Calle und der Pakt mit dem Teufel (fünfter Teil)

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Der NS-Staat ist bekanntlich polykratisch organisiert, das heißt, unter dem Führerwolf haben sich die Gefolgschaftswölfe zu balgen und zu beißen, um den "Stärksten" zu selegieren. Heidegger zum Beispiel, der sich an Aktivismus zunächst kaum überbieten lässt und als DER Philosoph des Nationalsozialismus gilt, gerät in Konkurrenz zu Rosenberg und anderen, was ihn angesichts der für ihn banalen Querelen 1934 auf sein Rektorat verzichten lässt. Schmitt geht es ähnlich. Auf dem Feld des offenen Antisemitismus gerät er ins Territorium der "jungen Wölfe" der "Kriegsjugendgeneration", deren "generationeller Stil" nach Herbert der Habitus des kalten antihumanistischen Frontkämpfers ist. Ihre Protagonisten sind Eckhardt, Best und Höhne. Sie werfen Schmitt vor, ein politischer Opportunist zu sein.

Schmitt reagiert mit "Erlösungsantisemitismus" (Friedländer). Er organisiert Anfang Oktober 1936 im großen Stil eine Tagung der Reichsgruppe Hochschullehrer zum an Wagner erinnernden Thema: "Das Judentum in der Rechtswissenschaft". Schmitt hält die Rahmenvorträge. Die jüdische Infektion gehe von Marx und Heine aus und habe alle gesellschaftlichen Bereiche erfasst. Rechtspraktisch fordert er eine Bibliographie jüdischer Autoren und die namentliche Kennzeichung jüdischer Autoren als "Jude". Wieder gibt er sich (ist er) ein ganz gewöhnlicher übereifriger Naziideologe.

Die Überanpassung nützt ihm nicht. Die innerparteilichen Gegner schlagen ihn mit den eigenen Waffen der Denunziation. Im "Schwarzen Korps" erscheint eine Sammlung verfänglicher Zitate mit dem Tenor: "Herr, rette mich vor meinen Freunden!" Schmitt verliert - kurzfristig - die Prüfungsberechtigung und - langfristig - die Funktionsämter in der Parteihierarchie, was sich für ihn später als Glücksfall herausstellen soll. Ingo Müller spricht in diesem Kontext von "milder Ungnade". Seine Professor behält er. Er wendet sich nun - es ist an der Zeit - verstärkt dem Völkerrecht zu.

1939 betritt er weider stärker öffentliches Terrain. Er wird zum rechtspolitischen Compagnon de route der Expansion Hitlerdeutschlands. Kurz nach dem Einmarsch in die "Rest-Tschechei" im März 1939 hält Schmitt einen in der Inlands- und Auslandspresse weit verbreiteten Vortrag über "Völkerrechtliche Großraumordnung mit Interventionsverbot für raumfremde Mächte". Der Universalismus ist für ihn- wie bekannt - eine Fiktion, es kommt auf die Berücksichtigung der wirklichen Machtverhältnise an. Die Erde sei in Regionen aufzuteilen, von denen jede hegemonial zu beherrschen sei. Staaten können nicht gleichberechtigt sein. Die neue "Großraumordnung" sei "volkhaft". Diese "deutsche Monroedoktrin" (Ribbentrop) wird zwar wieder von seinen üblichen Parteigegnern als nicht nationalsozialistisch genug kritisiert, passt aber genau in die Expansionsgeschichte.Sie hat, wie der Antikominternpakt zwischen Japan, Deutschland und Italien und dessen regionale Aufteilung der Welt zeigt, diplomatisch konkrete Auswirkungen (Mazower).

Im Krieg unternimmt Schmitt zahlreiche Vortragsreisen ins okkupierte Ausland sowie nach Franco-Spanien, Italien und Rumänien. Und er lebt weiterhin ausgesprochen gut. Einen Vortrag in Paris findet er zum Beispiel kulinarisch bestens unterbaut. Diese Äußerungen erinnern an die kulinarische Schnäppchenjagd seines Freundes Jünger im besetzten Frankreich (vergl. Strahlungen). Insgesamt kommt er wieder als Glückpilz durch die große Katastrophe, im Unterschied etwa zu seinem Freund und Mentor von Popitz, der als Mann des Zwanzigsten Juli hingerichtet wird. Gegen Ende wird er zum Volkssturm eingezogen - für eine Woche, ein befreundeter Arzt schreibt ihm ein Gutachten. Irgendwie ein Déjà-Vu. Selbst seine Wohnung mit der Bibliothek bleibt im zerstörten Berlin unversehrt.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von