Impfen nach Verwandtschaftsgrad

Hamburger Blindenstiftung Wir krempeln die Ärmel hoch! Der Impfstoff für Personen, die ältere oder pflegebedürftiger Menschen behandeln war da. Chefs und deren Verwandte auch.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Am 25. Januar war im Senator-Ernst-Weiß-Heim der Hamburger Blindenstiftung Impftermin für die dort Beschäftigten. Dabei wurden auch der Geschäftsführer und seine beiden Söhne, sowie seine Assistentin nebst deren Ehemann, einem Malermeister geimpft. Da aber ein Malermeister ohne Gesellen nur ein halber Betrieb ist, wurde gleich auch noch der Geselle mitgeimpft.

Soweit so gut. Nur der Betriebsrat, der den Geschäftsführer seit vier Jahren nervt, weil dieser seither zwei Söhne geringfügig in der Blindenstiftung beschäftigt, ohne dass man weiß was diese Söhne wann und was genau machen, nörgelt wieder einmal rum.

Das kennt man in der Blindenstiftung schon und weiß sich zu erwehren. Letztes Jahr hat die Stiftung versucht einen Betriebsrat zu kündigen. Das misslang, dafür konnte man – vorerst – erfolgreich, die langjährige Vorsitzende des Betriebsrates aus dem Unternehmen drängen, nachdem diese aus dem Betriebsrat ausgeschieden war und der nachlaufende Kündigungsschutz nicht mehr bestand. Das Verhältnis ist also belastet.

Aber auch sonst hätte ihn wohl irritiert, dass so viele Menschen ohne direkten Kontakt mit Heimbewohner:innen geimpft worden waren. Handwerker, die regelmäßig im Senator-Ernst-Weiß-Heim tätig sind, wurden aber nur geimpft, wenn sie in einem Verwandtschaftsverhältnis zur Leitung (Assistenz) stehen. So wurde beispielsweise der sehr häufig im Heim anwesende Elektriker nicht auf die Liste der zu Impfenden gesetzt.

Den Betriebsrat nervten wohl auch die ständigen Anfragen von Kolleg:innen, denen nicht entgangen, nach welchen Prioritäten im Senator-Ernst-Weiß-Heim geimpft worden war. Deswegen wendete man sich an den Vorstand, dessen Vorsitzender Uwe Riez ist. Hamburger:innen mit guten Gedächtnis als Inkarnation des „Hamburger Filzes“ bekannt.2000 schrieb der Spiegel: „Auch im weiteren Verlauf ihrer Ermittlungen stießen die Ausschussmitglieder immer wieder auf die SPD-Nord-Connection. Beispiel: Uwe Riez“, die Überschrift des Artikels: „FILZ ‚Mehltau über der Stadt‘“ (Der Spiegel, 13.11.2000). Richtig Karriere machte SPD-Mann Riez dann erst unter einer CDU Sozialsenatorin. „Nicht nur, dass Riez als Amtsleiter in seiner einflussreichen Position belassen wurde. Seit August führt er kommissarisch zusätzlich das Amt für Jugend. Ende Oktober werde Riez offiziell für die Familien-, Jugend- und Arbeitsmarktpolitik verantwortlich sein“, schrieb damals die Welt (22.09.2002). Riez alter Kumpel und sein Nachfolger bei der Hamburger Arbeit (HAB), war übrigens der spätere Sozialsenator Detlef Scheele. Der davor Staatsrat bei Olaf Scholz im Bundesarbeitsministerium war und jetzt Chef der Bundesagentur für Arbeit ist. Man sieht also, dass im Vergleich zu früheren Kumpanen der Aufstieg des Uwe Riez eher bescheiden ausfiel. Nun ist er, der im Juli 70 Jahre alt wird, noch Vorsitzender des Vorstandes der Hamburger Blindenstiftung. Die Welt (Artikel vom 22.09.2002) meinte damals, dass die „Fähigkeiten eines "effizienten Machers" .. die Sozialsenatorin vor allem bewogen haben, auch nach dem Machtwechsel auf Riez zu setzen. Was damit gemeint sein könnte, versteht man, wenn man die Antwort auf die Betriebsratsbeschwerde liest: „ich habe Ihre Beschwerde dem Vorstand der Hamburger Blindenstiftung zur Kenntnis gegeben und den Geschäftsführer um Stellungnahme zu dem Sachverhalt gebeten. Außerdem habe ich vom Robert-Koch-Institut den Stufenplan der Ständigen Impfkommission zur Priorisierung der COVID-19-Impfung erhalten“ heißt es dort und weiter: „Danach ergibt sich, dass alle von Ihnen genannten Personen im Senator Ernst Weiß-Heim tätig sind (das umfasst auch Personen, die nicht Beschäftigte der Stiftung sind) und somit zum Personenkreis der Stufe 1 gehören.

Es ist Ihr gutes Recht, moralisch zu kritisieren, wer alles im Rahmen der Stufe 1 geimpft wird. Jedoch tritt Ihr Vorwurf nicht zu, dass gegen die offizielle Impfreihenfolge verstoßen worden sei. Wie Sie aus dem beigefügten Merkblatt entnehmen können, ist der Personenkreis – im Interesse eines möglichst großen Schutzes der Heimbewohner*innen ­– deutlich weiter gefasst als landläufig vermutet wird. Insofern kann ich den Vorgang nicht beanstanden“.

Dazu teilt der Pressesprecher der Hamburger Sozialbehörde, Martin Helfrich auf die Frage: „welche Maßnahmen die Sozialbehörde der FHH getroffen hat, um die dürftige Festlegung auf „Andere Tätige in Senioren- und Altenpflegeheimen“ soweit zu präzisieren, dass das Ziel der Priorisierung auf vulnerable Gruppen und deren Kontaktpersonen nicht verwässert wurde“ mit: „Rechtsgrundlage ist nicht die Empfehlung der StiKo, sondern die CoronaImpfVO des Bundes. Sie spezifiziert in § 2 (1) 2. den Anspruch für '‚Personen, die in stationären und teilstationären Einrichtungen zur Behandlung, Betreuung oder Pflege älterer oder pflegebedürftiger Menschen behandelt, betreut oder gepflegt werden oder tätig sind, […]‘.“ Und schlussfolgert daher: „Insoweit ist aus hiesiger Sicht ein hohes Maß an Präzisierung gegeben“. Da hat er wohl Recht. Geschäftsführer, Assistentinnen, Kinder, Gatten und deren Angestellte fallen nicht unter den § 2 (1) 2 der Coronavirus-Impfverordnung.

Es wird daher interessant sein, inwieweit sich die Sozialbehörde dieses Falles annehmen und auch, ob sie dies zum Anlass nehmen wird, um in weiteren Einrichtungen abzufragen, ob die aufbereitete Information des Robert Koch Instituts (RKI) zum Stufenplan der Ständigen Impfkommission (STIKO) zu ähnlichen Falschimpfungen geführt haben.

Zum gleichen Thema:
https://www.freitag.de/autoren/aram-ockert/merkwuerdigkeiten-rund-ums-impfen-in-hamburg

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden