40 Jahre Nelkenrevolution - ein Rückblick

Nelkenrevolution Am 25. April befreite die Bewegung der Streitkräfte Portugal von einer konservativ-autoritären Diktatur. 40 Jahre später scheint die Revolution wieder aufzublühen

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Aktivistinnen in Lissabon haben sich am Jahrestag der Nelkenrevolution das Symbol auf die Wange gemalt (2012)
Aktivistinnen in Lissabon haben sich am Jahrestag der Nelkenrevolution das Symbol auf die Wange gemalt (2012)

Foto: PATRICIA DE MELO MOREIRA/ AFP/ Getty Images

Es war genau 0:30 Uhr als im Radio Renascença das Lied Grândola, Vila Morena von José Afonso ertönte. Das Lied stand für das Ende der konservativ-autoritären Diktatur unter Salazar und Caetano. Dennoch war recht unklar in welche Richtung sich das Land entwickeln sollte. Die erste Regierung bestehend aus der linksgerichteten MFA und der kommunistischen Partei PCP verabschiedete eine Verfassung mit sozialistischen Grundelementen. Sie beinhaltete zum Beispiel die Verstaatlichung vieler Unternehmen. Dennoch hielt diese sozialistische Regierung nicht lang, da das Land mit einer Wirtschaftskrise konfrontiert wurde, die keinen Spielraum für eine sozialistische Wirtschaftspolitik ließ. Denn die Reichen, die in der Diktatur profitiert hatten, verschwanden aus dem Land, da sie ihr Vermögen sich nicht enteignen lassen wollten. Zudem brauchte. Portugal dringend Kredite, die aber die GeldgeberInnen einer Regierung mit kommunistischer Leitung nicht gewähren wollten.

Die Bevölkerung hatte Angst vor der Instabilität und der Wiederkehr zu einer autoritären Diktatur. Somit kam es bei den Parlamentswahlen 1976 zu Mehrheiten der Sozialdemokratischen Partei PS und den konservativen Parteien PSD und CDS-PP. Der erste frei gewählte Ministerpräsident Mario Soares, dachte nicht daran die derzeitigen Kräfteverhältnisse zu erschüttern und hat sich somit der NATO angeschlossen. Frieden und Stabilität hatten in dem Fall höchste Priorität. Zudem war er der Meinung das es möglich sei einen demokratischen Sozialismus aufzubauen, da es der USA nur wichtig wäre, das Portugal nicht unter dem Einfluss der Sowjetunion steht. Paradox war jedoch, das Portugal nur Kredite gewährt wurden, wenn sie nach neoliberaler Wirtschaftspolitik handeln. Man erhoffte sich eine gewisse Stabilisierung durch diese Maßnahmen, um dann später die Richtung des Sozialismus einschlagen zu können.

Die Entwicklung kam aber ganz anders, denn die kapitalistischen Wirtschaftsmaßnahmen, haben sich als erfolgreich bewiesen. Besonders in den 80er und 90er Jahren kam es zu hohem Wirtschaftswachstum und zu einem steigendem Wohlstand in der Bevölkerung. Die zu der Zeit agierenden Regierungen (Ein ständiger Wechsel zwischen PS, PSD und CDS-PP) entschieden sich aus Portugal ein Billiglohnland zu machen, das stark vom Export abhängig ist und somit für ausländische Investoren attraktiv war. Zudem wurden große Teile der Unternehmen wieder privatisiert. Neben der neoliberalen Wirtschaftspolitik kam es nebenbei noch zur Annullierung sozialistischer Gesellschaftsvorstellungen die in der Verfassung verankert war.

Dennoch gab es zu der Zeit kaum politische Protestbewegungen, da der wachsende Wohlstand und die politische Stabilität keinen Grund zum Protest gab. Diese wirtschaftspolitische Ausrichtung hat sich in den letzten Jahren stark gerächt. Die EU-Osterweiterung und somit der Abgang der ausländischen Investoren, haben Portugal in eine starke Wirtschaftskrise gebracht. Zudem hat die Einführung des Euros dazu geführt das Portugal nicht in der Lage ist, es durch die Schwächung der nationalen Währung zu kompensieren.

Gebeutelt von einer hohen Arbeitslosigkeit und den härtesten Sparmaßnahmen seit 45 Jahren herrscht Unmut in der Bevölkerung. Die Proteste richten sich hauptsächlich gegen die Austeritätspolitik der Troika. Zudem herrscht der Wunsch nach einer Regierung, die im Interesse der Bevölkerung handelt. Besonders die stark Betroffene junge Bevölkerung beteiligt sich an den politische Protestbewegungen. Aber auch das unbekannte Netzwerk „Que Se Lixe a Troika! Queremos as Nossas Vidas!“ schafft hunderttausende auf die Straße zu bewegen. Auch zum Jubiläum der Nelkenrevolution werden die Menschen von der Opposition und den Netzwerken aufgerufen auf die Straßen zu gehen und an Kundgebungen teilzunehmen.

Obwohl ein Hauch von Nelkenrevolution zu spüren ist, steckt sie noch in den Kinderschuhen. Es fehlt an starken Netzwerken, die längerfristig sich gegen den Kampf der neoliberalen Politik organisieren. Daher haben die Demonstrationen bisher keinen starken politischen Charakter und dienen eher dazu um den Frust abzulassen. Auch das Wahlverhalten der Portugiesen führt dazu, das es keine große linke Opposition existiert. Bei den letzten Parlamentswahlen kamen die Kommunisten und der Linksblock gemeinsam auf nur ca. 13%.

Dennoch ist es allgemein schwer vorhersehbar ob neue soziale Bewegungen entstehen und wie nachhaltig sie sind. Die Unzufriedenheit gegenüber den andauernden Sparmaßnahmen ist zum größten Teil in der Bevölkerung vorhanden. Somit kann jede weitere Reform zu Ungunsten der Bevölkerung, der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt.

Exkurs: Für einen genaueren Einblick in die Entwicklung und derzeitigen Ereignisse in Portugal empfiehlt sich das Buch von Ismail Küpeli "Nelkenrevolution reloaded? Krise und soziale Kämpfe in Portugal".

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