gegenüber der USA zum Ausdruck bringen wollen und dabei die wirklich großen globalen Gefahren aus den Augen verlieren.

Es mutet etwas selbstkritisch an, dass die Autoren zunächst eingestehen, die globale Kritik an der US-Dominanz sei mitunter der Politik der zurückliegenden Jahre, dem war on terror aber auch innenpolitischen Problemen wie der jüngsten Hauhaltsblockade verschuldet, doch dürfe die Antwort der USA weder ein sicherheitspolitischer Rückzug noch eine Aufgabe der Vormachtstellung sein: "Only the US has the means or the ideas to pursue a world ruled by law rather than force".

Zudem dürfe die Dominanz der USA nicht länger auf dem amerikanischen Exzeptionalismus oder der im Laufe der Jahrhunderte erwachsenen Hegemonie begründet werden, sondern müsse durch eine stärkere Betonung zentraler Identifikationswerte der USA wiederbelebt werden: Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenrechte.

Jene Demokratie also, die einen Informanten zum Staatsfeind werden lässt, weil er Lauschangriffe zwischen befreundeten Demokratien aufdeckt. Und jene Rechtstaatlichkeit, die daraus besteht, amerikanisches Rechts- und Unrechtsempfinden über andere nationale Rechtskreise zu erheben. Und schließlich jene Menschenrechte, die Chelsea Manning zu verteidigen suchte, indem sie ein Video über spielerische Tötungen irakischer Zivilisten durch US-Soldaten veröffentlichte und mit ihrer Freiheit bezahlen musste.

Der Bericht macht deutlich, dass nicht die Abhörmaßnahmen als Rechtsbrüche das Antlitz der USA beschmutzt haben und als politische Fehler einzustufen seien. Vielmehr sei das Problem bei einzelnen Personen zu suchen, die mangelnde Konformität mit dem amerikanischen Selbstverständnis beweisen, Recht und Demokratie mitunter weit auszulegen, wenn es dem Kampf gegen globale Bedrohungen der amerikanischen Nation und der Ausweitung des eigenen Einflusses dienlich ist.

Die gegenwärtige Kritik an der US-Spionage, von den Autoren euphemistisch als "The Snowden Effect" bezeichnet, werde zwangsläufig abflauen, so der Autor James A. Lewis. Doch dürfe die zukünftige Wahrnehmung der USA durch ihre Partner darunter nicht leiden. Eine Welt, in der Amerika weniger Handlungsbefugnis habe, sei weder erfreulich noch sicher, so Lewis weiter.

Während also europäische Regierungen, Deutschland in vorderster Front, Erklärungen über die Motive der USA für ihre Lauschangriffe erwartet, sorgt man sich in Beraterkreisen in erster Linie um die zukünftige Vormachtstellung. Kein Anzeichen von eingestandenen Fehlern oder einem Überdenken der Mittel und Instrumente zur präventiven Selbstverteidigung. Schafft es die US-Politik auch unbeschadet aus dieser Legitimitätskrise, schafft es Amerika auch in normativer Hinsicht den eigenen Einfluss auszuweiten. Die USA diktiert das globales Demokratieverständnis der Zukunft.

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Geschrieben von

Jonas Weyrosta

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