Caroline Emcke gegen Plasberg, Illner & Co

Talkshows Carolin Emcke schreibt mit dem Bewusstsein Wahrheit zu verkünden und ihr Traum von Vernunft gebiert Ungeheuer.

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Das sie 2016 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels bekam und ihr ein Jahr später der Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland umgehängt wurde, dürfte das noch befördert haben.

Ansich ist das keine schlechte Voraussetzung, um eigene Fehler schnell zu bemerken. Nur wer sich festlegt und glaubt, was er oder sie sagt, hat überhaupt die Chance auf bessere Einsichten. Nur durch das sich festlegen, kommen Positionen ins Schwanken, wenn ein Argument vorbeischaut, dass einleuchtet, nicht aber mit der eigenen Positionierung so ohne Weiteres zu vereinbaren wäre.

Bei Emcke aber emanzipiert sich die Wahrheit bisweilen aus der Tiefe des Meinungskampfes und steigt zur Wirklichkeit auf. Diese ist absolut. Selbst wenn wir sie nicht erkennen, so ist die Wirklichkeit - wie bei Hase und Igel -immer schon da. Anders als über Wahrheit, kann man über die Wirklichkeit - wenn sie einmal festgestellt ist - nicht streiten. Das stimmt auch nicht so recht. Ein wirklicher Körper kann je nach Betrachtungswinkel recht unterschiedlich aussehen, es sei denn es wäre ein Kegel, der solange man in nicht von oben als Kreisfläche identifiziert, ansonsten von allen Seiten ziemlich gleich ausschaut. Aber mit der These, man sei Anwältin der Wirklichkeit macht man zumindest deutlich, dass es nicht um profane Meinungen geht und eine Debatte auch höchst albern wäre.

Jüngst hat sich Frau Emcke zu politischen Talkshows geäußert und beklagt, sie „inszenieren oft lieber Konflikte, als sich für die Wirklichkeit zu interessieren“. L'art pour l’art konzipiert als Konflikt, ausschließlich um der Polarität willen. Dieser Vorwurf kann eigentlich keiner sein, weil das Unterhaltungsformat der politischen Talkshow ja auf politischer Kontroverse beruht, die in schneller Taktung möglichst differenter Positionierung, die Zuschauer*innen unterhalten und informieren soll.

Emcke hält den Profis der zelebrierten Oberflächlichkeiten - statt Kreuz und Knoblauch - den Medienstaatsvertrag vor und stellt fest:"Die Unparteilichkeit ist zu einer Form des epistemischen Relativismus deformiert, bei dem es nicht wunderte, wenn demnächst bei einem Gast, der die Erde um die Sonne kreisen weiß, noch hektisch einer gesucht würde, der die Sonne um die Erde kreisen sieht“. Dabei geht es ihr nicht darum, „ob mitunter rechtsradikalen Gästen und ihrer Menschenverachtung solch vulgäre Aufmerksamkeit zugedacht wird, dass die Einblendung "Dauerwerbesendung" angebracht wäre“. Nein, natürlich geht es darum nicht, sondern um die im „Staatsvertrag unter Paragraf 11, Absatz 2 genannten Prinzipien - Objektivität und Unparteilichkeit, Meinungsvielfalt und Ausgewogenheit“.

Da Frau Emcke sich des Auftragesangenommen hat, diesen vergessenen Prinzipien als Ersthelferin wieder Leben einzuhauchen, findet sie es wichtig die Apriori ihrer Existenz zu benennen. Schließlich kann Meinungsvielfalt nur da sinnhaft sein, wo es zumindest eine Vereinbarung über das Unverhandelbare gegeben hat. Emcke möchte nicht, dass im öffentlich-rechtlichen Fernsehen Tatsachen infrage gestellt werden können und nennt es eine „Travestie der Idee der Meinungsvielfalt“, was wohl meinen soll, dass sie sich entstellend verkleidet. Die Kontroverse wird daher als dumpf dargestellt, weil sie die Komplexität von ihren vielschichtigen Perspektiven befreit und in eine „Pro-und-Kontraisierung der Wirklichkeit führt“. Sie konkretisiert das dann, indem sie betont, dass es ihr bei rechten Politiker*innen nicht um deren dissidente Meinung gehen würde, sondern darum, dass diese über die politische Talkshow - als Illusionierung von Gespräch und Debatte - den idealen Auftrittsrahmen zur Beherrschung dieser Bühne erhielten.

Also ungefähr so: dadurch dass das öffentlich rechtliche Fernsehen sich in Geschäft der Schaumschlägerei begeben hat, gibt es den professionellen Gauklern den idealen Rahmen der Selbstinszenierung vor.

Diese Kritik ist natürlich intelligenter vorgetragen, als das normale Getue von Menschen, die wahlweise im Auftrag des Herren, der guten Sache oder der Wahrheit an sich unterwegs sind und fordern, dass man Faschisten keine Äußerungsmöglichkeiten geben darf. Dabei sind Faschisten umstandslos alle, die Meinungen vertreten, die der aktuellen Konjunktur richtiger Meinungen widersprechen. So plump macht es Emcke nicht und ihre Kritik anTalkshows sind richtige Beobachtungen auch kaum abzusprechen. Allerdings ist dabei auch zu beachten, dass Talkshows auch keineswegs den Anspruch haben, zuvörderst die „Pluralisierung von Perspektiven“ zu betreiben, sondern die lautstarken sicht- und ansatzweise diskutierbar zu machen. Das ist das eine. Das andere ist, dass es die Voraussetzung, dass alle anderen Debattierer*innen, außer den Rechten nicht im Geschäft der Schaumschlägereien befangen seien, natürlich unzutreffend ist.

So bleibt am Ende wieder einmal nur die Idee, dass man sich mit rechten Positionen nicht auseinandersetzen müsse, allerdings in einer noch totalitärer Form vorgetragen als sonst, indem man die Zensurnotwendigkeit aufhebt in eine sich dadurch konstituierende Bedingung für Selbstzweifel, Ambivalenz und feingliedriges, kritische Denken. Es bleibt so zwar auch Zensur für die gute Sache, die aber hebt dann scheinbar die Zensur in ihr Gegenteil auf.

Alle Zitate aus: Carolin Emcke, „Warum deutsche Talkshows den Rechten nutzen“, Süddeutsche Zeitung vom 05.07.2019

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