Mist! 1. Mai ist ein Sonntag

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Ich bewundere die soziale Einstellung der Engländer zu ihren Feiertagen. Der 1. Mai, der Tag der Arbeit, ist für die Briten tatsächlich ein Tag zum Feiern, müssen sie doch nicht an dem darauffolgenden blauen Montag an der Werkbank stehen oder im Büro sitzen. Fällt ein Feiertag auf ein Wochenende, wird dieser zu Beginn der Woche durch einen arbeitsfreien Tag zelebriert. Eine sympathische Regelung. Sie findet ihre Steigerung beim Heiratstermin eines königlichen Sprosses. Die Engländer bekommen auch an diesem Tag arbeitsfrei. Dieser sinnvolle Brauch ist es letztendlich, der den Hochzeitstermin bestimmte: Vier Tage Zeit zum Müßiggang für den gemeinen Engländer, bestimmt von Krone und Regierung.

Ganz anders Deutschland, das immer noch nach dem fragwürdigen Ideal des Exportweltmeisters strebt. Der wirtschaftspolitische Zuchtmeister Europas, dessen regierende Politiker immer noch meinen, auf einen Mindestlohn verzichten zu können, hat es nicht so mit den Feiertagen. Immer wieder werden diese als Störquelle des wirtschaftlichen Fortschritts identifiziert.

2004 fordert der damalige Finanzminister Hans Eichel (SPD) die Abschaffung des 3. Oktober als Feiertag. Stattdessen sollte dieser immer am ersten Sonntag des Monats begangen werden. Kanzler Schröder und sein "Superminister" Clement (alle von der selben Partei) unterstützten diesen Vorschlag. Der Arbeits- und Wirtschaftsminister behauptete, diese Maßnahme bringe dem Staat (sic!) eine Mehreinnahme von zwei Milliarden Euro. Schröder flankierte, die Deutschen müssten zur Wahrung des Wohlstandes bereit sein, ein bisschen mehr arbeiten.

Schon im Jahr zuvor hatte Clement auf diesem Gebiet im Sinne der Unternehmerverbände provoziert. Er rechnete vor, dass im europäischen Vergleich die Deutschen mit der Anzahl ihrer Feiertage zu verwöhnt seien: "Wer unseren Feiertagskalender mit dem anderer Staaten vergleicht, der kann auch ins Grübeln kommen. Wir sind, was Urlaubszeit, Feiertage und Arbeitszeit angeht, zweifelsohne an der Grenze angelangt." Das Ifo-Institut von Prof. Dr. Sinn stand Clement in einer konzertierten Aktion bei und berechnete umgehend, dass die Streichung eines Feiertags der Wirtschaft jährlich 3,5 Milliarden Euro einbringen würde.

Nein, so verrechnet die englische Regierung nicht. Hätte sie Kate und William zu deren Heirat diese deutsche Art, Gesellschaft zu gestalten erzieherisch vorgehalten, wäre jeder britische Gentleman und jede britische Lady entsetzt gewesen.

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Geschrieben von

Achtermann

Ich lass' mich belehren. Jedoch: Oft wehre ich mich dagegen.

Achtermann

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