Zur Demokratiefeindlichkeit der AfD

Rechtspopulismus Mit Konrad Adam und Roland Vaubel gehören zwei Antidemokraten zur intellektuellen Spitze der AfD. Sie stellten das Wahlrecht von Arbeitslosen und Rentnern in Frage.

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Die Alternative für Deutschland tritt als neue Partei an, die sich demokratisch gibt. Tatsächlich gehören aber zur Führungsriege Journalisten wie Konrad Adam und Wirtschaftsprofessoren wie Roland Vaubel, die das Wahlrecht der sogenannten Unterschicht in Frage stellten.

Vor diesem Hintergrund lässt sich auch deren Euro-Debatte der Alternative für Deutschland neu lesen. Der Klassismus in der Demokratiefrage scheint sich ethnozentrisch in der Europa-Politik abzubilden.

Adam und Vaubel geht es darum, die Mächtigen vor der Demokratie zu schützen.

"Das Übergewicht der Passiven lähmt"

Konrad Adam wurde am Gründungsparteitag im April zusammen mit Bernd Lucke und Frauke Petry zum Vorstand der neuen rechten Partei Alternative für Deutschland gewählt. Er gibt sich dabei als Verteidiger des Grundgesetzes und der Demokratie. 2006 jedoch hatte er in einer Kolumne einen Vorschlag von André Lichtschlag, Herausgeber des marktlibertären Magazins eigentümlich frei, begrüßt, in dem er die Einschränkung des Wahlrechts zur Diskussion stellte.

Lichtschlag griff unter dem Titel Entzieht den Nettostaatsprofiteuren das Wahlrecht! einen Vorschlag August von Hayeks auf:

"Wählen dürfen demnach in Zukunft nur noch die Nettosteuerzahler, also Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der privaten Wirtschaft. Ein solcher Wahlrechtsentzug für die Unproduktiven wurde bereits in den 70er-Jahren von Wirtschaftsnobelpreisträger Friedrich August von Hayek angedacht und kürzlich von Ökonomieprofessor Hans-Hermann Hoppe aus Las Vegas präzisiert."

Lichtschlag gehört zu denen, die die Entstehung der AfD kritisch-wohlwollend begleiten. So begrüßt er in einem aktuellen Artikel zur AfD, dass die "Unproduktiven", die "Nettostaatsprofiteure", denen er das Wahlrecht entziehen will, kaum in der neuen Partei zu finden seien:

Nur wenige der Kandidaten waren zuvor parteipolitisch aktiv. Beamte und andere Nettostaatsprofiteure sind, anders als bei den heutigen Bundestagsparteien, kaum darunter. Es dominiert der gebeutelte Mittelstand. Viele haben lange ihre zunehmende Wut aufgestaut – und jetzt: „Die Zeit ist reif!“, wie es der Partei-Mitgründer und Journalist Konrad Adam in schon heute beinahe legendären Worten bei der Auftaktveranstaltung in Oberursel in den vollbesetzten Saal rief.

Man kennt sich. Konrad Adam hatte Lichtschlag 2006 in der WELT beigepflichtet und versuchte sich an eine historische Begründung dafür, der sogenannten "Unterschicht" das Wahlrecht zu entziehen. In seinem Beitrag Wer soll wählen? hieß es:

"Nur der Besitz schien eine Garantie dafür zu bieten, dass man vom Wahlrecht verantwortlich Gebrauch machte. Erst später, mit dem Aufkommen der industriellen Revolution und seiner hässlichsten Folge, der Massenarbeitslosigkeit, ist die Fähigkeit, aus eigenem Vermögen für sich und die Seinen zu sorgen, als Voraussetzung für das Wahlrecht entfallen. Ob das ein Fortschritt war, kann man mit Blick auf die Schwierigkeiten, die der deutschen Politik aus ihrer Unfähigkeit erwachsen sind, sich aus der Fixierung auf unproduktive Haushaltstitel wie Rente, Pflege, Schuldendienst und Arbeitslosigkeit zu befreien, mit einigem Recht bezweifeln. Das Übergewicht der Passiven lähmt auf die Dauer auch die Aktiven und zerstört den Willen zur Zukunft"

"Leistungseliten vor der Tyrannei der Mehrheit schützen"

Konrad Adam steht mit seiner Idee, den sogenannten "unteren Schichten" das Wahlrecht abzuerkennen, nicht allein. Auch der zum wissenschaftlichen Beirat der AfD gehörende Volkswirtschaftsprofessor Roland Vaubel stellte Überlegungen in diese Richtung an. In seinem Beitrag Der Schutz der Leistungseliten in der Demokratie diskutierte er, wie die sogenannten "Leistungseliten" "vor der Tyrannei der Mehrheit geschützt werden können". Er wurde fündig in "Solons Verfassung":

"Solons Verfassung unterschied zwischen dem aktiven und dem passiven Wahlrecht. Zwar waren alle vier Klassen von Wahlbürgern [...] in der Volksversammlung gleichermaßen stimmberechtigt, aber Mitglieder der untersten Klasse durften nicht für politische Ämter kandidieren."

Zur Umsetzung dieses Vorschlags verwies er darauf, dass unser Grundgesetz angeblich schon die Einschränkung des passiven Wahlrechtes zulasse:

"Wussten Sie, dass auch unser Grundgesetz – Art. 137, Abs. 1 – Beschränkungen des passiven Wahlrechts (für Angehörige des öffentlichen Dienstes!) zulassen würde?"

Vaubel geht mehrere Möglichkeiten durch, wie die "Leistungseliten vor der Tyrannei der Mehrheit" geschützt werden könnten. Er überlegt auch, den "Bereich des progressiven Einkommenssteuertarifs" zur Grundlage für Wahlberechtigung zu machen, schränkt dann jedoch ein: "Aber diese Regelung wäre recht unscharf und eher einer direkten Demokratie angemessen." Dies lässt das Eintreten der AfD für bestimmte Formen der Direkten Demokratie in ein ganz neues Licht erscheinen.

Redlining

Vor dem Hintergrund dieser Argumentationen lässt sich die EU-Politik der AfD interpretieren. Es gibt eine Parallele zwischen der Verachtung dieser sich als "Leistungelite" wähnende Gruppe gegen die sogenannte "Unterschicht" mit deren Verachtung gegenüber den südlichen EU-Ländern, den "Tunichtguten und Mogelpetern" (Arnulf Baring). So wie Hans-Olaf Henkel als Berater der Bank of America das rassistische Redlining vorschlug, wonach Bewohner_innen armer Stadtviertel generell keine Kredite mehr erhalten sollten, so zieht er auch eine rote Linie quer durch Europa. Die "Leistungseliten" müssen vor dem Pöbel geschützt werden. Die passende bevölkerungsbiologische Ideologie liefert Sarrazin.

Sarrazin ist auch der geheime Ideologe für den im Wahlprogramm stehenden Passus:

Wir setzen uns dafür ein, dass auch unkonventionelle Meinungen im öffentlichen Diskurs ergebnisoffen diskutiert werden, solange die Meinungen nicht gegen die Werte des Grundgesetzes verstoßen.

Ursprünglich war hier von Political Correctness die Rede, gegen die man sich verwahre. Sarrazin hatte hierzu passend letzte Woche "13 Punkte zur Political Correctness" veröffentlicht. PC könne man zum Beispiel daran erkennen, wenn man "Rassenunterschiede" nur auf äußerliche Unterschiede beschränken möchte. Ich schlage der AfD einen 14. Punkt vor:

Wahlrecht-Redlining: Das Wahlrecht der Unterschicht muss im öffentlichen Diskurs ergebnisoffen diskutiert werden.

4.9.2013 Rückschau - ein Vierteljahr später

Als ich diesen Artikel verfasste, hatte die AfD gerade erst ihren Gründungsparteitag hinter sich. Wo steht die AfD viereinhalb Monate später? Noch einmal zur Demokratiefeindlichkeit der AfD

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Geschrieben von

Andreas Kemper

Ich arbeite als Soziologe kritisch zu Klassismus, Organisiertem Antifeminismus und die AfD

Andreas Kemper

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