Kremelgegner Nawalny beklagt Repression

RUSSLAND Der Oppositionspolitiker Alexej Nawalny hat die russische Regierung vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte scharf kritisiert.

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Zur Anhörung im Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg erschien der prominente Kreml-Kritiker Alexej Nawalny am Mittwoch höchstpersönlich und klagte über die "systematische Verfolgung" Oppositioneller durch die russischen Behörden.

Die Justiz verfolge ihn aus "rein politischen Motiven", versicherte Nawalny dem Richter. Seine Rechte seien durch eine Serie von Festnahmen und stundenlange Verhöre verletzt worden. Allein im vergangenen Jahr habe er zwei Monate in Untersuchungshaft verbracht. "Jedes Mal, wenn ich eine Protestkundgebung angekündigt habe, haben die Behörden sie zunächst unrechtmässig verboten und dann mich und meine Kollegen dafür festgenommen, dass wir unser Recht auf Versammlungsfreiheit ausgeübt haben", sagte der 41 Jahre alte Oppositionelle am Mittwoch im Menschengerichtshof. Die Wahrscheinlichkeit, dass es dabei keine politischen Motive gebe, sei so niedrig wie die Wahrscheinlichkeit, einen Dinosaurier vor dem Gerichtsgebäude zu treffen. Auch sei er von der anstehenden Präsidentenwahl ausgeschlossen worden – aufgrund einer Verurteilung, die der Straßburger Gerichtshof als unfair bezeichnet habe.

Bei der Anhörung geht es um Beschwerden des Oppositionspolitikers über sieben Festnahmen durch die russische Polizei während Demonstrationen in den Jahren von 2012 bis 2014. Im vergangenen Februar hatte ihm eine kleine Kammer des Straßburger Gerichts teilweise Recht gegeben. Die Richter rügten die Festnahmen und die anschließenden stundenlangen Verhöre als „unverhältnismäßig“. Die sieben Richter der kleinen Kammer sahen das Vorgehen der russischen Behörden aber nicht als politisch motiviert an. Woraufhin Nawalny gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung eingelegt. Der Gerichtshof verwies den Fall daraufhin an die 17 Richter der Großen Kammer. Deren Entscheidung wird erst in mehreren Monaten erwartet - also nach der russischen Präsidentschaftswahl am 18. März.

Der Rechtsvertreter der russischen Regierung, Mikhail Galperin, wies die Vorwürfe zurück. Wie überall in Europa müssten Demonstrationen auch in Russland angemeldet und genehmigt werden. Die sei bei den fraglichen Kundgebungen nicht der Fall gewesen. Manchmal hätten sich hunderte von Demonstranten versammelt und Straßen blockiert, was zu Verkehrsbehinderungen geführt habe. Auch seien Passanten belästigt und von Kameraleuten "angerempelt" worden. Es sei Aufgabe des Staates, die öffentliche Ordnung aufrechtzuhalten und gegen Verkehrsbehinderungen vorzugehen, sagte Galperin weiter. Nawalny habe sich vorsätzlich so verhalten, dass er seine Festnahmen provoziert habe.

Nawalny wirbt unverdrossen für Wählerstreik

Am Montag hatte Nawalny einen Rückschlag hinnehmen müssen: ein russisches Gericht ordnete die Schließung seiner Stiftung an und stoppte damit faktisch auch dessen Wahlkampffinanzierung. Das zuständige Bezirksgericht in Moskau habe ein entsprechendes Urteil nach einer Aufforderung durch das Justizministerium gefällt, sagte eine Sprecherin. Grund für die Schließung der Stiftung sollen demnach verschiedene Unregelmäßigkeiten gewesen sein. Indem die Stiftung namens Fünfte Jahreszeit Nawalnys Kampagnen mitfinanziere, habe sie gegen die eigene Satzung und somit gegen das Gesetz verstoßen, urteilte der Richter. Zudem habe die Organisation eine falsche Adresse für ihre Büroräume angegeben.

Ein Sprecher von Nawalnys Wahlkampfteam, Ruslan Schaweddinow, sagte der Nachrichtenagentur AFP, man werde das Urteil auf jeden Fall anfechten. Nawalny hat wiederholt zum Boykott der Wahl aufgerufen. Zudem plant er weitere landesweite Demonstrationen am 28. Januar. Der Kreml-Kiritiker hat bereits mehrmals Proteste organisiert, bei denen Hunderte Menschen festgenommen wurden. "Wir gehen auf die Straße und zeigen, dass wir keine Wahl ohne Auswahl brauchen", teilte der Oppositionspolitiker mit.

Die zentrale Wahlkomission hat Nawalny von der Präsidentschaftswahl im März 2018 wegen seiner Verurteilung zu einer umstrittenen Bewährungsstrafe wegen einem mutmaßlichen Betrugsfall ausgeschlossen. Der Oppositionspolitiker sowie Kritiker im In- und Ausland halten die Verurteilung für politisch motiviert. Für viele galt er als einzige wirkliche Alternative zu Präsident Wladimir Putin.

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Geschrieben von

Andreas Rossbach

Als freier Journalist schreibe ich aus Russland für russische und deutsche Medien über Politik, Kultur & andere Dinge, die mich interessieren.

Andreas Rossbach

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