Walküre 8. Oktober 2020 Deutsche Oper Berlin

Stefan Herheim Kein Götz-Friedrich

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Auch mit einem tiefgreifenden, umfassenden Verständnis des Ring des Nibelungen ist die neue Produktion einer Deutschen Oper nicht verständlich und nicht überzeugend. Der intellektuelle Ansatz der Inszenierung auf den ersten Blick überschaubar: es ist ein Theater auf dem Theater - mit einer Anzahl von Flüchtlingen, die auf der Bühne spielen und mit abgewetzten Koffern rasten.

Bei wiederholten Studieren der Inszenierung wird dem Zuschauer klar, dass die Statisterie die Situation von Siegmund Sieglinde und Wotan nachspielt, in dem sie Partitur studieren und somit einen ganz neues Bild des Wotan schaffen. Dabei erinnert diese Form des Improvisationstheaters an die Inszenierung von Andreas Kriegenburg des Ring des Nibelungen in München. Aber auch die Erkenntnis, dass der Regisseur der jeweiligen Szene gerade derjenige ist, der am Klavier sitzt und in die Partitur schaut, führt nicht dazu, dass der Zuschauer über die Stunden gebannt dem Geschehe auf der Bühne folgt. Es ist natürlich für den durchschnittlichen Zuschauer, der lediglich einmal die Inszenierung sieht, fast unmöglich zu erkennen, dass ein Regiekonzept darin liegt, die Person, die am Klavier sitzt eine führende Rolle zu erkennen zu wollen und damit im Umkehrschluss allen anderen die Führung des Geschehens zu versagen. Aus dem Text erschließt sich zwar schnell, dass auch Wotan selbst als Gottvater der unfreieste aller ist.

Hehrheim hat grundsätzlich die Neigung in seinen Inszenierung, eine gewisse Überzeichnung vorzunehmen. Dies setzt er hier fort, indem sowohl Wotan wie Brunhilde klischeehaft überzeichnet werden. Nina Stemme ist sicherlich am Ende ihrer Karriere als Brunhilde angekommen, demgegenüber steht Lise Davidsen als Sieglinde am Anfang ihrer Karriere als hochdramatische Sopranistin. Es ist schon eine bemerkenswerte Koinzidenz, dass hier zwei Ausnahmetalente aus Skandinavien auf der Bühne stehen und damit Assoziationen an Birgit Nilson schon wach werden lassen. Auf die übrigen Sänger waren dem Ereignis gewachsen und stellten eine mehr als angemessene Besetzung für diesen Premierenzyklus dar.

Im Orchester war lediglich teilweise das Blech etwas wackelig, im Übrigen stach aber sowohl das Derivat für das Orchesterspiel durch eine große Präzision.

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