Deutschland schafft sich wirklich ab

Demografie und Klima Die größte Gefahr, die auf Deutschland um die Ecke lauert, ist paradoxerweise auch sein größter Beitrag zu dem Kampf gegen die Erderwärmung

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Während für den Kampf gegen den Klimawandel auf den Straßen massenhaft demonstriert wird, droht Deutschland eine andere unmittelbar bevorstehende Gefahr, die schon seit Jahrzenten schleichend vorankommt und selten den medialen Widerhall findet, den sie aufgrund ihrer Dringlichkeit verdient hat. Sie heißt Kinderlosigkeit.

1970 war das letzte Jahr, in dem Deutschland eine positive Geburtenziffer geschrieben hat, nämlich mehr als 2,00 Kinder pro Frau (2,19 in der DDR bzw. 2,01 in der BRD). Seitdem lag die Geburtenziffer in den beiden deutschen Staaten und ab 1990 bis zum heutigen Tag in der vereinigten Bundesrepublik unter dem sogenannten bestandserhaltenden Niveau, d.h. unter dem Wert von 2,01 Kinder pro Frau. Zwar stiegen in der DDR in den Jahren 1973-1979 die Zahlen moderat an. Diese aber überstiegen zu keinem Zeitpunkt den Wert von 1,9 (1979). Danach sanken sie in den neuen Bundesländern wieder bis zu einem Tiefpunkt von 0,77 (1994). Noch einen Meilenstein in dieser Krise bildet das Jahr 2005, in dem das erste Mal in der Geschichte Deutschlands der Altenquotient höher lag als der Jugendquotient.

Diese Daten sind erschreckend, unter anderem weil die DDR bekannterweise durch ein sehr breites System für Kinderbetreuung gekennzeichnet war, ebenso wie für ihre zu jener Zeit sehr egalitäre Einstellung Frauen gegenüber – vor allem in Bezug auf die Möglichkeit, Arbeits- und Familienleben harmonisch zu kombinieren. Der Gedanke also, dass die aus der niedrigen und negativen Geburtenziffer hervorgehende demografische Gefahr hauptsächlich durch die Erweiterung des Betreuungssystems gedämmt und bekämpft werden kann, ist mit größer Wahrscheinlichkeit illusorisch. Diese verheerende Entwicklung spüren wir schon längst in der Tasche – steigende Sozialbeiträge, Erhöhung des Renteneintrittsalters und immer höhere Belastungen für den Bundeshaushalt. Laut dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales deckt aktuell der Bundeshausalt „gut 30 Prozent der Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung“ – in Euro: 100 Milliarden jährlich.

Bemerkenswert allerdings ist die Tatsache, dass Deutschland durch seine demografische Selbstabschaffung auf eine besonders makabre Art und Weise dem Kampf gegen die Erderwärmung einen großen Beitrag leistet. Denn wo es weniger Menschen gibt, da gibt es auch weniger CO2-Ausstöße, weniger Konsum und weniger Umweltverschmutzung. Diese unbeabsichtigte „Leistung“ Deutschlands genießt bei den Umweltaktivistinnen und -aktivisten aber keine Anerkennung, was wiederum vermutlich damit zu tun hat, dass der Kinderreichtum als CO2-Treiber – eine demografische Entwicklung, die vor allem da zu registrieren ist, wo der Lebensstandard niedrig ist – in dem Umweltdiskurs streng tabuisiert wird. Dieses Tabu hat weitreichende Konsequenzen, denn die Weltpopulation steigt linear weiter: von ca. 3 Milliarden im Jahr 1960 auf ca. 7.7 Milliarden im Jahr 2020. Allein in Mittel-Afrika macht die junge Bevölkerungsschicht (jünger als 15) ca. 46% der Gesamtbevölkerung aus. Diese junge Generation hat ebenso wie jede andere Generation weltweit einen legitimen Anspruch auf Wohlstand, was unvermeidbar Hand in Hand mit steigendem Konsum geht.

Wer es also mit dem Schutz unserer Kugel ernst meint, der kommt um dieses Thema nicht einfach herum. Der globale Erwärmung darf nicht nur mit innovativer erneuerbarer Energie, sondern muss auch mit Pillen und Kondomen begegnet werden. Da sind wir, die Deutschen, Vorreiter.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Dr. E. Yardeni

Im Zweifel liberal

Dr. E. Yardeni

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