Öl: Just move the Mississippi!

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Es gibt interessante Neuigkeiten mit Blick auf die Deepwater Horizon-Katastrophe. Während aus dem knapp bedeckten Leck am Meeresgrund weiterhin eine kaum mehr zu quantifizierende Menge Öl ins Wasser strömt (hier liest man, es seien nach dem gescheiterten Top Kill-Versuch mindestens noch 25.000 Barrel am Tag, also gut 4 Millionen Liter) beginnt am Ufer Phase zwei der Drecksarbeit, und wie es sich für Katastrophen gehört, gibt es immer ein paar findige Leute, die noch Kapital aus dem Elend zu schlagen wissen.

Dank dieser besten Absicht hat sich wohl auch ein Schweizer „High-Tech-Unternehmen“ mit dem verwegenen Namen "HeiQ" selbst übertroffen, und binnen weniger Wochen eine Zauber-Chemikalie entwickelt. Mit dieser Tunke der Hoffnung wird Vlies präpariert, das sich nachgerade in einen perfekten Ölstaubsauger verwandeln soll - eine Art Zewa Wisch-und-Weg für Tankerhavarie und Langzeitölpest gleichermaßen, und sicherlich ein Produkt der Zukunft, denn wer wird denn glauben, dass Deepwater Horizon einen Wendepunkt für die Ölwirtschaft darstellt?

Das Öl kann man übrigens hinterher aus dem Vlies extrahieren und vermutlich umgehend für die Herstellung von neuer Zauberchemikalie verwenden, deren Formel natürlich geheim ist. Für das dauerverpestete Nigerdelta würde sich das sicher auch eignen, ist nur ein bisschen teuer, solange der Eurokurs nicht völlig einbricht – 5 Euro pro Meter, rechnen die Erfinder, und da fühlt man sich doch gleich an Big Pharma erinnert, die patentgeschützte Medikamente bisweilen lieber für teures Geld in den Industriestaaten verticken, als vielen Menschen das Leben zu retten.

Aber zurück zum Öl: In den USA zahlt bekanntlich BP die Zeche, da passt die Regierung genau auf. Vergangene Woche wurde der Ölriese weitere Male ermahnt, die Forderungen der betroffenen Menschen und die Kosten der Umweltreinigung zu begleichen. Und gerade die letzteren könnten noch richtig deftig ausfallen, denn Obama hat angeblich einen irren Plan. Damit die Feuchtgebiete an der Flussmündung auch nur im Ansatz gesäubert werden können, will der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika einen der größten Flüsse der Welt umleiten.

Das zumindest hat ein amerikanischer Historiker und Politikexperte offenbar auf CNN behauptet und mehrfach betont, es handle sich hier um keinen Scherz, sondern um den Teil eines „gulf recovery act“, der gerade auf Rechnung von BP vorbereitet wird. Und auch wenn den Mann alle für verrückt erklären, und die Idee sicher besser klingt als sie tatsächlich für die Rettung der Umwelt wäre, so erscheint eine derart ausgeflippte Nummer doch durchaus amerikanisch. Eine Nation, die glaubt, sie müsse in 1500 Metern Tiefe in der Erdkruste herumstochern, glaubt wahrscheinlich auch, dass sie den Mississippi aus seinem Bett heben kann.

(Den Hinweis auf die Flussgeschichte bekam ich von unserer Autorin Julia Groß, die Links zur NZZ und zum Brief hat mir meine Kollegin Gina Bucher geschickt. Vielen Dank!)

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Kathrin Zinkant

Dinosaurier auf der Venus

Kathrin Zinkant

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden