Potenzielle Chance für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Linksliberalismus Nach der Niederlage bei der Bundestagswahl 2013 suchen die Grünen nach neuer Orientierung. Ein ökologischer Linksliberalismus wäre eine passende Ausrichtung

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Die Führungsspitze der Grünen macht Platz für eine Neuausrichtung
Die Führungsspitze der Grünen macht Platz für eine Neuausrichtung

Foto: Sean Gallup/ AFP/ Getty Images

Für linksliberal eingestellte Menschen gibt es seit Jahrzehnten keine wirkliche politische Heimat in Deutschland. Dies war bei Gründung der Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg anders. Denn die FDP hatte ab 1948 Landesverbände, in denen der Linksliberalismus stark vertreten war – auch wenn ein großer Teil der FDP damals noch nationalliberal gesonnen war. Eine deutliche Stärkung erfuhr der soziale Liberalismus als die FDP 1969 eine Koalition mit der SPD einging und 1971 die „Freiburger Thesen“ fomulierte. Doch die Hinwendung der Liberalen zur CDU im Jahr 1982 führte zu einem Austritt vieler Linksliberaler und die FDP nahm zunehmend die Gestalt einer wenig sozialen Partei an, die praktisch die gesamte Gesellschaft nach marktwirtschaftlichen Prinzipien ausrichten wollte.

Mit dem jetzigen Ausscheiden der FDP aus dem Bundestag verlieren auch die letzten prominenten Linksliberalen wie Sabine Leutheusser-Schnarrenberger an politischer Bedeutung. Dabei hat sich die Justizministerin der abgewählten schwarz-gelben Regierung zuletzt verstärkt gegen einen ausufernden Überwachungsstaat eingesetzt. Durch die groß angelegten Abhörprogramme der US-amerikanischen und britischen Geheimdienste wurde die Privatsphäre der BürgerInnen in erheblicher Weise verletzt.

Der Schutz der Menschen vor allzu weitreichenden staatlichen Eingriffen gehört zu einem Kernanliegen des Linksliberalismus. Umgekehrt sehen Linksliberale auch die Notwendigkeit, dass der Staat die BürgerInen vor Auswüchsen der Marktwirtschaft schützt. Die 2007 ausgebrochene weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise hat die Wichtigkeit staatlicher Regulierung der Märkte in aller Deutlichkeit demonstriert.

Auf dem Gebiet der Bürger- und Menschenrechte liegt nun die Chance für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, sich in verstärktem Maße zu profilieren. Dabei können die Grünen auf das "Bündnis 90“zurückgreifen - einer Bürgerrechtsbewegung, die in der ehemaligen DDR entstanden ist und sich 1993 mit den Grünen zusammengeschlossen hat.

Zurzeit sind BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN dabei, die Niederlage bei der Bundestagswahl zu analysieren und sich personell sowie inhaltlich neu zu sortieren. Ein Teil der Mitglieder sieht die Zukunft der Partei darin, sich wieder verstärkt auf die Kernkompetenz, also die Ökologie, zu konzentrieren. Diese Reaktion ist durchaus verständlich. In Zeiten der Krise besteht häufig der Reflex, sich auf altbewährten und bestens vertrauten Feldern zu bewegen. Doch eine Fokussierung auf Umweltthemen beinhaltet zwei Risiken. Zum einen erreicht man nicht jene WählerInnen, denen andere Themen auf den Nägeln brennen und limitiert somit die politische Reichweite. Außerdem haben inzwischen auch die anderen Parteien das Thema Ökologie entdeckt und machen den Grünen Konkurrenz.

Eine Partei aber, die Wahlergebnisse über 10% anstrebt, muss sich möglichst breit aufstellen und alle Themenfelder abdecken. Wirtschaft und Soziales, Außenpolitik und Entwicklungshilfe sind ebenso wichtig wie Umweltschutz. Und das Thema Bürger- und Menschenrechte – ein Kernthema des Linksliberalismus – gehört auch auf die Agenda. Wenn BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf allen Politikfeldern ihr Profil schärfen und sich als Ziel die Ideale eines sozialen und ökologischen Liberalismus auf die Fahnen schreiben, besteht die gute Chance, in Zukunft wieder bessere Wahlergebnisse zu erzielen. Und die bestehende Lücke im Parteiensystem – der fehlende Linksliberalismus – könnte geschlossen werden.

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