„Junge, du hast abgenommen – das geht nicht, iss noch was, hier, noch eine Tüte Chips, nicht dass die Nachbarn uns anzeigen!“
Albern, nicht wahr?
Oder vielleicht doch nicht?
Herr Schünemann, seit mehr als neun Jahren Innenminister Niedersachsens, hat seine Beamten eine Liste von Merkmalen zusammenstellen lassen, an denen sich feststellen lässt, ob es sich bei einem Muslim um ein radikalisiertes Exemplar handelt:
„► zunehmend strengere Religionsauslegung;
► Ablehnung bzw. Aggressivität gegen alles „Westliche“;
► Religion wird zum Dauerthema und zur Erklärung für alles (beispielsweise ständiges Thematisieren der vermeintlichen Unterdrückung und Bedrängung der Muslime weltweit);
►Veränderung des sozialen Umfeldes; Abgrenzung von der Familie und dem bisherigen Freundeskreis; Hinwendung zu neuem, durch die Religion geprägtem Umfeld;
► der Islam wird als Lösung, die so genannte westliche Welt als Ursache aller Probleme gesehen;
► dualistische Weltsicht; Anwendung eines strikten Freund-Feind-Schemas;
► Äußerung islamistischer Parolen;
► eine ebensolche religiöse Strenge wird auch von der gesamten Gesellschaft gefordert;
► Muslime anderer Ausrichtung (z. B. Schiiten) werden als Ungläubige bezeichnet;
► sichtbare äußere Veränderungen (Kleidung, Verhalten, Gewichtsverlust durch veränderte Essgewohnheiten etc.);
► Besuch radikaler bzw. islamistischer Moscheen oder Prediger;
► Teilnahme an religiösen Seminaren mit radikalen Predigern;
► sich verfestigender Kontakt zu anderen extremistischen und radikalen Personen;
► Besuch islamistischer Internet-Seiten; Konsum von Filmen, die den gewaltsamen Jihad fördern sollen;
► zunehmende Bereitschaft zur aggressiven und gewalttätigen Durchsetzung religiöser oder religiös gefärbter politischer Forderungen gegenüber anderen (möglicherweise dadurch auch zunehmendes Interesse an Waffen);
► möglicherweise kriminelle Aktivitäten gegen Sachen und Personen mit dem Verweis auf die Minderwertigkeit der so genannten Ungläubigen
und/oder begangen mit dem Ziel, dem angeblichen Feind des Islams zu schaden;
► Durchführung von Überlebenstrainings, Kampfausbildungen oder ähnlichen paramilitärischen Aktivitäten;
► in Gesamtschau mit anderen Indikatoren häufige und/oder längere Reisen in Länder mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung; besonderer Sprachunterricht; Besuch von paramilitärischen Ausbildungslagern;
► Bemühungen, besondere Umstände der Lebensführung oder Freizeitgestaltung zu verheimlichen (z. B. vorgegebener Passverlust nach Reisen);
► intensive Beschäftigung mit dem Leben nach dem Tode oder dem Märtyrertum;
► veränderte finanzielle Situation (nicht nachvollziehbare Einkünfte oder plötzliche Verschuldung).”
Quelle: Broschüre
Und was passiert dann, wen jemand solche Merkmale aufweist? Dann, so das Ministerium, sollen Arbeitgeber, öffentliche Einrichtungen, Behörden oder Schulen „frühzeitig“ die Behörden alarmieren. Ungeachtet der Tatsache, dass fast nichts davon irgendwie strafbar ist (das fast nichts bezieht sich jetzt auf den Unterpunkt mit kriminellen Aktivitäten).
Die Konsequenzen stelle man sich bitte bildhaft vor. Was Schünemann hier tut, ist die Verbreitung eines Mißtrauensklimas, das seinesgleichen sucht. Im Gegensatz zu den unsäglichen verdachtslosen Moscheekontrollen, die er nach etlichem Ärger im Parlament aufgeben musste, kann sein Ministerium natürlich solches schreiben und verbreiten. Von Datenschutz scheint man dort aber wenig zu halten – der Datenschutzbeauftragte schüttelt eher den Kopf:
„. „Die Aufforderung an die Mitbürger, bestimmte Personengruppen zu beobachten und gegebenenfalls zu melden, wird zunehmend zu einem gesellschaftspolitischen Problem“, sagt er. In datenschutzrechtlicher Verantwortung stehe jeder, der etwas meldet, wobei vor allem Arbeitgeber sich zuvor im Bundesdatenschutzgesetz informieren müssten.
„Für Bedienstete der niedersächsischen Behörden, also Lehrer, sehe ich rechtlich keine Befugnis, Informationen über ihre Schüler weiterzuleiten.“ Bei Privatpersonen seien Meldungen dann zulässig, wenn Gefahr für Leib und Leben bestehe. „Da es sich nach der Liste lediglich um Indizien von einem Laien handelt, ist die Weitergabe von Informationen hier nicht zulässig.“
Nur wird diese Überlegung niemanden hindern, seinen Kollegen, Nachbarn, Antragsteller etc. erst mal prophylaktisch zu melden, wenn er denn die für solche Denunziation erforderliche Einstellung hat. Meiner Erfahrung nach findet sich da gerne jemand.
Integrationsfördernd ist das nicht. Aber das hat Herrn Schünemann noch nie interessiert.
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.