Das Opfer auf Bild drei

Polizeigewalt Wir sprechen mit dem, der am Boden liegt: Wie ist das Foto entstanden?

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http://farm6.staticflickr.com/5550/10409930745_ee9473c091.jpgBild: Benjamin Brusniak , Frankfurt am Main, 2013, CC–BY

Um das IVI – Institut für vergleichende Irrelevanz zu unterstützen und gegen die Wohnungspolitik der CDU und GRÜNEN im Frankfurter Stadtparlament zu demonstrieren kamen am 23.4.2013 ca. eintausend Studenten und Bürger zu einer angemeldeten Demonstration zusammen. Diese wurde am Campus Bockenheim aufgelöst. In den Strassen rund um die Uni standen hunderte von hochgerüsteten, vermummten Polizeieinsatzkräften, ausgerüstet mit Schlagstöcken, Helmen und gepanzerten Schutzuniformen.

"Mit ein paar Freunden war ich auf einer Demonstration gegen die Räumung des Frankfurter IVI, eines besetzten, ehemaligen Universitätsgebäudes in dem seit 2003 frei organisierte Vorlesungen und Veranstaltungen der Studenten der Goethe Uni stattfinden. "

"Nachdem die Demo aufgelöst worden war blieb ein Großteil der Demonstranten auf dem Campus, während ich mit ca. sechzig Leuten in Richtung Hamburger Allee weiterlief. Erst viel später bemerkten wir, dass die Demonstration gespalten worden war; wir also allein weitermarschierten, keiner mehr hinter uns war. Als wir kurze Zeit später auf die Kreuzung an der Gräfstraße kamen sahen wir von weitem eine fremde Gruppe, die mit Bauzäumen eine Strassensperre errichte und Steine warf."


"Plötzlich hörte ich hinter mir Geräusche. Bevor ich mich umdrehen konnte – oder überhaupt verstand was los war – traf mich ein heftiger, schmerzhafter Schlag in den Nacken. Einen Augenblick später begann jemand meinen rechten Arm zu verdrehen und mich nach unten zu drücken. Weil er von hinten gekommen war hatte ich den Polizisten nicht bemerkt und wehrte mich. Er war kleiner als ich und trotz Schutzuniform nicht sehr kräftig, sodass ich ihn schnell abschütteln konnte. Eine ganze Gruppe von Polizisten kam daraufhin aber auf mich zugerannt. Der Erste und ein zweiter griffen mich gleichzeitig von beiden Seiten, zogen und verrenkten meine Arme, ein dritter schlug mit seinem Knüppel in meine Kniekehlen."

"Alle Einsatzkräfte waren vermummt und ihre Gesichter konnte ich nicht erkennen. Ich verstand überhaupt nicht was los war, hatte ich doch nichts anderes gemacht als Teil der Demonstration zu sein. Weder hatte ich irgendetwas zur Verteidigung in meinen Händen, noch sonst irgendwie Hilfe. Ich war von Polizisten umzingelt, die mit vereinten Kräften versuchten mich zu Boden zu drücken. Ein weiterer rannte mit einer kleinen Kamera herbei, um mich zu filmen. Ich fragte, was ich getan hätte. Keiner antwortete mir. Da wurde ich lauter, schrie sie an, sie sollten "mich gefälligst loslassen, mir erstmal sagen, was sie mir vorzuwerfen" hätten. Nichts. Ich wehrte mich, ging aber langsam nach unten. Je lauter ich wurde, desto mehr Polizisten kamen herbeigeeilt. Es fühlte sich an als ob sie ihr halbes Battalion brauchten, um mich schlussendlich zu Boden zu drücken."

"Unten angekommen drückte einer der Polizisten mit seinen Knieschonern sein ganzes Gewicht auf mein Gesicht im harten, nassen Asphalt. Zwei weitere Polizeibeamte waren damit beschäftigt mich zu fixieren. Keiner hörte mir zu. Nichts, was ich sagte interessierte. Sie drückten nur ihre harten, fiesen Knieschoner und Schlagstöcke in Gesicht, Nacken und Rippen und fixierten meine Arme und Beine während ich lauthals schrie, dass "ich nichts verbrochen" hätte."

"Am Ende wurde ich – ein Schüler – wie ein Schwerstkrimineller behandelt während es von Seiten der Polizei nicht einmal den kleinsten Versuch gab, die eigentlichen Krawallmacher festzunehmen. Hätte man einfach mal ganz freundlich miteinander geredet, es wäre vielleicht gar nicht soweit gekommen."


"Ein Fotograf, der auf meine Schreie aufmerksam wurde, kam herbei geeilt und fotografierte die Situation. Die Polizei verlangte aber sofort seinen Presseausweis und wollte seine Bilder und die Kamera konfiszieren. Woraufhin er verständlicherweise protestierte. Kurz darauf saßen dann er und ich nebeneinander – ein jugendlicher Demonstrant und ein Fotojournalist, der an seiner Arbeit gehindert wurde – und wir beide wurden von zwei Dutzend Polizeibeamten in einem Halbkreis festgehalten. Das Allermerkwürdigste war, als die Polizeibeamten später ihre Helme und Vermummungen abnahmen und plötzlich zu sprechen begannen: Sie redeten fröhlich – gutgelaunt, als sei das alles eben nicht passiert –, über das Halbfinale Champions-League Spiel von Bayern gegen den FC Barcelona. Ich konnte das alles kaum glauben, fühlte mich gedemütigt, wie in einem schlechten Film.

So ist das Bild entstanden."

"Plötzlich hörte ich wildes Geschrei und sah, wie mehrere Polizisten in gepanzerter Uniform eine Person zu Boden warfen. Sofort zückte ich meine Kamera und versuchte, diesen Vorgang zu dokumentieren“, Benjamin Brusniak, Fotojournalist.

Bildcredit: Benjamin Brusniak (CC-BY)

IVI – Institut für vergleichende Irrelevanz http://ivi.copyriot.com/

Max Auerbach, Frankfurt am Main
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