Bürgerschaftswahl in Hamburg

Countdown Dieser Wahlkampf ist langweilig und das liegt vor allen Dingen daran, dass die Politik der letzten vier Jahre relativ geräuschlos durchgezogen wurde.

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Drei Gründe sind dafür maßgeblich: Konjunkturelle Stabilität, eine Verwaltung, an deren Schaltstellen Sozialdemokraten sitzen (und nicht nur da) und ein Wahlprogramm vor vier Jahren, was auf die Wechselstimmung vertrauend, keine Versprechen gemacht hat, die nicht auch mühelos einzuhalten waren.

Hieraus schöpft sich der Mythos des handwerklich guten Regierens, der vor allen Dingen davon lebt, dass die kommunalen Berichterstatter ihren Job schlecht machen und nicht dahin schauen, wo man ins Grübeln kommen kann, ob dieser Senat wirklich so gut ist, wie sie und er selbst glauben.

In der Wohnungsbau-, Verkehrs-, Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik jedenfalls wurden mehr Fehler gemacht als anderswo. Die nochmalige Erhöhung des Hapag-Lloyd-Anteils belastet den Hamburger Haushalt, die HSH-Nordbank wird zwar wie ein Schatz behütet – HSH-Finanzfonds – aber es gibt kein Model für diese Landesbank der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein.

Der Firma Beiersdorf – durch Intervention des Vorvorgängersenats mehrheitlich im Eigentum der Familie Herz – „erlaubte“ man, mit Tesafilm nach Schleswig-Holstein abzuwandern.

Zur Elbvertiefung hat man keinen Plan B, der schon deswegen notwendig wäre, weil der Elbtunnel für die Vertiefung eine Grenze setzt, die es auch – nach ggf. erfolgter Vertiefung - künftig nicht allen Schiffen erlauben wird Hamburg anzusteuern.

Das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit, die nicht ab, sondern zu nimmt, hat für den Senat gar keine Relevanz. Hier überlässt er der Gemeinsamen Einrichtung – JobCenter – team.arbeit.hamburg das Heft des Handelns und setzt damit der Abwicklung aktiver Arbeitsmarktpolitik nur Passivität entgegen.

Bei der Verkehrspolitik beschleunigt er durch fragwürdige Baumaßnahmen für 260 Millionen Euro den Busverkehr im Sekunden- und Minutenbereich, statt hier Arbeitsmarktpolitik durch die Verknüpfung mit der Verkehrspolitik zu betreiben und eine effektive Beschleunigung des Busverkehrs zu erreichen. Wenn Langzeitarbeitslose die Fahrkarten in den Bussen verkauften und die Busfahrer nur noch fahren würden ginge das.

Überhaupt hat dieser Senat eine Haltung gegenüber denjenigen am Rand der Gesellschaft, die wohl am besten mit desinteressiert beschrieben ist. Er bekämpft sie – sofern sie sich nicht wehren – nicht aktiv, aber er tut auch nichts für sie. Stattdessen sorgt er für kostenfreies Studieren für alle, für eine kostenfreie Kitaunterbringung – ebenfalls auch für die Reichen dieser Stadt und erzeugt so den Eindruck sozialen Handelns. Tatsächlich ist es ein weiteres Moment der Umverteilung nach oben. Wer es sich leisten kann, braucht nun nichts mehr bezahlen. SPD olé!

Bei der Wohnungsbaupolitik war es für den Senat ein Leichtes, die wesentliche Arbeit dem Markt zu überlassen, damit jährlich 6.000 neue Wohnungen gebaut werden. Wer auf der Bank für sein Geld keine Zinsen bekommt, geht in Immobilien, wenn er auf der sicheren Seite bleiben möchte.
Was gebraucht würde, wäre der Staat als Eigentümerin von Grundstücken und Errichterin von Sozialwohnungen, mindestens im Umfang der auslaufenden Bindungen. Der Staat hatte, hat und hätte momentan die Möglichkeit, quasi zinsfrei Grundstücke zu kaufen und Wohnungen zu errichten. Das Ganze würde nichts kosten, da der Ausgabe in Geld, der Sachwert auf der anderen Seite mindestens entsprechen würde. Da die Stabilität einer großstädtischen Immobilie im Zweifel sogar höher zu bewerten ist, als das entsprechende Buchgeldvermögen, gäbe es hier nicht das geringste Risiko.

Stattdessen setzt der Senat ganz auf bräsiges Durchwurschteln. Das er dies kann, liegt auch an einer Opposition, die diesen Namen nur formal verdient. Tatsächlich fällt ihr in der Regel auch nicht viel mehr ein, als dem Senat. Einzig die Linke nimmt ihren Auftrag einigermaßen ernst, was auch daran liegen mag, das die ehemalige (oder immer noch) Sozialdemokratin Dora Heyenn und Spitzenkandidatin der Linken, eine Koalition mit „dem Architekten von Hartz IV“ kategorisch ausschließt und schon angekündigt hat auch in den kommenden fünf Jahren in Opposition machen zu wollen.

Die Linke ist auch die einzige Partei in der Bürgerschaft, die sich der Schutzpatronin aller schwäbischen Hausfrauen, der Schuldenbremse nicht an den Hals wirft, sondern klar macht, dass das Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes auch dann zu gelten hat, wenn der Staat aufgrund einer grob falschen Steuerpolitik die Einnahmen künstlich verknappt.

Bei FDP und Grünen steht die Schuldenbremse nicht infrage. Selbst dann nicht, wenn die olympische Bewerbung Hamburgs erfolgreich sein sollte. Hier sind sich beide einig. Nur die Grünen zieren sich noch ja zu sagen, sie wollen erst wissen, was der Spaß kostet, während die FDP schon weiß wo für Olympia gespart werden soll (Verschlankung der Verwaltung). Aber auch sie möchten vom Senat wissen, was der für Kosten für die olymischen Spiele in Hamburg errechnen ließ.

Die AfD steht in Hamburg erstmals vor dem Einzug in ein Landesparlament der alten BRD. Sollte sie hereinkommen, so wird Olaf Scholz wohl einen Koalitionspartner benötigen. Bleiben FDP und AfD draußen, kann die SPD weitere fünf Jahre allein regieren. Ob das, oder eine rotgrüne Koalition vorzuziehen ist, müsste man wohl auslosen. Klar ist auf jeden Fall, dass es das Regierungshandeln nicht wirklich verändern würde. Allerdings hätte das hungrige sozialdemokratische Beutekollektiv etwas mehr Hunger, wenn die Grünen auch bedacht werden müssten. Wem knurrende Mägen in Sozialdemokraten gefallen, sollte auf den Einzug der beiden Kleinen (AfD und FDP) hoffen, sonst ist die absolute Mehrheit der SPD ziemlich sicher.

Wer möchte, dass linker Druck gegen die Regierung zunimmt, ist gut beraten seine Stimme bei den Linken abzuliefern, auch wenn diese einige Unarten des etablierten Wahlkampfes übernommen haben. So gibt es große Plakate mit dem Kopf von Dora Heyenn, als wenn dies Wähler für die Linken mobilisieren könnte. Diese leben geradezu von der Idee, dass der Partei noch ihre inhaltlichen Ziele wichtig sind und haben mit dieser „Verkopftheit“ sicherlich einige Anhänger verschreckt. Aber noch mehr als von der Brillanz des eigenen Programms, lebt die Linke von der Bescheidenheit des konkurrierenden Angebotes. Und darauf war auch diesmal wieder Verlass. Von daher gibt es schon einige Spekulationen, dass die Linke diesmal dritte Kraft in Hamburg wird.

Ich glaube nicht, dass es so kommt. Die Grünen gelten immer noch als ökologisch kompetent und viele Menschen, denen dieses Thema wichtig ist, hinterlassen deshalb bei den Grünen ihre Kreuze. Andererseits betonen die Grünen etwas zu häufig, dass "die Wirtschaft" keine Angst vor ihnen haben muss. Zum einen weiß dies jedeR, zum anderen besorgt das einige Grünwähler, die sich tatsächlich ein Primat der Ökologie vor der Ökonomie wünschen.

Ob nun die Linke Platz 4 oder 3 machen wird mag offen sein, die SPD wird auf jeden Fall unangefochtene Nummer 1 bleiben.

Am 15. Februar 2015 finden in Hamburg die Wahlen zur Bürgerschaft statt. So heißt das Landesparlament und die Legislaturperiode beträgt ab dieser Wahl fünf Jahre. Regulär sind 121 Abgeordnete zu wählen. Das Wahlrecht ist kompliziert. Über das Verhältnis der Parteien zueinander - bezogen auf die Stärke im Parlament - entscheiden die 5 Stimmen des gelben Stimmzettels. Mit dem rosafarbenen Wahlzettel werden die WahlkreiskandidatInnen gewählt. Dadurch ist es möglich, dass es ggf. zu Ausgleichsmandaten kommt oder auch, dass Einzelbewerber gewählt werden, sozusagen an den Parteien vorbei, denn diese erhalten trotzdem ihre Mandate entsprechend ihres Stimmverhältnis bei den "gelben" Stimmen.

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