Die Schuldenbremse - oder vom Paulus zum Saulus

. Deutschland zwischen heiligem Gral und Sündenfall

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Deutschland arbeitet. Weniger am eigenen Bruttosozialprodukt, als an einem Versuch, das Rätsel um die Quadratur des Kreises zu lösen, der Erkundung eines unversellen Weges nämlich, welcher gleichermaßen aus Schuldenbremse und Schuldenkrise führen wird. Dem Anspruch als solchem mag alle Ehre gebühren, am Erfolg darf allerdings gezweifelt werden, die sich abzeichnende Strategie jedoch ist ein Irrweg. Die Strategie nämlich, die notwendige Diskussion über diesen Weg zu polarisieren und zu polemisieren, also nicht sachlich, sondern politisch zu bewerten, d.h. die Schuldenbremse ist ein Knebel der ‚Rechten‘, der Sozialstaat ist die Lösung der ‚Linken‘.

Vom Damokles-Schwert des sozialen Niedergangs

Vorab ein Kommentar-Auszug von Carlos Jasso (Bloomberg) in der NZZ ( Original --> hier)

--> Nachhaltigkeit ist der überwölbende Anspruch der deutschen Politik. Die Erde, die man von den Kindern nur geliehen habe, müsse unbedingt geschützt werden, so das Credo. Doch ausgerechnet die Parteien, die dieses Postulat am lautesten vor sich hertragen, ignorieren es beim Thema Finanzen hartnäckig. Jetzt, da das deutsche Verfassungsgericht dem Verschleierungssystem der Schattenhaushalte, die dreist «Sondervermögen» genannt werden, einen Riegel vorgeschoben hat, ist das Wehklagen gross. Wer Sparmassnahmen auch nur andenkt, legt angeblich die «Axt an den Sozialstaat» und gefährdet nicht weniger als die demokratische Verfassung.

Deutschland, das sich innerhalb der EU lange als Schulmeister in Sachen Stabilität aufgespielt hat, rutscht zunehmend ab in die Schulden-Liga. Obwohl eine klare Mehrheit der Bundesbürger diese Entwicklung für verwerflich hält, wird die öffentliche Debatte von gegenteiligen Stimmen dominiert. Die Schuldenbremse wird von den Regierungsparteien SPD und Grüne zum Wohlstandsrisiko erklärt. Wer diese Errungenschaft verteidigt, wie der FDP-Finanzminister Lindner, wird zum Sprengmeister diffamiert, der das schöne deutsche Gemeinwesen zerstöre.

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Anders als bei den Anhängern der Grünen wohnt traditionellen Sozialdemokraten das Aufsteiger-Gen inne. Es sind Fachkräfte, für die das Eigenheim, der günstige Diesel und die Fernreise erstrebenswerte Ziele sind. Leistung muss sich für sie lohnen. Doch das Bürgergeld, dessen Erhöhung um stattliche 25 Prozent seit seiner Einführung 2021 die SPD erzwungen hat, bewirkt genau das Gegenteil. Altenpfleger, Kellner oder das Personal an der Kasse empfinden es als respektlos, wenn ein Paar mit zwei Kindern vom Staat Leistungen über insgesamt 3500 Euro netto beanspruchen kann, ohne zu arbeiten.

Von den 5,3 Millionen Bürgergeld-Beziehern sind 2,6 Millionen keine deutschen Staatsbürger, weitere 707 770 sind ukrainische Flüchtlinge. Sie alle haben also nie einen Euro an Steuern oder Sozialabgaben bezahlt und werden doch mit langjährigen Arbeitnehmern gleichgestellt. Auch so stellt sich der Sozialstaat selbst ein Bein, indem er jedem, der ins Land kommt, hohe Ansprüche gewährt. Gleichwohl bestreiten SPD und Grüne einen Zusammenhang zwischen wachsenden Sozialausgaben und ungesteuerter Migration.

So wird der alte Traum der Jusos vom «Recht auf Faulheit» samt bedingungslosem Grundeinkommen schleichend Realität. Diese Entwertung von Arbeit stösst sogar 62 Prozent der SPD-Anhänger bitter auf, wie die Demoskopen von Allensbach eben als Ursache für zunehmende Staats- und Politikverdrossenheit ermittelt haben. Je sozial schwächer, desto grösser der demotivierende Frust.

Die Wirtschaft reagiert auf ihre Weise. Jedes sechste Unternehmen des industriellen Mittelstandes ist gerade dabei, Arbeitsplätze abzubauen oder Teile der Produktion ins Ausland zu verlegen. Ein weiteres Drittel trage sich mit Abwanderungsgedanken, hat eine Umfrage des Industrieverbandes BDI ergeben.

Wer sich einen Sinn für Zahlen bewahrt hat, kann diese Zusammenhänge kaum leugnen. <--

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Kurz zusammengefasst sagt Carlos Jasso also, Schulden sind jedenfalls eine Ausbeutung kommender Generationen, ein Staat kann dauerhaft nicht mehr verteilen, als er hat und Paul Lafargues ‚Recht auf Faulheit‘ kann die Lösung nicht sein. Soweit die Position der ‚Rechten‘, womöglich ein wenig überzeichnet, aber das tun andere auch. Auch muss diese Position sicher niemand teilen, bloß – einfach ignorieren hilft eben nur wenig, das Argument der Zahlen hat was.

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Von Zahlen und Schulden

Da stehen sie sich jetzt gegenüber, das linke Argument einer latenten und nachweisbaren Bedürftigkeit und das rechte Argument der Zahlen. Dabei sind die linken Lösungen (.. wir nehmen es von den Reichen ) ebenso illusionär wie die rechten Lösungen (der Markt wird es richten..), denn ‚die Reichen‘ werden schneller weg sein, als man ahnen könnte und die internationalen Märkte werden keine Rücksicht nehmen auf deutsche Befindlichkeiten.

Von daher lohnt es vielleicht, erst mal genauer hinzusehen. Denn trotz aller Rezession steigen die deutschen Steuereinnahmen noch immer, derzeit in Richtung 1 Billion für 2025. Das Ampel-seitig ausgewiesene Problem liegt in einem Fehlbetrag von 17 Mrd. Euro, so die offizielle Darstellung, das kann doch dann in Relation keine Ursache für eine Staatskrise sein.

Ist es auch nicht, das Problem liegt wohl eher darin, dass die grundlegenden deutschen Zukunftsperspektiven aus Energiewende, Klimaschutz und Einwanderungsland hoch defizitär daherkommen, wobei mangels vorgelagerter konzeptioneller und monetärer Machbarkeitsanalysen jede Vorstellung fehlt, was diese Perspektiven denn eigentlich kosten und wer das dann bezahlen soll. Dieses gilt umfänglich auch für einen Sozialstaat, denn dieser ist kein ‚Staat im Staate‘, der einer eigenen Agenda folgen könnte, sondern er ist Teil eines Gesellschaftsvertrages, welcher nicht einseitig belastet werden kann. Eine Bedürftigkeit, die auf Pump gelindert werden soll, wird neue Bedürftigkeit generieren, soviel ist sicher. Von daher findet der grundlegende-deutsche Irrweg bzw. der Irrweg dieser Regierung ihre Richtung dann in einer allzu einfachen und maximal riskanten Öffnung der Schuldenbremse, welche dann als beliebig sprudelnde und unbefristete Geldquelle für jede vermeintliche Notwendigkeit adressiert werden kann.

„Schulden sind doch bloß Zahlen auf Papier“, diese eher therapeutische Sichtweise mag einer exclusiven Philosophie entspringen, tatsächlich aber sind Schulden sehr wohl zu begleichen, dies von einer Gesellschaft, die sich nicht wehren kann, weil sie mehrheitlich noch zu jung ist oder überhaupt noch nicht geboren wurde. Von daher wäre es für dieses Deutschland bzw. für kommende Regierungen dringend ratsam, diese Zukunfts-Leuchttürme aus Energiewende, Klimaschutz und Einwanderung vom ideologischen Kopf nochmal auf realistische Beine zu stellen und daraus eine Kosten-Nutzen-Relation abzuleiten, welche auf einer definierten Zeitschiene auch abbildbar, umsetzbar und finanzierbar sein kann. Es gibt durchaus Staaten auf diesem Planeten, die solche Projekte einem steuerbaren Format unterordnen, was in manch grünem Auge offenbar nichts anderes sein kann, als Blasphemie .

Von daher muss sich Deutschland ehrlich machen, ehrlich machen in dem Sinn, dass zwischen einer sinnvollen Fremdfinanzierung von Zukunftsinvestitionen und einer schuldenbasierten Alimentierung ideologischer Stilblüten unterschieden werden muss, ein Industrieland ist keine Spielwiese tiefgründiger Projektionen für Gelegenheitsphilosophen sondern die Existenzgrundlage der Bevölkerung.

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Vom deutschen Wesen ..

Diese historische deutsche Idee einer globalen Heilung wird in Deutschland selbst gerne verspottet, tatsächlich wurde dieser Begriff aber lediglich durch den ‚Vorreiter‘ ersetzt, so zumindest in der Außensicht. Und tatsächlich wird Deutschland an europäischer Führung nicht vorbeikommen, und wenn es diese sowieso schon gab, dann hat man sich bisher doch lieber mit den Vorteilen beschäftigt, mit korrespondierenden Verpflichtungen tut man sich unverändert schwer. Obwohl dies in Brüssel längst bekannt ist, fremdelt man mit den aktuellen Diskussionsrunden aus Berlin doch zunehmend. Hat nicht genau dieses Berlin über Jahrzehnte alles und jeden belehrt und korrigiert, der das Wort ‚Schulden‘ auch nur erwähnt hatte und wurde nicht das gesamte Gewicht deutschen Wesens in die Waagschale geworfen, dieses zu verhindern ? Yo, so war es, doch hat dieses Berlin quasi über Nacht zu neuem Wesen gefunden, andere Genesung wird nun gepredigt, demnach könne Gift auch heilsam wirken, so spricht das neue deutsche Wesen. Und hat dieses Deutschland nicht jede Atomkraft kompromisslos verteufelt und möchte genau diesen jetzt in Frankreich und Belgien kaufen, je mehr, je lieber ? Die Verwunderung im Plenum ist spürbar und hörbar, auch an der Glaubwürdigkeit wachsen Zweifel, es stellt sich die Frage, ob sich dieses Deutschland denn überhaupt seiner europäischen Verantwortung bewusst ist ? Nun, Olaf Scholz ist nicht Helmut Kohl, sagt man. Schade eigentlich, denkt man selbsterschrocken..

Ist man nicht oftmals sehr eigene Wege gegangen, hat sich mit niemandem abgestimmt und einfach ignoriert, was bemängelt wurde ? Allzu gerne hat sich Deutschland auf seine Rolle als wirtschaftliche Zugmaschine und fiskalischer Stabilitätsanker in Europa berufen, durchaus zurecht, weshalb dieses dann auch akzeptiert wurde. Doch nun stelle man sich vor, alle europäischen Staaten würden dem deutschen Vorreiter folgen auf dessen Weg in die schuldenbasierte Energiewende, der bewussten Stromverknappung und der ungesteuerten Einwanderung. Es würde vollends aus dem Ruder laufen, dieses Europa.

Deutschland scheint auch von seinem selbst formulierten Führungsanspruch überfordert, zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist diese Regierung, zu widersprüchlich die Antworten auf Fragen, die niemand gestellt hat und zu leichtfertig das Schweigen auf tatsächliche Fragen.

So ist die Idee des ‚deutschen Klimas‘, der ‚deutschen Energiewende‘ und der ‚deutschen Einwanderung‘ viel zu kurz gedacht und zu schlecht gemacht , um wirken zu können, im Grunde ist das kleinkarierte Parteipolitik. Denn ohne rein deutsche Währung gibt es auch keine rein deutschen Schulden, die Auswirkungen auf den gesamten Euro-Raum werden spürbar sein. Und es gibt auch keine ‚deutsche AFD‘, auch diese ist ein europäisches Problem.

„Wenn Europa Führung braucht, dann wird Europa Führung bekommen“, hatte der amtierende deutsche Bundeskanzler einst in die europäischen Hauptstädte gesendet – und mehr war da nicht. Auch Europa hofft auf Besserung.

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Geschrieben von

Zerberus

Europa ist keine Idee, sondern eine Notwendigkeit

Zerberus

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