Wieder mal eine Biographie gefälscht!

Petra Hinz (SPD) Dem beruflichen Lebensweg, der krumm gewesen sein mag, eine aufsteigende Kontinuität überzustülpen, wie dies Petra Hinz (SPD) getan hat, ist Notwehr oder karrieregeil

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Wenn jemand in Deutschland eine Firma an die Wand gefahren hat, rümpft man über ihn die Nase. Wenn in den USA jemand mit einem Startup scheitert, spricht man ihm Erfahrung zu. Wer in dieser Republik nicht die geforderten formalen Voraussetzungen für den Berufseinstieg aufweisen kann, hat oft keine oder nur geringere Chancen. Viel seltener als in den Vereinigten Staaten finden sich in diesem Land Quereinsteiger oder Anfänger, die formale Hürden überspringen können.

Wahrscheinlich ist, dass diese Überlegungen bei Petra Hinz, die über die SPD in den Bundestag wollte, eine wesentliche Rolle spielten, als sie ein bestandenes Abitur und ein Jura-Studium mit erstem und zweitem Staatsexamen in ihren Lebenslauf einfügte. Sie hoffte wohl, in den SPD-Orts- und Kreisverbänden die Chance zu erhöhen, als Kandidatin für den Bundestag nominiert zu werden. Vermutlich wollte sie es nicht darauf ankommen lassen, mit einem Abschluss der 12. Klasse und ohne weitere berufliche Ausbildung bei den Genossinnen und Genossen in den Kandidatenring zu steigen. Früher, in den Anfängen der Sozialdemokratie, wäre es wohl eine Auszeichnung gewesen, jemanden, der keine Berufskarriere vorzuweisen hat, in der Fraktion zu haben. Auch die Grünen waren in ihren Anfängen großzügig. Die berufliche Vorbildung war nicht so bedeutend. Wichtiger waren die persönliche Präsenz und das Beharrungsvermögen in politischen Fragen.

Heute dominieren die Juristen das Parlament. Juristen und Politik, sagt man, passten bestens zusammen. Deshalb ist die Aussage von Frau Hinz, die sie über ihre Advokaten verbreiten ließ, nicht glaubwürdig: "In der Rückschau vermag Frau Hinz nicht zu erkennen, welche Gründe sie seinerzeit veranlasst haben, mit der falschen Angabe über ihren Schulabschluss den Grundstein zu legen für weitere unzutreffende Behauptungen über ihre juristische Ausbildung und Tätigkeit." Zumindest jetzt, nachdem das Desaster eingetreten ist, hätte sie alle Beweggründe auf den Tisch legen können, statt die Unwissende zu geben, die sich heute nicht mehr erinnern könne, weshalb sie falsche Angaben gemacht hat und damit bis in die Gegenwart lebte.

Jetzt ist auch plausibler nachzuvollziehen, dass die Staatsanwaltschaft 2009 wegen Steuerhinterziehung aktiv wurde. Seit 2003 hatte Frau Hinz keine ordentliche Steuererklärung abgegeben. Die Vermutung liegt nahe, dass ihre Angabe, sie würde als freiberufliche Juristin arbeiten, vom Finanzamt nicht verifizierbar gewesen wäre. Schließlich wurde sie zu einer Vergleichszahlung verurteilt. Auch zu diesen Vorgängen gab sie sich ratlos und unschuldig: "Ich kann mir keinen Reim darauf machen und bin überzeugt, mir nichts vorwerfen zu müssen." Gerade wer im Finanz- und Haushaltsausschuss sitzt, hat Ahnung davon, wie eine Steuererklärung auszufüllen ist. Sie verdrängte das Problem, schob es weg, legte es in die unterste Schublade.

Die Reihe der persönlichen Verfehlungen ist damit noch nicht zu Ende. Die Büro-Mitarbeiter/innen werfen ihr Mobbing übelster Art vor. Insgesamt mehr als 50 von ihnen hätten in der Ära Hinz gekündigt oder seien entlassen worden. Dass sie bei diesem biographischen Hintergrund, den alltäglichen Widerspruch mit sich herumtragend, keine ausgeglichene Persönlichkeit sein kann, dürfte nicht von der Hand zu weisen sein. Wir hören und lesen immer wieder: Die Parlamentarier repräsentierten das Volk. Deshalb finden wir uns in Frau Hinz wieder. Nicht alle, aber auch nicht niemand.

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Geschrieben von

Achtermann

Ich lass' mich belehren. Jedoch: Oft wehre ich mich dagegen.

Achtermann

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