Björn Höcke (AfD) argumentiert völkisch

AfD-Streit Der Streit in der AfD zwischen der neoliberalen und nationalkonservativen Strömung eskaliert. Der neue Sprecher der Nationalkonservativen ist ein völkischer Nationalist.

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Man mag Hans-Olaf Henkel viel unterstellen, aber dumm ist er nicht. So trifft die Kennzeichnung "völkisches Gedankengut" für die Ideologie seines nicht namentlich genannten Kontrahenten Björn Höckes sehr genau.

Die Nationalkonservativen in der AfD haben mit der Erfurter Resolution den Neoliberalen den Kampf angesagt. Diese reagierten prompt mit der Deuschland Resolution. Diese Streitigkeiten folgen aus unterschiedlichen Klasseninteressen.

Neoliberale versus Nationalkonservative

Die Neoliberalen vertreten das nicht-monopolitische Kapital, organisiert in den Verbänden der Familienunternehmen und in neoliberalen Think Tanks. Die ProtagonistInnen dieser Strömung sind die EU-Abgeordneten Starbatty, Kölmel, Trebesius, Henkel und Lucke.

Auf der anderen Seite finden sich die Nationalkonservativen, die kleinbürgerliche Interessen vertreten. Hier ging es zunächst um die Frage, mit wem im EU-Parlament zusammengearbeitet wird. Dann spielten die Russland-Sanktionen eine wichtige Rolle. Schließlich wurde PEGIDA zum Zankapfel. Bis vor kurzem wurde diese Gruppe vertreten durch die Fünferbande Adam, Gauland, Petry, Pretzell und von Storch.

Erfurter Resolution: eine Kriegserklärung

Seit dem letzten Wochenende hat sich der Streit verschärft. Während des Thüringer Parteitages der AfD überraschte deren Landeschef Björn Höcke mit einer Kriegserklärung. Zusammen mit dem Landeschef der AfD aus Sachsen-Anhalt, André Poggenburg, gründete er die nationalkonservative Sammlungsbewegung Der Flügel mit der Erklärung Erfurter Resolution. Dieser Sammlungsbewegung schloss sich umgehend Alexander Gauland an. Die Patriotische Plattform in der AfD begrüßte die Intitiative und stellte sich demonstrativ hinter Höcke.

Höcke vertritt nicht einfach nur Positonen der Neuen Rechten. Diese Neue Rechte ist seit ein paar Jahren gespalten. Der realpolitische Flügel um Dieter Stein als Herausgeber des extrem rechten Wochenblatt Jungen Freiheit hat von Beginn an die AfD mit aufgebaut. Der metapolitische bzw. fundamentalistische Flügel um Götz Kubitschek und seinem extrem rechten Magazin Sezession stand der AfD bislang sehr skeptisch gegenüber.

Man kann diese drei Strömungen auch an PEGIDA deutlich machen: Die Neoliberalen in der AfD waren von Anfang an auf Distanz gegenüber PEGIDA. Die realpolitischen Nationalkonservativen hatten PEGIDA unterstützt, bis es zur Spaltung in PEGIDA kam zwischen Oertel und Bachmann. Sie unterstützten die eher gemäßigte Oertel und gingen auf Bachmann wegen seiner deutlich rassistischen Sprüch auf Distanz. Götz Kubitschek hingen wurde erst mit der Radikalisiserung von PEGIDA zu deren zentralem Redner.

Björn Höckes unbekannte Geschichte

Björn Höcke gehört nicht zum realpolitischen Flügel der Nationalkonservativen, sondern er versteht die AfD als Erneuerungsbewegung. Deutschland müsse erst noch durch ein tiefes Tal gehen, um zum Eigenen zu finden und die siebzigjährige Neurose hinter sich zu lassen. In der Woche, als Kubitschek eine völkisch-geschichtsrevisionistische PEGIDA-Rede hielt, begleitet von "Deutschland! Deutschland!"-Rufen, provozierte Höcke mit einer die Shoa verharmlosenden Kranzniederlegung in Buchenwald.

Björn Höcke ist Gymnasiallehrer. Daher ist er noch deutlicher angehalten, die Verfassung sehr ernst zu nehmen. Er könnte sich leicht Ärger einhandeln, wenn er als Geschichtslehrer geschichtsrevisionistische und völkische Positionen vertritt. Dies mag der wesentliche Grund sein, warum man von Höckes politischer Vergangenheit nur wenige Spuren und Hinweise findet. Mal eine Buchrezension eines Björn Hocke [!], mal einen Leserbrief in der Jungen Freiheit, andere Hinweise sind noch dünner. Wären da nicht die auffallenden Übereinstimmungen mit dem NPD-Schreiber "Landolf Ladig", könnte man Höcke tatsächlich sein selbstgebasteltes Image des aus verantwortungsvollen Leidensdruck in die Politik gedrängten Bürgers glauben.

Inzwischen wurde bei Facebook eine Website eingrichtet, die fordert, dass Henkel die AfD zu verlassen habe. Der Fraktion um Henkel würde ich raten, sich den "Landolf Ladig" und die Kontakte von Höcke zu NPDlern einmal genauer anzuschauen. Völkische Positionen zu vertreten mag in der AfD kein Grund sein, einen Parteimitglied rauszuwerfen, mit NPDlern zusammengearbeitet zu haben, indessen schon. Falls Henkel Höcke loswerden will, dann sollte er sich beeilen, denn Höcke wird zunehmend zum Gegenspieler von Lucke aufgebaut. Ein späterer Rauswurf würde die AfD zerreißen. Mir solls Recht sein.

Nachtrag

Die Fraktion der AfD im sächsischen Parlament begrüßt inzwischen wieder die inzwischen deutlich extremer auftretenden Pegida-Demonstrationen. In einer "grundsätzlichen Positionierung" stellen sie fest:

Diese Versammlungen sind wichtig und unverzichtbar für dringend benötigte politische Veränderungen in unserem Heimatland Sachsen und ganz Deutschland. Die "Pegida"-Versammlungen sind Ausdruck des Volkswillens. Die von "Pegida" aufgegriffenen Forderungen befinden sich seit Gründung der AfD in ihren Programmen und werden bereits von der AfD-Landtagsfraktion thematisiert.

Höcke wagte einmal die Formulierung "Volksempfinden, welches auf gesunden Menschenverstand" beruht. Mit ein bißchen mehr "Mut zur Wahrheit" und gegen den "Mehltau" des "PC-Totalitarismus" sind wir dann bald wieder beim "gesunden Volksempfinden".

Nachtrag 19.03.

Auch der Thüringische Landesparteitag der AfD hat eine Solidaritätserklärung des Konservativen Freundeskreises für PEGIDA verabschiedet, obwohl Björn Höcke zuvor an PEGIDA kritisierte, dass diese nur auf die christlich-jüdischen und nicht auf die germanischen Wurzeln des Abendlandes eingingen.

Nachtrag II 19.03.

Alexander Gauland tritt bei der „Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft e. V.“ auf, die für ihre geschichtsrevisionistischen Positionen bekannt ist und zur Neuen Rechten gezählt wird. Interessanterweise soll Jörn Kruse, der neoliberale Vorsitzende der AfD Hamburg, dem zugestimmt haben.

Nachtrag 20.03.2015

“Landolf Ladigs” Artikel über Bornhagen und die “organische Marktwirtschaft” befindet sich in der “Eichsfeld-Stimme” Nr. 8. In der darauffolgenden “Eichsfeld-Stimme” schreibt der Herausgeber Thorsten Heise, laut Wikipedia “militanter Neonazi und Mitglied im Bundesvorstand der NPD, im Editorial:

“Man versucht Deutschland aufzulösen wie ein Stück Schmierseife unter einem heißen Wasserstrahl. […] Das Werte-, Sitten- und Normengefüge wird vernichtet, die Bildung demontiert, die Wirtschaftskraft internationalisiert, unsere deutsche Art multikulturalisiert und minimiert. Die Familie ist die Grundzelle unseres Volkes und somit unsere Zukunft! Was bei den etablierten Parteien als demografischer Wandel schön geredet wird, nennen wir beim Namen.” (Heise: Eichsfeld-Stimme Nr. 9 2012/2013)

Björn Höcke kritisierte die Neujahrsansprache von Frau Merkel mit dem Satz:

„Die Altparteien lösen Deutschland auf, wie ein Stück Seife unter einem Strahl lauwarmen Wassers.”

Und in einem Interview im September 2014:

“Die Altparteien sprechen immer beschwichtigend von einem ‘demographischen Wandel’, den man begleiten müsse. Mit Verlaub, das ist dümmliches Geschwätz. […] Wir wollen den Egoismus überwinden und wieder ein gemeinschaftsorientiertes Werte-, Sitten- und Normengefüge leben. Die Keimzelle der Gemeinschaft ist die Familie.”

Die Formel “Werte-. Sitten- und Normengefüge” von Thorsten Heise ist laut Google sonst nur noch bei Höcke zu finden – und im Grundsatzprogramm der AfD Nordhausen/ Eichsfeld/ Mühlhausen:

“Immigranten haben sich dem Werte-, Sitten- und Normengefüge unseres Landes anzupassen. Rechtskräftig verurteilte ausländische Straftäter müssen unser Land verlassen. Die von den Altparteien bewußt herbeigeführte oder zumindest geduldete Multikulturalisierung zieht Deutschland in weltweite Konflikte hinein und gefährdet die staatliche Einheit. Wir setzten uns dagegen für die kulturelle und ethnische Kontinuität unseres Volkes und aller Völker weltweit ein.”

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Andreas Kemper

Ich arbeite als Soziologe kritisch zu Klassismus, Organisiertem Antifeminismus und die AfD

Andreas Kemper

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