Götz Aly schreibt Geschichte

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Leicht hat sie ja gewackelt, zu erschüttern aber ist sie nicht. Kaum werden erste "Erfolge" im Kampf gegen den Rechtsterrorismus verkündet (eine Festnahme in Düsseldorf), tönt und echot sie wieder durch die Lande - die Gleichsetzung von Rechts und Links. Und plötzlich wird hier ein Verbot der Linken ins Spiel gebracht, dort auf die Zunahme "linksextremistischer Gewalt" hingewiesen, und überhaupt: die Nationalsozialisten sind - das erkennt man schon am Namen - eigentlich links. So zwitschert Erika Steinbach, und so kommentiert Götz Aly in seiner heutigen FR-Kolumne.

Es war zu erwarten. Schon in seinem Buch "Hitlers Volksstaat" (2005) interpretiert Aly die NS-Herrschaft als nationalen Sozialismus, der eine konkrete Utopie für jedermann bedeutet habe. Wie schon vor sieben Jahren untermauert er seine sehr steile These mit dem Verweis auf einige Sozialgesetze der Nazis (die - dies sagt er natürlich nicht explizit - heute vor allem von Gewerkschaften und Der Linken verteidigt werden). Neu ist der Hinweis auf die Präsens Hitlers im Trauerzug für den ermordeten Linken und Juden Eisner (26.2.1919) und auf das (insgesamt eher seltene) Umschwenken von Proletariern in deutschnationale Organisationen zu Beginn der Weimarer Republik. Aly scheint nicht zu merken, dass dies eher banale Ereignisse sind, die zudem noch zu kontextualisieren wären (erstes Historikergebot). Stattdessen bemüht er in seinem Kommentar ein Testimonial, Friedrich Meineke ("einer unserer besten Historiker") , der 1946 (!) von der Verschmelzung der nationalen und sozialistischen Idee schrieb, die in Hitler ihren brünstigsten Verkünder gefunden habe. Ein repräsentatives (und rechtfertigendes) Argument der Konservativen nach dem Krieg. Aly sollte dies wissen.

Um nicht bei der sturen Gegenbehauptung zu bleiben , stelle ich kurz ein Treffen nicht unwichtiger Protagonisten nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler (die man übrigens in jüngster Zeit wieder verstärkt "Machtergreifung" nennt) dar.

Am 20. Februar 1933 trafen sich Schacht, Göring und Hitler mit 25 führenden Industriellen (darunter Krupp, der IG-Farben-Vorstand von Schnitzler und Vögler, dem Vorstandsvorsitzenden der Vereinigten Stahlwerke AG). Hitler monologisierte über die Notwendigkeit von Persönlichkeit und Autorität (so wie schon in der berühmten Industrieclub-Rede). Er wolle nach den Wahlen am 5. März die parlamentarische Demokratie beenden - und die Linke vernichten. Später nahm Göring den Faden wieder auf: der Führer habe gezeigt, dass das Unternehmertum großes Interesse an der Bekämpfung der Linken habe; deswegen solle es ein "Opfer",sprich einen finanziellen Beitrag leisten (die Parteikasse war ziemlich leer). Krupp entgegnete kurz: nur in einem starken und unabhängigen Staat könnten Wirtschaft und Industrie gedeihen.

Resultat des Gesprächs: Die IG-Farben spendete 400000 Mark, die Deutsche Bank 200000 Mark, und auch andere Großunternehmen ließen sich nicht lumpen, die "linke" NSDAP und ihren Führer zu unterstützen. Die "Adolf-Hitler-Spende" wurde zur Institution.

Der Wirtschaftshistoriker Tooze kommentiert: Krupp und Konsorten waren willige Partner bei der Vernichtung des politischen Pluralismus in Deutschland. Die linke Arbeiterbewegung wurde nun ebenso zerstört wie nach der 'Nacht der langen Messer' das autonome paramilitärische Potential der Rechten. Die Macht verlagerte sich entschieden nach oben. Der Historiker verweist auf das bekannte "Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit": Es deckte sich auch allzugut mit dem Konzept des autoritären Unternehmertums (Adam Tooze, Ökonomie der Zerstörung, München 2007).

Das ist nur ein Beispiel unter vielen. Alles ist nur zu bekannt, so dass man sich fast schämt es zu wiederholen. Auch der Fachhistoriker Aly weiß natürlich um die "willing partners" aus Industrie und Handel. Warum ignoriert es der Kolumnist Aly?

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