Große Versprechen

Senegal Letzten Sonntag wurde Präsident Macky Sall mit klarer Mehrheit im Amt bestätigt. Er präsentiert sich als Erneuerer des Landes, doch kann er den Anspruch erfüllen?

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Der Präsident Macky Sall nach der Abgabe seiner Stimme
Der Präsident Macky Sall nach der Abgabe seiner Stimme

Foto: Xaume Olleros/Getty Images

Das Ergebnis der Präsidentschaftswahl fiel dann doch unerwartet klar aus: der jetzige Präsident Macky Sall war gegen vier weitere Kandidaten angetreten und hat am Sonntag im ersten Wahlgang mit mehr als 58 Prozent die absolute Mehrheit der Wählerstimmen erhalten. Er wird damit ohne einen zweiten Wahlgang seine zweite Amtsperiode antreten können. Ohne die absolute Mehrheit hätte es einen zweiten Wahlgang mit den zwei erfolgreichsten Kandidaten des ersten Wahlganges gegeben.

Insgesamt waren 6,6 bis 6,7 Millionen senegalesische Wahlberechtigte aufgerufen worden zu wählen. Wie hoch die Wahlbeteiligung war, wurde bisher nicht bekanntgegeben.

Die genauen Ergebnisse sind laut Wahlkommission: 58,3 Prozent für Macky Sall, 20,5% für Idrissa Seck; 15,7% für Ousmane Sonko. Abgeschlagen landen El Hdji Issa Sall mit 4,1% auf Platz 4, und Madické Niang mit 1,5% auf Platz 5 der Präsidentschaftswahlen.

Es gibt ein paar Faktoren, welche die Wahl zu Macky Salls Gunsten beeinflusst haben dürften. In der letzten Wahl hatten die Senegalesen noch 12 Kandidaten zur Auswahl, diesmal waren es nur fünf. Die Kandidaten hatte diesmal nach einer Reform des Wahlgesetzes eine neue Hürde zu nehmen. Derzufolge wurde nur zur Wahl zugelassen, wer vorher genug Unterschriften für eine Kandidatur gesammelt hatte. Das bedeutet in einem Land, welches Probleme hat, ländliche Regionen anzubinden, naturgemäß eine Benachteiligung der ländlichen Bevölkerung. Außerdem waren zwei seiner vielversprechenden Konkurrenten zuvor aufgrund von politischem Fehlverhalten ausgeschieden und somit keine Konkurrenz mehr für Präsident Sall: sie hatten sich der Korruption schuldig gemacht. Ebenfalls aufgrund eines neuen Gesetzes durften sie daher nicht mehr antreten. Der eine, Karim Wade, ist der kosmopolitische Sohn des greisen Ex-Präsidenten Abdoulaye Wade. Er hatte unter seinem Vater das Infrastrukturministerium geleitet, ein neu geschaffenes Superministerium, und dabei erhebliches Privatvermögen angehäuft. Der andere ist der ehemalige Oberbürgermeister von Dakar, Khalifa Sall, nicht verwandt mit dem Präsidenten.

Gegen Korruption und private Bereicherung vorzugehen, war 2011/12 eines der Versprechen von Macky Sall gewesen. Und so wichtig es auch ist, gegen die persönliche Bereicherung der Politiker und Staatsbeamten zu Lasten der Steuerzahler vorzugehen, so ist es doch auffällig, dass mit dem Antikorruptionsgesetz gerade jetzt zwei vielversprechende Kandidaten ausgeschaltet wurden, wie kritische Beobachter anmerken.

Der neue und alte Präsident Sall hatte sich während seiner ersten Kandidatur als Kandidat der Jugend und als Erneuerer präsentiert. So hoffte er 2011 von einer neuen breiten jugendlichen Protest-Bewegung zu profitieren, die sich rund um die Hiphop-Künstler der Gruppe Keur Gui gebildet hatte: Damals hatte der greise Präsident Wade vorgehabt, die Verfassung zu ändern, um sich zum Dritten Mal wiederwählen zu lassen. Junge politische Aktivisten hatten damals die Demokratie- und Protestbewegung „Y'en a Marre“ (übersetzt ungefähr „Genug ist genug!“ oder freier „Wir haben die Schnauze voll“) gegründet, um die Verfassungsänderung zu verhindern. Gleichzeitig ließen sie sich aber nicht vor den Karren des selbsternannten Modernisierers Macky Sall spannen, sondern beharrten auf ihrer kreativen und kritischen Unabhängigkeit.

Diesmal hatte Macky Sall im Wahlkampf auf Plakaten seine Erfolge bei prestigereichen Großprojekten betont. Mithilfe von ausländischen Investitionen und Krediten war beispielsweise eine Brücke über den Fluss Gambia gebaut worden, die den Norden des Landes mit Casamance, dem Süden des Landes, verbindet. Außerdem konnten die Chinesen dafür gewonnen werden, das „Museum der Schwarzen Zivilisationen“ zu finanzieren, das erste bedeutende Kunstmuseum dieser Art in Westafrika. Während des jetzigen Wahlkampfes waren dennoch die jungen politischen Aktivisten von Y'en a Marre nicht unbedingt für Macky Sall gewesen, da zu viele drängende Probleme in den letzten Jahren nicht angegangen wurden.

Der Senegal gilt politisch als ein stabile Demokratie , aber vor der Wahl war es auch vereinzelt zu Unruhen gekommen. Der alte, schon immer bärbeißige Präsident Wade, inzwischen über 90 Jahre alt, war extra aus dem Exil angereist, um für seinen Sohn Karim einzutreten und hatte wegen dessen Nichtzulassung zur Kandidatur dazu aufgerufen, die Wahl zu boykottieren. Die Senegalesen sind im allgemeinen aber stolz darauf, dass sie höflich, diplomatisch, freundlich und tolerant sind. Es ist gelebte Tradition, dass die verschiedenen Ethnien und Religionen Konflikte gar nicht erst entstehen oder gar vertiefen lassen, sondern dass Gemeinsamkeit trotz Unterschiedlichkeit friedlich praktiziert wird. Außerdem ist der Senegal in der Region ein vergleichsweise wirtschaftlich prosperierendes Land; er war vor der Dekolonisierung die bevorzugte Kolonie der Franzosen. Dort war der Verwaltungssitz für das gesamte frankophone Westafrika, dort sitzen immer noch wichtige und für die ganze Region einflussreiche französische Institutionen. Umgekehrt es ist selbstverständlich für kosmopolitische Senegalesen, ihre Kinder in Paris, London oder Boston studieren zu lassen. Neuerdings sucht Macky Sall auch den Anschluss an China.

Vergleichsweise prosperierend heißt aber auch: es gibt zwar, seit Sall Präsident ist, ein statistisches Wirtschaftswachstum von 6 %, aber die Menschen fragen sich, wo das ankommt und in wessen Taschen das fließt. Wichtige Probleme sind weiterhin ungelöst und werden sogar drängender: die wachsende Kluft zwischen Reich plus oberer Mittelschicht und Arm (über 60% der Senegalesen leben unter der Armutsgrenze); die Konzentration der Landwirtschaft auf Exportgüter wie die Erdnuss; Abhängigkeit von Lebensmittelimporten; steigende Preise für Grundnahrungsmittel; eine fehlende staatliche Gesundheitsversorgung, bzw. keine geregelte Krankenversicherung für alle; eine verbesserte aber weiterhin ungesicherte Stromversorgung; wachsende Staatsschulden durch die Großbauprojekte; die Überfischung der senegalesischen Hoheitsgewässer durch europäische Flotten; das Stadt-Land-Gefälle; Defizite im Bildungssektor; die fehlenden Infrastrukturen, um nur einige zu nennen. Alles wichtige Aufgaben für den neuen Präsidenten, bei denen er auch auf die protestierende Jugend hören sollte. Denn trotz dieser schwierigen Aufgaben lassen einen gerade das Engagement und der Aktivismus von jungen, sozialen Bewegungen wie Y'en a marre optimistisch sein, da von ihnen die Impulse ausgehen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Anna Blume

Historikerin und Politikwissenschaftlerin mit vielseitigen Interessen, von Streetart bis zu Senegal.

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