Selbstfindung bei DSDS – ein Geständnis

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Gestern haben wir uns – zum ersten Mal in diesem Jahr – „Deutschland sucht den Superstar“ angeguckt.

Jaja, ich weiß, Bohlen ist ein A....und überhaupt. Dieses Konkurrenzding mit gezinkten Karten. Heute kommen die meisten Kandidatinnen und Kandidaten fast schon "vorgegart" und präpariert zu diesem Casting. Und die Sieger sind auch nicht die besten.

Da verweise ich gern auf die einschlägigen Blogs, wo das aufgegriffen wird.

www.freitag.de/community/blogs/poor-on-ruhr/das-superstarsystem/?searchterm=Dieter+Bohlen

www.freitag.de/community/blogs/merdeister/total-frontal/?searchterm=Dieter+Bohlen

Ich aber betreibe mithilfe dieser Sendung

1.ein bisschen Nostalgie

2.Seelische Bearbeitung von Teenager-Träumen

Ich wäre doch so gern berühmt geworden, als ich so zwischen Kindheit und Pubertät herumschwankte. Unter „berühmt“ stellte ich mir immer die gleiche Szene vor:

Eine Menschenansammlung, alle gleichgültig vor sich hinblickend. Und ich stelle mich da auf und singe. Und alle Leute verstummen, lauschen ergriffen, sind völlig hin von mir und weinen vor Rührung.

Ist das nicht ein geborgter Traum, frage ich mich, aus irgendeinem der Musikfilme, die es sogar in der DDR hin und wieder zu sehen gab. Der Star aus dem Nichts, das war eine Vorstellung jener Zeit, das Aschenputtel, das zur Prinzessin wird. Das ist so kindlich-altmodisch. Vom hässlichen jungen Entlein zum schönsten Schwan. Ein bisschen Anteil hatte meine Mutter an solchen Vorstellungen. Die war in ihrem Beurteilungsmodus auch ständig im Superlativ. Es musste immer die schönste Frau, der beste Sänger der Welt sein, wenn sie was bewertete. Von mir erwartete sie so was zwar nicht, eher war sie sehr nachsichtig, aber es prägte mich doch – ein bisschen. Dieses Absolute.

Im eigenen Schweiß eingedampft

In der gestrigen DSDS-Staffel – in der Karibik - in der fünfzig hoffnungsfrohe junge Leute in ihrem eigenen Schweiß auf fünfundzwanzig eingedampft wurden, gab es schon bemerkenswerte, geübte Stimmen zu hören. Die kommen nicht aus dem Nichts, sondern von der Show- und Gesangsausbildung oder so. Ist ja egal.

Ich selbst sang im Schulchor, manchmal hatte ich kleine Soloaufgaben, mehr war nicht drin. Später habe ich mich mal beim Rundfunkchor beworben. Auch da musste man natürlich vorsingen. Und ich muss sagen: Ich bin da durchgerauscht mit Pauken und Trompeten. Ich wusste schon nach den ersten Tönen, dass ich das verhaue. Klar habe ich die Töne getroffen, aber es klang so glanzlos und allerweltsmäßig. Es war nichts. Seitdem habe ich vor allen solchen Casting-Situationen den allergrößten Respekt. Auf den Punkt genau das zu bringen, was man wirklich kann, ich bewundere es zutiefst und wüsste gern, ob diese Szenen wirklich echt sind.


Signal stand auf Ochsentour

Jahre später – ein paar Wochen vor dem Studienbeginn – bin ich zur Hochschule für Film- und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg gefahren, weil die kurzfristig, noch fürs beginnende Studienjahr Bewerber suchten. Auch so eine – familiär bedingte - Jugendmarotte von mir: Theater spielen.

Gleich zu Beginn fiel mir der ätzende Ton gegenüber den Bewerbern auf. Nicht die Prüfungskommission war so hart, sondern die Studenten des ersten Semesters. Die blickten grinsend ins Wartezimmer für die Prüflinge und ließen höhnische Sprüche ab. Was die damit abarbeiteten, ahne ich, aber ich weiß es ich nicht.

Was Bohlen mit seinen DSDS-Sprüchen abarbeitet, kann ich mir vorstellen. Der kann überhaupt nicht singen und es muss Kandidaten geben, die ihn manchmal schmerzhaft daran erinnern. Daran und an seinen Kompagnons – den Anders. Kann ja sein.

Meine Chancen als Schauspielerin standen so Mittel. Ich trug nur ein Gedicht von Wilhelm Busch vor auf die Schnelle. Ich wäre nicht schlecht für komische Rollen, beschied man mir. Ich sollte mal – fürs nächste Schuljahr – die Franziska aus Minna von Barnhelm üben.

Das tat ich nicht, denn solche Vorschläge signalisierten kein Riesentalent, keinen „Durchbruch“, sondern die Ochsentour. Ich entschloss mich doch, dass Studium in Berlin zu beginnen, wo es weniger ums Darstellen ging, mehr ums Lernen. Seufz Meine Berühmtheit blieb der Welt erspart. Aber mich beschäftigte dieser Wunsch – wie viele Leute – immer mal wieder.

Zwischen „Fame“ und „A Chorus Line“

In den 80er Jahren liefen zwei Filme aus Hollywood auch in Ostberlin: „Fame“ und „A Chorus Line“. „Fame“ war klasse – dieses Sich Schinden für den Erfolg, Konkurrenz aushalten, Sich Durchsetzen, Erste sein wollen. Aber auch „A Chorus Line“, wo in den individuellen Kampf um einen Job auch das Drama einer Solistin eingeflochten wird, die wieder in der Ballettformation tanzen will oder muss, nicht länger Top sein will oder kann, fand ich gut.

Vereinfacht könnte man meinen: Im Grunde geht’s doch bei allen gesellschaftlichen Diskursen um die Fragen "Solo oder Ensemble". "Das Individuum oder die Gemeinschaft", Elitenkult oder Chancengleichheit.

Gestern bei DSDS gabs auch einen Beitrag zur Gesellschaftskunde. Da haben sie eine junge, schwarzhaarige, biestige kleine Sängerin vorgeführt, die sich gegen das Verdikt „Du nicht“ zur Wehr setzte und nicht gehen wollte. Sie heulte und sank in die Knie und all solche Verzweiflungssachen. Die hat am Ende dann – gegen eine Andere – doch eine Chance gekriegt. Weil Bohlen meint, zum Show-Geschäft gehöre auch das Über Leichen gehen, so sei das Business.

Ach ja, das war der Ausflug ins wirkliche Leben. Und da habe ich mich schon wieder gefragt, wie viel Inszenierung in diesem ganzen Quatsch steckt. Wenn es Inszenierung war, dann haben sie diese schwarze kleine Hexe aber gut gecasted für diese Szene.

Plädoyer fürs Ensemble

Egal – inzwischen finde ich Ensembleleistungen viel mehr beeindruckend. Chöre, die einen unverwechselbaren Ton finden. Obwohl, ich habe mir erzählen lassen, dass da manchmal Stimmgruppe gegen Stimmgruppe intrigiert.

Ich finde – z.B. in der Opernszene – diese Fokussierung auf eine Diva oder einen Supertenor langweilig. Die Netrebko, ja sie ist Klasse, aber ein Villazon hat sich im Dienst an diesem Starkult die Stimme ruiniert.

Beispiel: Herbert von Karajan

Ganz besonders beeindruckend und dieses Entweder/Oder versöhnend, sind Orchesterleistungen, weil sich in ihnen die Problematik von elitärem Einzelnen und Ensemble besonders deutlich zeigt.

Ein gutes Beispiel dafür ist Herbert von Karajan. Im Gegensatz zu Toscanini, der als ein Tyrann beschrieben wird, der jedem Musiker kontrollierend im Nacken saß und dem das Orchester durch sein ungenaues Dirigieren im Alter einmal fast „zerfiel“, arbeitete er ganz anders. Er, der sonst so Konfliktbereite, ließ die Musiker, sich frei entfalten, entspannt musizieren, sein Gestaltungswille hatte andere Methoden.

Und so entstand ein gemeinsam denkender Organismus. Einmal, "...als ein Bläser Solo im dritten Satz der "Pastorale" einen Takt zu früh einsetzte, "sprang“ das ganze Orchester geistesgegenwärtig und ohne Zutun des Dirigenten einen Takt vor ohne dass es jemand bemerkte. Instinktiv. Wahnsinn.

Fazit: DSDS gucken wir so schnell nicht wieder.

Ich weiß – gereift, wie ich bin - von mir: Wenn ich schon nicht berühmt werden konnte, wenigstens wollte ich immer gern beliebt sein. Das geht mir heute bei meinen abgespeckten Bemühungen um Aufmerksamkeit – bei kleinen Vorträgen und Schreibereien – auch noch so. Der Rest meines Lebens sind Ensembleleistungen.

Ich hoffe, ich habe manches bereichert.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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