Die Fraktion auf Bundesvorstandslinie bringen!

Die Linke Weil der Erfurter Parteitag nur der Partei, nicht aber der Fraktion den Pluralismus austreiben konnte, soll nun eine Aktivität einer Partei -Soldateska in der Bundestagsfraktion den Wildwuchs an Positionen einhegen.

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Nach der Rede von Sahra Wagenknecht im Rahmen der Aussprache im Bundestag zum Punkt „Wirtschaft und Klimaschutz“, fordern nun auch acht Mitglieder der Linken-Bundestagsfraktion, darunter auch Martina Renner, die bereits den Antrag auf Ausschluss Wagenknechts aus der Partei, der drei ostdeutschen Landtagsabgeordnetinnen Katharina König-Preuss, Henriette Quade und Juliane Nagel unterschrieben hatte, dass Sahra Wagenknecht nur noch als private Abgeordnete sprechen soll. Realpolitik eben. Da der Antrag auf Ausschluss eine reine Schaufensterveranstaltung ist, muss eine Auffanglinie her.

Der Antrag, der realisieren soll, dass nur noch Abgeordnete im Plenum für die Fraktion reden, die die Vertretung der gemeinsam beschlossenen Positionen garantieren, meint faktisch Linientreue gegenüber dem Vorstand der Partei. Formal sind das u.a. die Beschlüsse des letzten Bundesparteitages in Erfurt. Diese wiesen aber im Gegensatz zur Personalpolitik noch Kompromisslinien mit dem Lager auf, dass sich am Ehesten durch Wagenknecht vertreten fühlt. Da die Erfurter Linie sich naturgemäß nicht in der personellen Zusammensetzung des Fraktion der Linken spiegelt, kommt jetzt dieser Versuch des Machteingriffs durch den Parteivorstand und vorgetragen durch die Abgeordneten Gökay Akbulut, Anke Domscheit-Berg, Ates Gürpinar, Caren Lay, Cornelia Möhring, Martina Renner, Bernd Riexinger und Kathrin Vogler gerade recht.

Eine gute Idee ist das gleichwohl nicht. Es erinnert zu sehr an die Ursprünge der Partei, als diese noch einen ganzen Staat orchestrieren durfte und wo der „demokratische Zentralismus“ Tonhöhe und Lautstärke vorgab. Zwar klinkt es wie selbstverständlich, dass Parteien im Bundestag gerne hören, was ihre gemeinsam beschlossene Position ist, aber es abstrahiert auch gehörig vom Umstand, dass Parteien stets plurale Zusammenhänge bilden und dass der demokratische Kern nicht darin besteht, dass sich Mehrheiten auf die Details von Positionierungen verständigen, sondern auf Grundsätze. Am Ende obliegt es der Realität des Parteilebens, wie sich das tatsächlich ausbuchstabiert.

Zum Teil entsprechen auch Positionen die niemals beschlossen wurden, ggf. viel mehr der Partei, als solche die mit riesigen Mehrheiten verabschiedet wurden. Man schaue sich die Grünen an, um zu begreifen wie das funktioniert.

Klar ist jedenfalls, dass Sahra Wagenknechts höchst umstrittene Rede, in der potentiellen Wählerschaft der Partei weit weniger Widerspruch befördert, als beim Funktionärskörper und das die Bundestagsfraktion dieser möglichen Wählerschaft gerechter wird, als es der Bundesvorstand dieser Partei tut. Zwar gilt momentan in den meisten Redaktionsstuben die Trotzkistin Janine Wissler als Realpolitikerin, wie jede und jeder in dieser Partei, der/die sich in der absehbar größten Krise sozialer Verwerfungen um Anschlussfähigkeit an die Regierungsparteien SPD und Grüne bemüht. Sahra Wagenknecht bleibt gleichwohl die mit Abstand beliebteste Politikerin ihrer Partei.

Insofern sind die Versuche, Wagenknecht in das enge Korsett der Parteivorstandlinie einzuzwängen, am Ende nur dazu geeignet, anerkennende Zustimmung dort zu erreichen, wo man konkurriert und dort, wo man die Ressource zur Machtfaktorwerdung bezieht noch schlechter abzuschneiden, als beim letzten Mal. Noch einschneidender aber ist das völlige Nichtbegreifen der Partei als Bündnis unterschiedlicher Individuen und politischer Positionierung, die auch jeweils Entfaltungsraum benötigen und deren Begrenzungsrahmen nicht die Interpretation der Parteilinie durch einen Vorstand sein darf. Zumal dieser Vorstand zwar die Mehrheitsverhältnisse abbildet, aber der aktuelle eben nicht das kleinere Gegenstück der Minderheit.

Der Vorstand beweist seit seiner Wahl eigentlich jeden Tag, dass er aus sich heraus nicht in der Lage ist diesen Konstruktionsmangel zu heilen. Da Ulrich Schneider eine große Rolle bei den jetzigen Versuchen der Etablierung effektiver Zensurmaßnahmen gegen freigewählte Abgeordnete spielt, weil sein Abgang die Kampagne - in den Augen vieler Nichtfreunde von Wagenknecht - mit dem Argument der Unabweisbarkeit ausstattet, noch ein Wort zu ihm.

Er ist ausgetreten, wiewohl ihm die Mehrheitsverhältnisse in seiner Partei völlig klar waren und sie keinerlei Anlass boten, glauben zu müssen, Sahra Wagenknecht könnte demnächst in der Linken Mehrheiten organisieren. Zum Beispiel gegen seine Idee, dass das künftige Bürgergeld vollständig ohne Bedingungen an Mitwirkung zu gewähren sei, also sanktionsfrei sein müsse. Er trat deswegen auch nicht ihretwegen, sondern wegen der absehbaren Bedeutungslosigkeit der Linken aus. Ziel war, dass er sich damit künftig weit besser in der kulturellen Linken – also insbesondere auch im Regierungslager – wird bewegen können, um seine sozialpolitische Agenda voranzutreiben. Das ist für einen Lobbyisten der Sozialpolitik, wie es der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband (Umsatz bei ca. 50 Mio. EUR) einer ist, völlig nachvollziehbar und auch vernünftig. Allerdings sollte man den Schritt nicht mit der Begründung verwechseln, wenn man Verantwortung für Partei Die Linke trägt.

Das Lobbyisten in Parteien am meisten auf diejenigen setzten, die ihnen inhaltlich am nächsten stehen, liegt in der Natur der Sache. Zugleich aber müssen sie ein Interesse daran haben, dass Parteien breit aufgestellt sind und eine große Spannbreite unterschiedlichster Positionen in sich vereinen und produktiv orchestrieren. Nur dann sind sie potentiell durchsetzungsstark und damit hilfreich für die eigene Position. Genau daran aber glaubt Dr. Schneider nicht mehr. Das er in seiner Austritterklärung einen negativen Bezug auf die schärfste Kritikerin der jetzigen Regierung untergebracht hat, kann nur wundern, wer den Kern von Lobbyismus nicht begreift.

Weiterführend:

https://www.freitag.de/autoren/aram-ockert/die-linke-war-s-das-jetzt

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