Berliner Philharmoniker

Einzigartig Konzert

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Konzert am 25.1.2020 Berliner Philharmoniker unter Kirill Petrenko mit Gustav Mahlers Symphonie No. 6

Ebenso wie eine Woche zuvor mit Suks Asrael Symphonie hat Petrenko sich für eine seiner ersten zehn Abende als Chef mit den Berliner Philharmonikern ein Stück vorgenommen, das er schon während seiner Zeit als Chef an der Komischen Oper zu einer bemerkenswerten Aufführung führte: Gustav Mahlers sechste Symphonie. Mir ist der Abend an der Komischen Oper noch gut in Erinnerung als ein bis in die Proszeniumslogen besetztes Orchester hier seine bisherigen Möglichkeiten überschritt. Damals gelang nicht alles so perfekt, unvergessen ist der Moment als beim ersten „Hammerschlag“ der Musiker den Hammer verlor und dieser wegschlug. Unfreiwillige Komik für das Publikum, für den Musiker sicherlich nicht.

Derlei war bei der Präzision der Berliner Philharmoniker nicht zu befürchten. Bemerkenswert war die Einheit von Orchester und Dirigent. Selten hat man mimisch so begeisterte Musiker gesehen, die ihre Freude über das Dirigat und ihrem kollegialen Miteinander Ausdruck verliehen.

Petrenko ging die Symphonie überaus kraftvoll an. Wenig war von der Brüchigkeit zu verspüren, die das Werk auch haben kann, wenn man an Interpretationen von Claudio Abbado denkt. So hätte man sich trotz makellosem Spiel aller Instrumentengruppen, voran den Hörnern, mehr Sentiment und Innehalten gewünscht.

Eine Interpretation, die eher an Leonard Bernstein angelehnt war, als an Abbado, einen aber in jedem Fall mit dem Gefühl entließ, einem großen Abend beigewohnt zu haben.

Rheingold 22.06.2021

Deutsche Oper BerlinStefan Herheim

Die Latte ist für Stefan Herheim nach der wegmarkensetzenden Inszenierung von Götz Friedrichs Ring des Nibelungen mehr als hoch. Gleichwohl war die Ankündigung der Deutschen Oper Berlin, das der norwegische Regisseur Stefan Herheim die Inszenierung zu verantworten habe, fast ausnahmslos in der Presse positiv und als Coup des Hauses bewertet worden. War doch Herheim bisher stets als unglaublich fantasievoller Regisseur in Erscheinung getreten. Schier unendlich schien dem Zuseher die Fantasie und Assoziationsgabe Herheims in seinem Parsifal in Bayreuth vor Jahren. So lag es doch auch neben diesem Gesichtspunkt mehr als nahe, dass ein ehemaliger Student Götz Friedrichs und Preisträger des Götz-Friedrich-Preises mit dieser Mammutaufgabe betraut werden sollte.

Umso größer dann die Enttäuschung, dass sich auch nach der pandemiebedingten vorgezogenen Premiere der Walküre kein wirklicher Gedankenfunke in der Inszenierung findet. Zentral bleiben auch hier der Konzertflügel in der Mitte der Bühne, den die Solisten abwechselnd teilweise simulieren und bespielen als auch der Wald einen abgegriffenen Flüchtlingskoffern aus der Epoche des Zweiten Weltkriegs. Die Metapher eines Konzertflügels ist für die Genialität und Schaffenskraft eines Komponisten wie Richard Wagners jedoch genauso abgegriffen, wie das Verlegen der Opernhandlung in die Zeit des Dritten Reichs. Zu weit scheint einem als Zuschauer jedoch die Assoziation von Flüchtlingen zur Handlung des Ring des Nibelungen, da helfen auch nicht die täglich verstörenden Fotos schutzsuchender Migranten im Mittelmeerraum. So bleibt auch an diesem zweiten Abend offen, wie diese Idee 16 Stunden tragen will und die Stütze der Inszenierung bilden will.

Umso mehr zieht man den Hut vor der genialen Idee des Zeitentunnels von Götz Friedrich. Dies war sicherlich die übertriebene Hoffnung aller in einer Neuinszenierung eine solche Qualität wiederfinden zu können. Bei der doch mittlerweile unermesslichen Vielzahl an Inszenierung des Ring des Nibelungen auch einen kleineren und mittleren Häusern wird es freilich immer schwerer das Rad neu zu erfinden.

Gesanglich wird jedoch ein gutes Niveau geboten. Besonders erstaunlich ist, dass das langjährige Ensemblemitglied Marcus Brück stimmgewaltig den zentralen Alberich mehr als überzeugend zu mimen weiß. Ebenso überzeugen Derek Welton als Wotan und Thomas Blondelle als Loge sehr.

Musikalisch gelingt der Abend durch ein feinsinnigeres Dirigat von Generalsmusikdirektor Runnicles und einem hervorragend aufgelegten Orchester der Deutschen Oper. Selten erlebt man, dass ein Ensemble so viel Erfahrung mit dem Werk Richard Wagners hat.

Walküre 8. Oktober 2020 Deutsche Oper Berlin

Auch mit einem tiefgreifenden, umfassenden Verständnis des Ring des Nibelungen ist die neue Produktion einer Deutschen Oper nicht verständlich und nicht überzeugend. Der intellektuelle Ansatz der Inszenierung auf den ersten Blick überschaubar: es ist ein Theater auf dem Theater - mit einer Anzahl von Flüchtlingen, die auf der Bühne spielen und mit abgewetzten Koffern rasten.

Bei wiederholten Studieren der Inszenierung wird dem Zuschauer klar, dass die Statisterie die Situation von Siegmund Sieglinde und Wotan nachspielt, in dem sie Partitur studieren und somit einen ganz neues Bild des Wotan schaffen. Dabei erinnert diese Form des Improvisationstheaters an die Inszenierung von Andreas Kriegenburg des Ring des Nibelungen in München. Aber auch die Erkenntnis, dass der Regisseur der jeweiligen Szene gerade derjenige ist, der am Klavier sitzt und in die Partitur schaut, führt nicht dazu, dass der Zuschauer über die Stunden gebannt dem Geschehe auf der Bühne folgt. Es ist natürlich für den durchschnittlichen Zuschauer, der lediglich einmal die Inszenierung sieht, fast unmöglich zu erkennen, dass ein Regiekonzept darin liegt, die Person, die am Klavier sitzt eine führende Rolle zu erkennen zu wollen und damit im Umkehrschluss allen anderen die Führung des Geschehens zu versagen. Aus dem Text erschließt sich zwar schnell, dass auch Wotan selbst als Gottvater der unfreieste aller ist.

Hehrheim hat grundsätzlich die Neigung in seinen Inszenierung, eine gewisse Überzeichnung vorzunehmen. Dies setzt er hier fort, indem sowohl Wotan wie Brunhilde klischeehaft überzeichnet werden. Nina Stemme ist sicherlich am Ende ihrer Karriere als Brunhilde angekommen, demgegenüber steht Lise Davidsen als Sieglinde am Anfang ihrer Karriere als hochdramatische Sopranistin. Es ist schon eine bemerkenswerte Koinzidenz, dass hier zwei Ausnahmetalente aus Skandinavien auf der Bühne stehen und damit Assoziationen an Birgit Nilson schon wach werden lassen. Auf die übrigen Sänger waren dem Ereignis gewachsen und stellten eine mehr als angemessene Besetzung für diesen Premierenzyklus dar.

Im Orchester war lediglich teilweise das Blech etwas wackelig, im Übrigen stach aber sowohl das Derivat für das Orchesterspiel durch eine große Präzision.

Siegfried 12.11.2021 an der Deutschen Oper Berlin

Nach der Premiere von Rheingold und Walküre ist das Publikum jedenfalls szenisch ob der Herheim-Inszenierung mehr als ernüchtert. Im Hinblick auf die Corona-Pandemie ist es jedoch logistisch und organisatorisch eine Meisterleistung der Deutschen Oper eine fast sechsstündige Wagneroper voll szenisch und bei voller Publikumsbesetzung präsentieren zu können und zu wollen.

So sind mehrere Busse lokaler Wagnerverbände scheinbar aus ganz Europa angereist. Herheims Idee den Rahmen des Rings des Nibelungen in einer Flüchtlingssituation im Zweiten Weltkrieg in einer Vielzahl von Koffern spielen zu lassen und diese noch als Spieler im Spiel mit wandelnden Partituren am Klavierflügel darzustellen, wird zwar im dritten Teil der Tetralogie fortgesetzt, jedoch gleichzeitig durchbrochen, denn hier findet nun auch der zwangsläufige Drachen jenseits von Koffern Einzug. Die so gefundenen Bilder geben aber wieder wenig Ausschlag für weitere Assoziationen und Interpretation. So bleibt auch dieser Abend szenisch eher langweilig. Daran ändern nichts die Protagonisten und die Statisterie, die in emotional besonders aufblühenden Momenten des Abends die Hosen runterlassen müssen und in altmodischer weißer Feinrippunterwäsche agieren. Für den Zuschauer ist es weder schön anzuschauen noch bringt es ihm gedanklich weiter.

Ya Chung Huan ist ein überragend bemerkenswerter Mime. Absolut textverständlich und mit viel Witz und großer Sprachfreude als Wagner en minature gestaltet er seine Partie. Das großartige Sängerensemble wird fortgesetzt von einem Wotan mit Iain Patterson. Seine wunderbare sonore Stimme lässt einen oft an Aufnahmen mit Hans Hotter denken. Nina Stemme war zum Zeitpunkt der Planung für den Ring sicherlich die international vielversprechendste Besetzung. Insbesondere in der Höhe merkt der Zuhörer jedoch, dass sie im Alter schon fortgeschritten ist und die bisherigen Partien an ihr gezerrt haben.

Großartig jedoch wie das Orchester der Deutschen Oper Berlin zusammen mit Donald Runnicles den Abend musikalisch gestaltet. Dabei achtet er stets darauf, dass die Sänger nie zugedeckt werden und gibt ihm viel Raum zum Singen. Freilich gerät der Abend nicht zu einer solchen Orchestersternstunde, dass der Zuhörer hier in der Partitur gänzlich neue Stellen entdeckte.

Scharoun Ensemble 5.10.

Schreker - Wellesz - BeethovenSeltene Kammermusik

Welche Lücke haben die Nationalsozialisten mit ihrer Politik auch im musikalischen Leben geschlagen. So ist eine ganze Generation genialer Komponisten mit ihrem Schaffenshöhepunkt zwischen 1920 und 1940 in große Vergessenheit geraten. Zwar gibt es immer wieder einzelne beachtenswerte und lobenswerte Versuche von Häusern dieser Lücke wieder aufzufüllen. Jedoch bewirken diese Versuche keine dauerhafte Etablierung dieser Komponisten im allgemeinen Konzertbetrieb und Bewusstsein. Gerade für den Verfasser dieser Zeilen ist dies ein mehr als schmerzlicher Umstand, weil Komponisten wie Franz Schreker ihm mehr als ans Herz gewachsen sind.

Umso schöner, dass während Pandemie sich eine Institution wie die Berliner Philharmoniker dem Auftrag der Wiederentdeckung gewidmet hat. Schon in der Ankündigung hat der interessierte Zuhörer die Reihe von Kammermusikkonzerten begeistert aufgesogen und freute sich zur Eröffnung der Saison auf das mehr als anspruchsvolle Programm. Franz Schrekers an diesem Abend dargebotene Kammermusik“ Der Wind“ war das letzte Mal in Berlin live im Rahmen der Premiere des „Fernen Klang“ an der Staatsoper Berlin vor über 20 Jahren zu hören. Wunderbar impressionistisch gestaltet Schreker dabei die Assoziation eines Windes. Das Rauschen und Flirren wird vom Scharoun Ensemble einzigartig aufgefangen. Im Verhältnis zum Schreker ist Egon Wellesz selbst in seiner österreichischen Heimat noch deutlich seltener gespielt. Auch dies gänzlich zu Unrecht. Sein langes und anspruchsvoll instrumentiertes Oktett führt hier dazu, dass ein bemerkenswerter kammermusikalischer Austausch stattfindet. So ist es große Freude dem Dialog der Musiker untereinander zu lauschen.

Um jedoch auch kaufmännisch bei der Programmgestaltung auf der sicheren Seite zu sein, hat das Scharoun Ensemble den Programmpunkt Beethoven aufgenommen. So wird in seinem Septett der Bogen nach Wien gespannt, on dem sowohl Schreker als auch Egon Wellesz wohnten. Es wäre eine sehr schöne Zukunft, eine Vielzahl solcher Kammermusikabende erleben zu können.

Oedipe - George Enescu

Komische Oper BerlinEine rumänische Entdeckung

Der russische Regisseur Jewgeni Titov ist hierzulande unbekannt und wurde von der komischen Oper beauftragt die in den letzten zwei Jahrzehnten international vernachlässigte Oper von George Enescu zu inszenieren. Dem Berliner Publikum war vor 21 Jahren durch die Inszenierung von Götz Friedrich an der Deutschen Oper Berlin das Werk durchaus bekannt. Der Pferdefuß der Inszenierung dort war jedoch, dass Intendant und Regisseur Götz Friedrich seine stimmlich dafür wie auch für andere Rollen gänzlich ungeeignete Gattin Karen Armstrong stets besetzte und damit insbesondere bei der Fraktion der überaus zahlreichen Gegner Armstrongs in der Stadt keinen Anreiz für eine Auseinandersetzung mit dieser Oper setzte.

Zwar dürfte Abstimmung bei den Berliner Häusern nicht zu erwarten sein, doch haben sich sowohl die Deutsche Oper mit Marc Anthony Turnages Greek wie auch das Deutsche Theater und die Schaubühne mit dem Ödipus- Mythos auseinandergesetzt.

Das Bühnenbild ist in einem kühlen rechteckig silberfarben Farben wirkenden Einheitsraum gestaltet. Diese Wände umschließen ein zentrales Becken, welches mit unterschiedlichen Flüssigkeiten gefüllt wird. Zur Erinnerung stammt der Name Ödipus, zu Deutsch geschwollener Fuß von seinen Zieheltern, da er Fußverletzungen erlitt, weil er nach dem Orakel seinen Vater töten sollte und seine Mutter heiraten würde. Dies wird in der Inszenierung zu Beginn dargestellt mit dem erwachsenen und außenstehenden Ödipus. Was für ein Vergleich hier die in jeder Pose intonationssichere Karoline Gummers als Iocaste im Gegensatz zur scheiternden Armstrong vor zwanzig Jahren.

Sowohl die Gesangslesitung als auch die darstellerische Leistung von Leigh Melsrose überzeugen hier sehr. Durchaus diskussionswürdig ist vom Produktionsteam die französische Fassung der Oper gewählt worden. Wäre es noch vor Jahren eine Selbststverständiglichkeit im Sinne von Walter Felsenstein gewesen auf deutsch zu singen, so entschiedenen sie sich hier wohl aus Gründen der Internationalität für die französische Sprache. Enescu selbst war t Verständlichkeit jedoch dringender, was ein Grund für das deutsche gewesen wäre, gleichwohl aber auch die Klangsprache verändert.

Die der Pandemie geschuldete Lösung den Chor im zweiten Rang singen zu lassen, hat eine starke Raumakustik. Und der Größe des Hauses ist es auch geschuldet, dass 2 Hafen zur linken Seite des Orchestergrabens über den Holzlbläsern im ersten Rang sitzen und damit die Raumakustik noch verstärken. Erstaunlich mit welcher Meisterschaft Generalsmusikdirektor Rubikis durch den Abend führt und die singuläre Klangsprache Enescus ausführt.

Franz Kafka Josefine

Deutsches TheaterKafkas letzte Novelle

Das letzte Erzählung Kafkas vor seinem pandemiebedingten Tod ist „Josefine“, selbst ausgesuchten Kafka-Fans her unbekannt. Im Mittelpunkt steht eine Maus, Josefine, eine Sängerin von zweifelhafter Begabung pfeift mehr als dass sie singt. Mit sehr assoziativen und eindringlich freien Spiel gelingt es hier Caner Sunar als Erzähler und Protagonist die Novelle für den Zuschauer erlebbar zu machen. Dabei besuchte er Josefine Konzerte wegen des ruhigen Beisammenseins. Der Gesang wird geschätzt als Kunstform aber auch als Unterbrechung des harten Alltags. Die Parole dieses Mäuselebens gerät großartig. Zum Todlachen ist die Darstellung von Josefines Ende, wenn Maus und Sängerin Forderungen stellen und Appelle an das Publikum fruchtlos bleiben und das Ende auch dieses kurzen kurzweilige Abends unwiederbringlich naht.

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