Spanien wählt - Na und?!

am kommenden Sonntag erwartet. Demgegenüber sind die Spanier*innen eher im Siestamodus: abwarten und eine Cerveza trinken. Wahlprognosen in Spanien hatten nie das Gütesiegel der Treffertauglichkeit. Dennoch sind Spaltung, Polarisierung und die "Rückkehr" des Franquismus in Spanien durchaus unübersehbar und dominiert als Thema innerhalb der öffentlichen/privaten Medien sowie in politikwissenschaftlichen Debatten.

Der nie vollzogene Bruch mit dem Franquismus, der als die Transición bekannt sein dürfte, war bestenfalls ein "paktierter Übergang" vom Franquismus zum Aufbau der Demokratie auf dem Fundament der Diktatur. (Vgl. Hannes Bahrmann; Francos langer Schatten, S.176ff.)

Der Schriftsteller Molina macht die Jahre der Transición bis in die Gegenwart für viele Fehlentwicklungen verantwortlich: "Wir haben nicht verstanden, das, was uns am meisten fehlt, aufzubauen: eine demokratische Tradition." (Hannes Bahrmann a.a.O.)

Der paktierte Übergang unter dem Level Demokratie war ein politischer Waffenstillstand unter den politischen Akteuren von links bis rechts. Das Ergebnis war eine 2-Parteien-Herrschaft, bei der die von Franquisten gegründete PP und die PSOE in den folgenden Jahrzehnten abwechselten.

Auch heute sind sie Duo-Monopolisten auf dem Wahlmarkt. Aber relativ neu ist: sie brauchen zur Regierungsbildung zeitweillige Mehrheitsbeschaffer bzw. Koalitionspartnerschaften. Die PP im hemmungslosen Schmusekurs mit der - aus meiner Sicht - faschistoiden VOX und die PSOE mit dem Linksbündnis Sumar (plus weitere Stimmen von den Unabhängigkeitsbefürwortern aus Katalonien und Baskenland).

Vor diesem Hintergrund sehe ich den erwarteten rechten-rechtsextremen Ruck (PPVOX) als Ausdruck nicht vollzogener Lehren aus der faschistischen Vergangenheit in großen Teilen der Gesellschaft (viele junge Wähler sind für VOX) und Francos langer Schatten in Spanien: Die Demokratie in Spanien steht auf dem Fundament der faschistischen Diktatur.

Mit eine Regierungsbeteiligung von VOX unter der PP lebt die Vergangenheit "nur" wieder auf - leider!

Aktualisierung ( 24.07.): Zu dem Wahlergebnis von gestern: Sánchez hat trotz Wahlniederlage dennoch eine 2 Chance zur Regierungsbildung. Zünglein an der Waage ist Katalonien: die Partei vom im politischen Exil lebenden Puigdemont. Seine 7 gewählten Abgeordneten sehen eine "große Gelegenheit", um Sánchez zu einem echten Dialog über die Unabhängigkeit Kataloniens zu bewegen. ( Leseempfehlung zum Ausgang der Wahlen: https://taz.de/Ergebnis-der-Parlamentswahlen-in-Spanien/!5948979/)

Aktualisierung (25.07): Ralf Streck zum Wahlausgang, dem Unsinn von "Francos Erben auf dem Weg zur Macht (PPVOX)" und Puigdemonts neue tragende Rolle in Spanien: https://overton-magazin.de/top-story/ein-bitterer-wahlsieg-fuer-die-spanische-rechte/

----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Für interessierte Leser*innen, die detaillierte Informationen zur Wahl, den Parteien und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen als Lektüre wollen, hier einige von mir präferierte Artikel:

1. Sehr guter Artikel: Sozialpolitische Akzente, eine repressive Grenz- und eine NATO-konforme Außenpolitik. Eine Bilanz der Regierung Sánchez vor den spanischen Parlamentswahlen. https://www.jungewelt.de/artikel/455260.mitte-links-in-spanien-ein-wenig-licht-viel-schatten.html?sstr=Spanien

2. Guter Artikel: Parlamentswahl in Spanien: Kann man in Spanien noch urlauben?https://taz.de/Parlamentswahl-in-Spanien/!5946686&s=spanien/

3. Gutes Interview mit Sumar-Aktivisten: Ende einer Ära? Die Linke vor den Wahlen in Spanien. https://zeitschrift-luxemburg.de/artikel/die-linke-vor-den-wahlen-in-spanien-ende-einer-aera/

4. Leseempfehlung Eckart Leiser: https://www.freitag.de/autoren/eckart-leiser/parlamentswahl-fahrt-in-einen-duesteren-tunnel

5. Sehr gutes Interview mit dem Antifaschisten Miquel Ramos: über Entstehung und Erstarken der rechtsradikalen Partei in Spanien. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1174903.wahlen-in-spanien-spanien-vox-verschiebt-den-diskurs-nach-rechts.html?sstr=spanien