Der Koalitionsvertrag enttäuscht

Rohstoffpolitik Der Koalitionsvertrag bleibt beim Tiefseebergbau, der Handelspolitik und dem Recycling hinter den Erwartungen zurück.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Versorgungssicherheit vor fairer Handelspolitik

Im Zentrum der Rohstoffpolitik der neuen Koalition steht die Versorgungssicherheit der deutschen Industrie. Der freie Zugang zu Rohstoffen soll vor allem auf WTO-Ebene und mit bilateralen Handelsabkommen gesichert werden. Das Anliegen, Umwelt, Gesundheit und Arbeitnehmerrechte in allen Handelsverträgen zu verankern, findet sich sowohl im Wirtschafts- als auch im Entwicklungskapitel und ist grundsätzlich zu begrüßen. Grund zur Sorge gibt allerdings, dass das CETA-Abkommen im Wirtschaftskapitel als vorbildlich dargestellt wird, obwohl ein starkes Ungleichgewicht zwischen dem Schutz von ökonomischen Akteuren und in ihren Schutzrechten betroffenen Menschen oder der Umwelt darin bestehen bleibt. Dass diese Rohstoffpolitik, die beispielsweise durch die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs) durchgesetzt wird, entwicklungspolitische Bestrebungen wie die Schaffung von Arbeitsplätzen und die strukturelle Transformation afrikanischer Wirtschaften behindert, wird nicht erkannt. Eine Handelspolitik, die deutsche Rohstoffinteressen in den Mittelpunkt rückt, widerspricht zudem den Forderungen nach fairem Handel, die beispielsweise Entwicklungsminister Müller immer wieder vorträgt.

Tiefseebergbau und Recycling

Kritisch zu betrachten sind auch die Pläne der Bundesregierung, den Tiefseebergbau voranzutreiben. Problematisch dabei ist, dass die ökologischen und sozialen Folgen des Tiefseebergbaus noch gar nicht erforscht sind. Der Koalitionsvertrag nimmt auf ökologische Standards für den Tiefseebergbau auch keinerlei Bezug. Während im Unterkapitel zum Internationalen Meeresschutz zwar von einem umweltverträglichen Tiefseebergbau gesprochen wird, ist diese Umweltverträglichkeit kein Thema im Wirtschafts- bzw. Rohstoffkapitel. Will die Koalition ihrem Anspruch gerecht werden, die Globalisierung mitzugestalten, braucht sie einen grundsätzlich anderen Ansatz.

Weiter will die Bundesregierung Bemühungen der Industrie für mehr Recycling unterstützen. Was auf den ersten Blick positiv klingt, ist zu kritisieren, da die Bundesregierung keine eigenen Pläne zum Thema Recycling bspw. mit Blick auf nachhaltiges Produktdesign, Begrenzung der Müllmengen oder festgelegte höhere Recyclingquoten vorlegt.

Wirtschaft und Menschenrechte

Positiv einzuschätzen ist das Bekenntnis der Bundesregierung die Agenda 2030 und die SDGs zum „Maßstab“ ihres Handelns zu machen sowie das Bekenntnis zum Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte (NAP), für dessen „konsequente Umsetzung“ sich die große Koalition einsetzen will. Sie deutet nationale Gesetze an, wenn die Unternehmen ihre menschenrechtlichen Pflichten in globalen Lieferketten nicht freiwillig wahrnehmen werden. Kritisch zu sehen ist jedoch, dass die Bundesregierung Regulierungen im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte auf globaler Ebene blockiert und sich gegen ein Abkommen der Vereinten Nationen zur Achtung der Menschenrechte in globalen Lieferketten stellt (s. hier). Eine konsequente Umsetzung des NAP erfordert sowohl die Bereitstellung der notwendigen Ressourcen als auch den politischen Willen, als Bundesregierung zügig Maßnahmen zu ergreifen. So müssen die Außenwirtschaftsförderung und die öffentliche Beschaffung stärker an den Menschenrechten ausgerichtet werden. Dazu gehört es, Unternehmen, die ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nicht nachkommen, für eine bestimmte Zeit von der öffentlichen Beschaffung und der Außenwirtschaftsförderung auszuschließen.

Kampf gegen Konfliktmineralien

Durchweg positiv sind die Zusagen der Koalition zur Umsetzung der EU-Verordnung zur Einschränkung des Handels mit Konfliktmineralien. So will sich die Koalition „auf europäischer Ebene für die Abschaffung von Freigrenzen [des Handels mit Konfliktmineralien] und Ausweitung auf die gesamte Lieferkette einsetzen“. Dies sind Forderungen der Zivilgesellschaft, um europäische Importe von Konfliktmineralien zu beenden.

Dieser Artikel erschien zuerst auf zebralogs.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden