„La clemenza di Tito“ beeindruckt als kleines Juwel am Theater Koblenz

Weltoperntag / World Opera Day Markus Dietze inszeniert Mozarts letzte Oper spannend als gegenwärtiges Macht- und Ränkespiel. Bereichert wird der Abend durch Einbezug einer Neukomposition von Manfred Trojahn und begnadete Solisten. Musikalische Leitung hat Marcus Merkel.

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1778 wurde das heutige Theaterhaus in Koblenz mit Mozarts Die Entführung aus dem Serail eröffnet, sein damals zu Lebzeiten meistgespieltes Singspiel. Nun zeigt Koblenz La Clemenza di Tito, Mozarts wohl politischste Oper, die er kurz vor seinem Tod schrieb. Hier zeichnet Mozart klangprächtig das Bild eines guten und zurückhaltenden Regenten, der von seiner Verantwortung als Kaiser überfordert scheint, als er von alten Freunden verraten wird. In Koblenz erweitern Tonfolgen von Manfred Trojahn, der die Rezitative neu komponierte, die Vorführung.

Titus war realhistorisch einst der zweite römische Kaiser der konstantinischen Dynastie. Er lebte von 39 bis 81 und regierte von 79 bis zu seinem Tod. Er war bekannt für seine Milde und Wohltaten und hatte ein ausgesprochen gutes Verhältnis zum Senat. Kaiser Titus beherrscht in Mozarts Oper seine Emotionen und handelt abwägend. Mozarts Spätwerk ist eine Auftragsarbeit für die Krönung Leopolds II. in Prag zum König von Böhmen.

Bühnenbildnerin Dorit Lievenbrück zeigt auf der Bühne einen beweglichen Konferenztisch umgeben von Stellwänden. Von der Decke hängt ein historistisches großformatiges Monumentalgemälde von Cesare Maccari, das an die Vergangenheit des Römischen Reiches erinnert. Die Akteure tragen zeitgenössische und konventionelle Kostüme wie etwa klassische Anzüge.

Tobias Haaks mimt den Titus mit seinen bekannten kräftezehrenden Arien wie „Se all’impero“ dunkel kernig und schmetternd. Er trägt gegen Ende schicksalsergeben eine Augenbinde. Danielle Rohr gefällt als sein Getreuer Sesto mit stimmlicher Leuchtkraft. Während der emotionalen Ausbrüche ihrer innerlich zerrissenen Figur erstrahlt ihr Gesang geschmeidig. Rohr moduliert ihre Stimme während der Koloraturen voller beweglichen Furor mit langem Atmen. In der Partie der Vittelia, Gegenspielerin von Titus, überzeugt Mirella Hagen während Arien wie „Non più di fiori“ nuancenreich schimmernd. Auch die übrigen Solisten nehmen mit starken Leistungen für sich ein.

Unter der Leitung von Marcus Merkel musiziert das Staatsorchester der Rheinischen Philharmonie dramatisch straff im schnellen Tempo. Durch die von Trojahn neu komponierten Rezitative erhält die Vorführung kontrapunktisch belebende Inseln, die dem Theaterabend eine Leichtigkeit verleihen, weil plötzlich andere Instrumente hervorstechen. Zum atmosphärischen Verve tragen auch der Opernchor und choreografische Ideen bei. Es sind starke Bilder, wenn etwa eine Figur vor Titus im Rückwärtsschritt zurückweicht und Titus bedrohlich auf sie zugeht. Statisten erinnern im Mittelteil an den Sturm auf das Kapitol, etwa den Fellmützenmann. Am Ende wird eine Verräterin abgeführt, Seifenblasen sind zerplatzt, Theaterrauch hing in der Luft und einige Besucher im Publikum wurden durch Spiegel geblendet. Insgesamt also ereignisreich, sehr eindrücklich und sehenswert.

Eingebetteter Medieninhalt

LA CLEMENZA DI TITO (7.10.2023, Großes Haus)

Musikalische Leitung: Marcus Merkel
Inszenierung: Markus Dietze
Bühne: Dorit Lievenbrück
Kostüme: Bernhard Hülfenhaus
Dramaturgie: Maria Kross
Choreinstudierung: Karsten Huschke, Lorenz Höß
Licht: Michael Reif

Besetzung:

Tito Vespasiano … Tobias Haaks
Vitellia … Mirella Hagen
Servilia … Hana Lee
Sesto … Danielle Rohr
Annio … Haruna Yamazaki
Publio … Jongmin Lim
Opernchor
Statisterie
Staatsorchester Rheinische Philharmonie

Premiere war am: 7. Oktober 2023

Nächste Termine: 26.10., 5. + 9.11., 12.12.2023

Weitere Informationen siehe auch: https://theater-koblenz.de/la-clemenza-di-tito/

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Geschrieben von

Ansgar Skoda

Redakteur& Kulturkritiker u.a. bei der "TAZ" & "Kultura Extra" http://about.me/ansgar.skoda Webentwickler und Journalist

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