Die E-Mob-Illusion

Elektromobilität Den Automobilkonzernen steht das Wassert bis zum Hals. Sie und ihre vermeintlichen Förderer in der Politik haben jahrelang die Ökologisierung der Branche verschlafen.

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Stattdessen haben sie immer schwerere und höher motorisierte Autos vom Band laufen lassen und den SUV erfunden.

Viele Automobilkonzerne werden die CO2-Flottenziele der Europäischen Union verfehlen, so dass hohe Strafzahlungen drohen. Deswegen entdecken sie jetzt die Elektromobilität, die unabhängig von der Art und Weise der Stromproduktion als CO2-neutral gilt. Da hier nicht die Ökobilanz zugrunde gelegt wird, sondern was aus dem nicht vorhandenem Auspuff an CO2 emittiert wird.

So will Volkswagen-Konzernchef Herbert Diess mit einem weitgehendem Umbauprogramm das Flottenziel auf einen Anteil an E-Autos am Gesamtabsatz bis 2030 auf über 40 Prozent anheben. Andere Konzerne haben ähnlich ehrgeizige Ziele.

Und natürlich fordern die Autoriesen von ihren Kumpanen in der Politik, dass sie sich ebenfalls diesem Ziel verschreiben, denn ohne Infrastruktur wird man keine Batterieautos verkaufen können.

Kaufprämien, Steuererleichterungen sowie staatliche Unterstützung beim Aufbau der Ladeinfrastruktur sind nach Überzeugung der Konzernchefs unabdingbare Voraussetzung, um batteriegetriebenen Autos zum Durchbruch zu verhelfen“ (Handelsblatt, 17.04.2019).

Das finden Autoministerpräsidenten natürlich richtig und setzen sich ebenfalls für mehr staatliche Förderung ein. Kein Wunder, dass die Mineralölkonzerne maulig werden und auf die Kurzsichtigkeit der Angelegenheit hinweisen. Insbesondere darauf, dass selbst die ergiebigsten Programme nicht dazu führen werden, dass es in 11 Jahren mehr Stromer als Verbrenner geben wird.

Sie bringen den CO2-neutralem Sprit ins Spiel und fordern ebenfalls erhebliche Unterstützung und Subventionen, um Sprit CO2-neutral zu produzieren „und fordern eine technologieoffene Förderung CO2-freier Mobilität statt einer Konzentration auf E-Autos“ (Handelsblatt, 17.04.2019).

Damit der Verbrauch aller Autos, egal wie sie angetrieben werden, sinnvoll verglichen werden kann, ist die Einführung einer einheitlichen Berechnung für die CO2-Gesamtemissionen eines jeden Fahrzeugs notwendig, forderten Ende 2017 eine Gruppe emeritierter Verkehrsprofessoren um Helmut Holzapfel herum. Ihre Ansage: Grundlage müsse dafür der jeweils aktuelle Energiemix im Stromnetz sein, "damit auch ein Impuls für den Ausbau ökologischer Energieproduktion entsteht

So gerechnet kommt das Bundesumweltministerium auf ein Klimaplus bis zu einem gutem Viertel, gegenüber den Verbrennern: „Ein heute auf die Straße kommendes Elektroauto stößt über seinen Lebensweg zwischen 16 und 27 Prozent weniger Klimagase aus, je nachdem mit welchem Verbrenner-Typ man vergleicht“ (Wie klimafreundlich sind Elektroautos? BMU v. 10.01.2019)

Dabei wird der Vergleich aber nicht mit einem deutschen Durchschnittsfahrzeug, sondern mit aktuellen, besonders verbrauchsarmen Modellen mit Verbrennungsmotoren, inklusive eines Hybrid und eines Erdgasfahrzeugs vorgenommen. Dabei weist das BMU darauf hin: "Wird der Strommix grüner, wird auch das Elektroauto sauberer. So wird ein heute gekauftes Elektroauto nicht über seine gesamte Nutzungsdauer mit dem Strommix des Jahres 2017 unterwegs sein, sondern in den kommenden Jahren die zu erwartende positive Entwicklung im Strombereich automatisch „mitmachen“ und von geringer werdenden spezifischen Klimagasemissionen pro Kilowattstunde profitieren“ (a.a.O. S.4).

Der Hinweis ist sicherlich richtig, ebenso wie der, dass die Förderbedingungen von Lithium und Kobalt jeder Beschreibung spotten. Beide benötigt man essentiell für die geplante Elektrifizierung des Individualverkehrs. Für ein Batteriepack eines Pkw benötigt man 10.000 mal mehr Lithium als für ein iPhoneakku, gut 60 kg. Hierzu fehlt aber jeder Hinweis, bei der Ökobilanzierung des BMUs.

In Chile wird das Lithium aus den sogenannten Salares gewonnen. Der Abbau des Weichmetalls verbraucht extrem viel Wasser. Sinkende Grundwasserspiegel vernichten dabei nicht nur einheimische Arten, sondern auch die Lebensbedingungen der indigenen Bevölkerung am Rande der Salzseen. Kobalt, der insbesondere im Kongo abgebaut wird, wird dort häufig in Kleinminen unter lebensgefährlichen Bedingungen gefördert, in denen auch Kinderarbeit alltäglich ist.

Jüngst hat das kanadischen Unternehmens Plateau Energy, auf der Suche nach Uran in Peru eine riesige Lithium-Lagerstätte entdeckt und man geht davon aus, dass hier eine der größten Lithium-Minen der Welt entstehen könnte. Die Lagerstätte, befindet sich in einem prähistorischen See in der Region Puno im Südosten Perus. Bolivien, Chile und Argentinien weisen die weltweit größten Reserven an dem Rohstoff Lithium auf und der Abbau des Weichmetalls ist wie erwähnt eine schmutzige Angelegenheit, bevor daraus „saubere“ Energie für den Autoantrieb gezogen werden kann.

Langfristig sollen in Bolivien 15.000 Tonnen durch ein Joint Venture der baden-württembergischen Firma ACI Systems Alemania (ACISA) (49 Prozent) mit dem bolivianischen Staatsunternehmen YLB Yacimientos de Litio Bolivianos (51 Prozent) pro Jahr gewonnen und weiterverarbeitet werden. Momentan werden am Salar de Uyuni 30 Tonnen p.a. gefördert. „Der jährliche Lithiumverbrauch lag 2017 weltweit bei etwa 40.000 Tonnen, was einer Zunahme von etwa zehn Prozent pro Jahr seit 2015 entspricht. Gleichzeitig verdreifachten sich die Lithiumpreise zwischen 2015 und 2018 beinahe“ (Nationalgeographic, 02/2019).

Alle E-Autos schleppen Batteriegewichte zwischen 200 und 300 kg mit sich herum, der Tesla Model S kommt sogar auf 750 Kilogramm und bei guten Temperatur- und Straßenverhältnissen auf eine Reichweite von bis zu 600 Kilometern. Sinn und Zweck der E-Offensive im deutschen Automobilbau ist ganz offensichtlich nicht die Ökologie, sondern die nachhaltige Aufrechterhaltung einer Vorstellung von Mobilität, nach der sich 1,4 Menschen in ca. 9 qm Auto auf Asphalt fortbewegen und das Auto 23 Stunden am Tag auf 11,5 qm Parkplatz steht. Demnächst dann sogar auf etwas mehr qm und dafür mit Stromanschluss, wenn es nach den Wünschen der Autobauer geht.

Stellplätze sind heutzutage in der Regel zwischen 2,3 m (normaler Pkw-Stellplatz ohne seitliche Begrenzung) und 3,5 m (Stellplatz für Behinderte) breit. Je nach Anordnung des Stellplatzes kann die erforderliche Länge zwischen 5 m (90°-Anordnung zur Straße) und 6,0 m (parallel zur Straße) betragen (Wikipedia). Gut 9,2 Prozent der Verkehrsflächen sind Parkflächen in Deutschland. In Berlin sind es nur 8,34 Prozent und in Stuttgart dafür 12,12 Prozent (Wirtschaftswoche, 08.10.2016). Zwar suchen auch die Chefs deutscher Automobilbauer nach dem höheren Sinn des Daseins ihrer Firmen und kaum ein Konzernmeeting käme in Zeiten, in denen alle und unbedingt für Nachhaltigkeit sind, ohne das Schlagwort "purpose“, auf Deutsch etwa Zweck, Bestimmung, Ziel oder Absicht aus und man ist auch überzeugt, dass von der rechten Bestimmung des Zwecks, der künftige Markterfolg abhängt. Zugleich kann man sich auch nicht von der Bestimmung lösen, mit profaner Bedürfnisbefriedigung ökonomischen Erfolg zu generieren. So täuscht man also sich selbst und andere und denkt, man müsse nur den Antrieb verändern, um so weitermachen zu können wie bisher.

Genau das aber wird nicht funktionieren. Immer mehr Menschen ziehen vom Land in die Stadt. Schon jetzt leben fast ein Drittel der Menschen in Deutschland in Städten mit mehr als 100 Tsd. Einwohnern (31 Prozent) und 27 Prozent leben in Städten von > 20 – 100 Tsd. Einwohnern. Zumindest in den Großstädten (> 100 Tsd. Einw.) ist der Individualverkehr schon längst an seine Grenzen vorgestoßen. Dort wird ein gut ausgebauter und erweiterter öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) benötigt und Flächen für den innerstädtischen Wohnungsbau. Absehbar wird es daher in den städtischen Kernen kein individualisierten Pkw-Verkehr mehr geben und somit wird der Absatz an Elektrofahrzeugen auch nicht so in die Höhe gehen, wie sich das die Konzernlenker bei VW und Co. vorstellen. Denn gerade da, wo E-Mobilität erhebliche Vorteile hätte – kurze Wege – fällt die individuelle Nachfrage kurz- bis mittelfristig weitgehend aus und für lange Strecken eignet sich ein Stromer, will man nicht wie beim Tesla S mit einer dreiviertel Tonne Batterien umherfahren nicht so besonders gut.

Harte Zeiten für die Autobauer. Ihnen wird nichts übrig bleiben, als sich tatsächlich neu zu erfinden!

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