Mehr Frauen heißt weniger Frauen

Führungsetagen Eine US-Studie hat die These widerlegt, dass Frauen in Führungspositionen andere Geschlechtsgenossinnen mitziehen würden
Ausgabe 22/2015

Wenn erst einmal eine Frau im Management einer Firma ist, dann sinkt die Wahrscheinlichkeit um ungefähr 50 Prozent, dass dort noch eine andere Frau in eine ähnliche Position kommt. Das hat gerade eine Studie in den USA herausgefunden. Ein Ergebnis, das manch eine überraschen wird, denn es gibt im Gleichstellungsdiskurs bekanntlich die These, dass Frauen in Führungspositionen andere Geschlechtsgenossinnen mitziehen würden. Stichwort Schneeballeffekt. Das ist offenbar falsch. Die Forscher und Forscherinnen diskutieren verschiedene Gründe: Aktive Gleichstellungsbemühungen lassen nach, sobald eine Frau in der Führung sitzt. Oder männliche Platzhirsche verstärken ihren Widerstand gegen Frauen, sobald es zu viele zu werden drohen. Die früher gern vorgebrachte These, wonach erfolgreiche Frauen besonders kompetitiv wären und keine weiblichen Mitstreiterinnen neben sich duldete, hat zumindest diese Studie nicht hergegeben. Die negativen Effekte stellen sich offenbar auch dann ein, wenn Führungsfrauen aktiv versuchen, Geschlechtsgenossinnen zu fördern.

Alle diese Erklärungen aber sind nicht befriedigend. Denn sie lassen die eigentlichen Gründe für die Eine-Frau-reicht-ja-wohl-Haltung unausgesprochen. Wenn der Grund für die männliche Dominanz, wie so oft behauptet, vor allem die Tradition ist, also die Gewohnheit des Das-war-schon-immer-so, wäre in der Tat ein Schneeballeffekt zu erwarten: Man hat sich doch inzwischen daran gewöhnt, eine Bundeskanzlerin im Fernsehen zu sehen oder eine Managerin mit am Konferenztisch zu haben. Warum ist der Damm also nicht gebrochen?

Vielleicht ist die Ursache, dass Frauen noch immer nicht als andere gedacht werden, sondern als Ausnahme zur Norm. Ein schönes Beispiel dafür ist die Anfangssequenz des George-Lucas-Films THX 1138 aus dem Jahr 1971. Dort werden abwechselnd vier Personen gezeigt: ein weißer Mann, ein alter weißer Mann, ein schwarzer Mann, eine weiße Frau. Worauf die Szene anspielt: Die anderen (also die Alten, die Frauen, die Schwarzen) sind lediglich Varianten des weißen Mannes. Es gibt immer nur ein Attribut, das sich ändern darf – der weiße Mann kann also auch mal weiblich sein, oder er kann schwarz sein oder alt. Aber es gibt keine schwarzen Frauen, keine alten weißen Frauen, keine alten schwarzen Männer, von alten schwarzen Frauen ganz zu schweigen.

Die Gleichheitsidee ist mit der un-ausgesprochenen Vorstellung behaftet, dass die anderen den vermeintlich Normalen in Wirklichkeit gleichen. Frauen sind doch gar nicht anders als Männer, wird beteuert, Schwarze sind doch irgendwie genauso wie wir, nicht wahr? Dieses Phantasma lässt sich nur so lange aufrechterhalten, wie es sich um Einzelfälle handelt. Sie bereichern die symbolische Ordnung des vermeintlich Normalen mit etwas Vielfalt, heben sie aber nicht aus den Angeln. Deshalb darf es von den anderen immer nur wenige geben. Sonst bestünde die Gefahr, dass sich das Blatt wendet und das Normale nicht länger normal ist. Es würde offensichtlich, dass es nicht um Assimilation und Integration geht, sondern um Pluralität und um Differenz.

Genau das ist der Grund, warum das Gleichstellungsparadigma als feministische Strategie nichts taugt. Was jetzt ansteht, ist, dass wir offensiv die Differenz, also unser Anderssein, stark machen. Worin genau dieses Anderssein besteht, muss dabei nicht inhaltlich bestimmt werden, es wird sich von selbst zeigen. Wichtig ist aber, dass wir uns und ihnen klarmachen: Wir anderen sind keine Varianten von euch „Normalen“. Wir sind wir selbst, und wir etablieren unsere eigenen Maßstäbe.

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