Körbe eines Handlungsreisenden

Dreier Till Schauder begleitet in seinem Dokumentarfilm "Der Iran Job" einen amerikanischen Basketballprofi, der bei einem iranischen Team anheuert
Körbe eines Handlungsreisenden

Foto: Real Fiction

Es gibt Dokumentarfilme, die ihren Reiz aus der detailgenauen Beobachtung des uns Vertrauten ziehen. Die Alltägliches so zeigen, dass es neu und fremdartig wirkt. Und es gibt Dokumentarfilme, die eine so ungewöhnliche Geschichte erzählen, dass die Art, wie sie dies tun, völlig dahinter zurücktritt.

Zu Letzteren gehört Der Iran Job von Till Schauder. Die Story des Films klingt, als hätte sie ein hochbezahlter Hollywood-Drehbuchautor monatelang am Schreibtisch ausgetüftelt. Schauder porträtiert den amerikanischen Basketballer Kevin Sheppard, der sich 2008 auf Vermittlung seines Agenten entschließt, eine Saison im Iran zu spielen. Allein der Fakt, dass es im so verschlossen wirkenden Iran eine mit viel Zuschauerbegeisterung verfolgte Basketball-Liga gibt, ist bemerkenswert. Dass jedes Team zwei Ausländer spielen lassen darf und ein kleiner, sehr spezieller Markt für ausländische Profis existiert, dürfte aber nicht mal Basketball-Spezialisten bekannt sein.

Eine große Qualität des Films ist, dass er den Sport in seiner Faszination an sich ernst nimmt. Basketball ist hier zwar auch, aber eben nicht nur eine Möglichkeit, das Aufeinanderprallen von Menschen aus verschiedenen Kulturen zu zeigen. Zu Beginn sieht man Sheppard im Haus seiner Eltern auf den amerikanischen Jungferninseln. Er erzählt, dass er College-Basketball gespielt habe und auf einen Vertrag in der US-Profiliga NBA hoffte. Es reichte nicht. Dafür bekam er Angebote aus dem Ausland. So wurde er ein „Journeyman“, ein Handlungsreisender in Sachen Basketball.

Nun ist er einer der amerikanischen Spieler, die als Sportsöldner rund um die Welt ihr Geld mit Körbewerfen verdienen. Er lief bereits für Teams in China, Brasilien und Israel auf. Im Iran, erzählt er offen, werde aber das Doppelte des üblichen Gehalts gezahlt, weil dorthin nur wenige Ausländer gingen. Zwischen die Bilder, wie er seine Reisetasche packt, schneidet Till Schauder Fernsehnachrichten, in denen George W. Bush und Hillary Clinton dem Iran mit einem Militärschlag drohen. Auch Mahmud Ahmadinedschad ist mit wüsten Drohungen gegen Israel zu sehen. Die Kriegsrhetorik beider Seiten ist die Folie, vor der Sheppard und mit ihm der Zuschauer den Alltag in der Millionenstadt Schiras entdecken.

Auch seine Mannschaft

Weil Till Schauder keine offizielle Drehgenehmigung im Iran bekam, begleitete er seinen Protagonisten nur mit einer kleinen Handkamera – was dem Film zugutekommt. Es entsteht eine große Nähe. Man ist dabei, wenn Sheppard das erste Mal mit seinem neuen Team trainiert, das er in die Playoffs führen soll. Man bemerkt seine Enttäuschung über das niedrige Niveau, seinen Frust, als die ersten Spiele verloren gehen. Und man sieht, wie er seine Einstellung ändert: Statt alles allein zu machen und sich abzuwenden, wenn seine Mitspieler scheitern, beginnt er das Team zu führen. Es wird auch seine Mannschaft. Er bringt den Mitspielern Sport-Slang bei („Let’s get the W“ – wobei W für „win“ steht), sie nehmen ihn ins Nachtleben mit.

Und Sheppard freundet sich mit seiner Physiotherapeutin an. Zusammen mit zwei Freundinnen besucht sie ihn und seinen WG-Partner, einen wortkargen serbischen Center, öfter im Apartment der Spieler. Die Wohnung wird zu einem Freiraum, in dem die Frauen ihr Kopftuch abnehmen können und frei über Politik, Religion und Geschlechterrollen sprechen. Sheppard ist beeindruckt von den selbstbewussten Frauen, die ihm zeigen, dass der Iran alles andere als ein einziger Hort des Bösen ist.

Das Ende der Saison fällt zusammen mit dem Beginn der Grünen Revolution – und mit Sheppards Erkenntnis, dass es doch noch etwas gibt, für das es sich mehr zu kämpfen lohnt, als für den Sieg auf dem Basketballfeld. In die Playoffs hat er sein Team trotzdem geführt.

AUSGABE

Dieser Artikel erschien in Ausgabe 8/13 vom 21.02.20013

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