Umweltschutz Das Ziel des Green New Deal ist eine nachhaltige Wirtschaft. Was genau steckt hinter diesem Konzept? Reichen die Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel aus?
Die EU will die Wende in der Klimakrise mit dem European Green Deal ins Rollen bringen
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Als Ursula von der Leyen, die Präsidentin der Europäischen Kommission, im Dezember 2019 den European Green Deal vorstellt, feierte sich die EU als Vorgängerin in Fragen des Klimaschutzes. Gemeinsam wollten die Mitgliedsländer die Herausforderungen der Klimakrise annehmen und die Wirtschaft sozial verträglich umgestalten. Nötig ist es: Als Staatenbund steht die Europäische Union nur noch China und den USA im Ausstoß von Emissionen nach.
Der Ansatz, aus der Krise eine Chance für Gesellschaft und Wirtschaft zu machen, geht auf den ehemaligen Präsidenten der USA Franklin D. Roosevelt zurück. Während der Weltwirtschaftskrise der 1930er brachte Roosevelt in Form des „New Deal“ Reformen ein, die der Wirtschaft halfen, sich in
die der Wirtschaft halfen, sich in der Krise neu aufzustellen und der Bevölkerung Sicherheit zu geben. Überlegungen, der Klimakrise mit einem ähnlichen „Deal“ zu begegnen, gibt es bereits seit den 1990ern. Der Green New Deal in den USA erinnert schon im Namen an die erfolgreiche Politik Roosevelts.Auch die Bezeichnung des „European Green Deal“ lehnt sich im Namen an Roosevelt an. Ziel des europäischen Deals ist es, die EU bis 2050 zum ersten klimaneutralen Block zu machen und das, ohne das Wirtschaftswachstum zu gefährden. Im Juli 2021 bestätigte das EU-Parlament diese Ziele im Europäischen Klimagesetz.„Fit for 55“-Maßnahmen sollen CO₂-Ausstoß in Europa bis 2030 um 55 Prozent reduzierenSeit der Vorstellung des European Green Deals werden einzelne Maßnahmen und Strategien regelmäßig im Europaparlament eingebracht. Als erster Zwischenschritt wurde mit dem „Fit for 55“-Paket beschlossen, den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um 55 Prozent zu reduzieren.Um das zu erreichen, bedarf es weitgehender Transformationen. Die Kommission hat dafür insgesamt acht Bereiche ausgemacht: Klima, Umwelt, Energie, Finanzen, Verkehr, Landwirtschaft, Industrie und Forschung. Viele der Bereiche beinhalten kleinteilige Vorgaben und Maßnahmen, die beispielsweise energieeffizientes Wohnen garantieren oder den europaweiten Ausbau der erneuerbaren Energien vorantreiben sollen.Einer der größten Schritte bisher war die Einführung der EU-Taxonomie, mit der Investitionen im Sinne des European Green Deals klassifiziert werden. Dadurch sollen mehr private Gelder in nachhaltige Wirtschaftszweige geleitet und aus den fossilen Energien abgezogen werden. Entsprechend stark war die Kritik von Umweltverbänden und Klimaaktivist:innen, als fossiles Erdgas in die Liste nachhaltiger Investitionen aufgenommen wurde.Taxonomieverordnung der EU beinhaltet auch fossile EnergienDass es diese Vorgaben überhaupt braucht, liegt an dem Preisschild des Grünen Deals. Die Transformation wird von der EU mit knapp einer Billion Euro finanziert. Die Hälfte des Geldes kommt dabei von der EU selbst, weitere 240 Milliarden steuern die Mitgliedsländer bei.Um das Ziel, die Treibhausgase bis 2030 um 55 Prozent zu reduzieren, zu erreichen, braucht es Schätzungen zufolge allerdings Investitionen in Höhe von mindestens 260 Milliarden Euro pro Jahr, also mehr als das Doppelte von dem, was die EU bereit ist zu investieren. Ein Großteil dieser Investitionen muss daher aus dem privaten Sektor kommen, der sich dafür an den Taxonomie-Verordnungen orientieren kann. Deshalb ist die Aufnahme von Gas- und Atomenergie in die Taxonomie problematisch. Anstatt ausschließlich in erneuerbare Energien zu investieren, wird so Geld in fossile Energieträger geleitet.Doch nicht nur die Energieträger möchte die EU-Kommission austauschen. Um langfristig nachhaltig und umweltverträglich zu wirtschaften, strebt die Kommission die Umstellung auf eine sogenannte „Kreislaufwirtschaft“ an. Anstatt Produkte zu kaufen, zu benutzen und sie anschließend zu entsorgen, soll recyclt und repariert werden. Erste Konzepte dazu legte die Kommission bereits 2015 vor. Zu den Initiativen, die im Rahmen des European Green Deal diskutiert werden, gehört beispielsweise das „Rechts auf Reparatur“ oder der Beschluss, dass Smartphones alle über den gleichen Anschluss geladen werden müssen. Auch die Richtlinien, die Überprüfungen von „Greenwashing“ durch Unternehmen überprüfen, fallen in das Feld. Keine dieser Initiativen greift grundlegend in die europäische Marktwirtschaft ein, ein grundlegender Wandel ist deshalb nicht zu erwarten.Um die Auswirkungen der Klimakrise zu minimieren, reicht es allerdings nicht nur für die Zukunft zu planen und Schäden an der Umwelt zu verhindern. Ein nicht unwesentlicher Teil des European Green Deals beinhaltet Maßnahmen, bereits entstandene Schäden abzumildern oder umzukehren. Darunter fallen Pläne zur Aufforstung und Renaturierung natürlicher Lebensräume, aber auch Strategien, die Biodiversität zu schützen. Diese beziehen auch die Agrarwirtschaft mit ein, in der Biodiversität im Anbau, aber auch regionale und saisonale Produktion gefördert werden sollen.Die Pläne der Kommission, die Wirtschaft neu auszurichten, haben einen nicht zu unterschätzenden Effekt auf den Arbeitsmarkt. Hunderttausende Arbeitsplätze in den fossilen Energien werden in den nächsten Jahren verschwinden. Der European Green Deal soll deshalb auch sicherstellen, dass neue Arbeitsplätze in zukunftssicheren Branchen entstehen und Arbeitskräfte entsprechend umgeschult werden. Was auf dem Papier nach einem einfachen Tausch klingt, gestaltet sich durch die häufig stark unterschiedlichen Ansprüche an die Arbeitskräfte in der Realität häufig schwierig.Maßnahmen des Green New Deal sollen Wirtschaft ankurbelnDer European Green Deal wurde als Reaktion auf eine Krise entwickelt. Damit war es ein leichtes, Maßnahmen gegen neue Krisen, die Anfang der 2020er entstanden, mit aufzunehmen. Knapp ein Drittel der Finanzmittel des Wiederaufbaufonds gegen die Auswirkungen der Corona-Pandemie sind als „Green Recovery“ in den European Green Deal eingegliedert. Die Idee dahinter: Der Wiederaufbau der europäischen Wirtschaft wird gezielt in eine nachhaltige Richtung geleitet, anstatt fossile Industrien wieder aufzubauen.Auch die Maßnahmen gegen die Energiekrise, die durch den russischen Angriff auf die Ukraine ausgelöst wurde, beinhalten Anknüpfungspunkte an den Green Deal. Die fehlenden fossilen Energien sollen schneller durch Erneuerbare ersetzt werden. Indem die Lösungen der Krisen zusammen gedacht werden, können sie auch nicht gegeneinander ausgespielt werden. Mit Ausbruch der Corona-Pandemie stand genau diese Sorge im Raum, die Klimakrise könnte angesichts der akut wirkenden Folgen der Pandemie vergessen werden.Denn der European Green Deal hatte bereits vor Pandemie und Krieg das Potenzial, zu einer Zerreißprobe der Union zu werden. Die Ausgangslage der einzelnen Mitgliedsländer, was den Ausstoß von Treibhausgasen, die nationalen Energiewenden und den Zustand natürlicher Lebensräume betrifft, sind schlicht zu unterschiedlich. Besonders Polen, das mehr als alle anderen Mitgliedsstaaten in der Stromversorgung auf Kohle angewiesen ist, warnt, die vorgegebenen Ziele der Kommission nicht einhalten zu können.Um Regionen oder ganze Länder, die sich in dieser Zwickmühle befinden, unterstützen zu können, wurde ein „Mechanismus für einen fairen Übergang“ eingeführt. Länder, die bereits früh politisch auf die Klimakrise reagierten, kritisieren, dass dieser Mechanismus sich ausschließlich an Länder richtet, die stark abhängig von fossilen Energien sind, statt solche zu unterstützen, die schon länger konkrete Ausstiegspläne verfolgen.Green New Deal geht Umweltorganisationen zufolge nicht weit genugFür Umweltorganisationen enthält der European Green Deal ohnehin wenig Positives. Zum einen konnte der US-amerikanische Ölkonzern ExxonMobil Einfluss auf den ersten Entwurf des Deals nehmen. Zum anderen seien die angestrebten Ziele der Kommission nicht drastisch genug und würden wenig Auswirkungen auf die Klimakrise haben.Um im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, zu bleiben, müssten die Einsparungen von Treibhausgasen Greenpeace zufolge bis 2030 bei mindestens 65 Prozent liegen. Das sind zehn Prozent mehr, als das Ziel der EU. Auch der Erhalt des Wirtschaftswachstums als angestrebtes Ziel stehe einer nachhaltigen Transformation im Weg.Viele der angekündigten Strategien und Ideen brauchen zudem lange, um durch das Europäische Parlament zu kommen und werden dort regelmäßig abgeschwächt. Durch den immensen Widerstand von Ländern wie Polen oder Ungarn konnten juristische Schlupflöcher entstehen, die es Staaten erlauben, die Vorgaben der Kommission zu umgehen.Trotz der Kritik und Hürden werden seit 2020 immer wieder Maßnahmen des European Green Deal im Europaparlament beschlossen. Liest man sich diese jedoch durch, scheint es dem Konzept an Durchsetzungswillen zu fehlen. Das Wort, das am häufigsten ins Auge springt, ist „fördern“. Es ist also weniger ein Deal mit einem konkreten Plan, als vielmehr ein Angebot an die Wirtschaft, sich für nachhaltige Alternativen zu entscheiden.
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