Statt reich und schön, arm und dumm? II

Hamburgensie Forts. Der Abg. Scheuerl der Hamburgischen Bürgerschaft, parteilos und Mitgl. der CDU-Fraktion hat sich scheinbar für seinen stillen Ruf nach dem Ständewahlrecht entschuldigt.

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Dabei hat er nur auf den ersten, einen zweiten Schelm gesetzt. Denn zurückgenommen hat er nichts.

Die Morgenpost hatte unter der Überschrift „Walter Scheuerl geht auf Hartz-IV-Empfänger los“ unter anderem berichtet: „"Die Zahlen veranschaulichen, dass es in den Stadtteilen mit hohem Ja-Stimmen-Anteil für manche Abstimmende nahe gelegen haben mag, ungeprüft sein Kreuz bei Ja zu machen", heißt es in einer Pressemitteilung von Scheuerl – der erklärter Gegner einer Übernahme der Netze ist. Sein Tenor: Hartz-IV-Empfänger sind entweder zu uninformiert zum Abstimmen oder zu gleichgültig“ (Vergl. Hierzu auch meinen Bericht hier) .

In einem Brief an die Morgenpost schrieb Scheuerl nun: „Der in der MOPO vom Mittwoch veröffentliche Artikel entstellt meine Pressemitteilung vom Dienstag auf höchst unschöne Weise“. Die MoPo hatte nämlich vergessen zu erwähnen, dass der Abgeordnete ja auch seinen eigenen Leuten unterstellt hatte, dass „teils auch andere Erwägungen eine Rolle gespielt haben, als energie- und fiskalpolitische Erwägungen (‚Nicht mit meinem Geld!‘).“

Mit anderen Worten: Es gab nicht nur die verhetzten armen Dummen, die sich durch Bedienung der Umverteilungsreflexe zur Stimmenabgabe für den Netzrückkauf manipulieren ließen, auch bei der reichen Intelligenz darf nicht ausgeschlossen werden, dass es teilweise auch andere Überlegungen als die energie- und fiskalpolitische Erwägungen gab.

Und deswegen: „Milliarden-Projekte, die tief in den Haushalt eingreifen, dürfen nicht zum Gegenstand von spontanen Gefühlsentscheidungen in der Wahlkabine gemacht werden, sondern erfordern sorgfältige und ausführliche Haushaltsberatungen in den für den Haushalt der Stadt verantwortlichen Gremien.“ Diese Feststellung bezog sich erkennbar auf alle Bevölkerungsgruppen“. Natürlich nicht! Der konkreten Beschimpfung der Armen, steht nämlich nur der abstrakte Einwand ggf. „anderer Erwägungen“ bei seinen Leuten gegenüber, die man aufgrund von Text und Diktion nur schwerlich mit „spontanen Gefühlsentscheidungen“ in Verbindung bringt. Und selbst wenn, solange sich in Hamburg das Dreiklassenwahlrecht nicht aus dem Staub der Geschichte wieder aufrichtet, schließt eine Verlagerung von Entscheidungen vom Volk zum Parlament, auch den Urnenpöbel aus den Gebieten mit dem höchsten veröffentlichten Steueraufkommen gleichermaßen von der Entscheidung aus.

Scheuerl fährt dann fort: „Wenn das Anlass dafür gewesen ist, dass die Hamburger Morgenpost am Mittwoch ihren einseitigen Bericht daraus gemacht hat, durch den sich einzelne Leserinnen und Leser verletzt fühlen, tut mir das aufrichtig leid und ich möchte mich dafür auf diesem Weg dafür entschuldigen“.

Schuld ist nicht Scheuerl, der Menschen mit geringen Einkommen zu reinen Objekten der Manipulation gemacht, sondern die Morgenpost, die seine Pressemitteilung zur Kenntlichkeit entstellt hat. Und so ist auch nur folgerichtig, dass er nicht um Entschuldigung bittet, sondern sich gleich selbst entschuldigt.

Vorher konnte man nicht sicher wissen, ob sich hier einer nur im Eifer des Gefechtes verrannt hatte. Nun weiß man, hinter der Sache steht eiskaltes Kalkül. Wenn das Volk entscheidet, dürfen die Folgen nichts kosten, denn der Pöbel ist alleine schon durch die Aussicht der Umverteilung und dass es das Geld der Anderen kostet zu mobilisieren. Da erscheint das Parlament, als Ort der Entscheidung, als das kleinere Übel, da hier der Einfluss des Plebs durch Repräsentation abgemildert wird.

Eigentlich reicht ihm das nicht und das hatte seine Presseerklärung auch deutlich gemacht. Es steht zu Befürchten, dass ihm das seine Bürgerschaftskollegen, wie auch konkurrierende Parteien durchgehen lassen werden, denn Scheuerl ist nach wie vor ein geachteter Diskussionspartner in Hamburg, mit dem man sich ohne Vorbehalte an einen Tisch setzt.

Die "Entschuldigung" des Walter Scheuerl

"Sehr geehrte Morgenpost-Redaktion,
liebe Leserinnen und Leser der Hamburger Morgenpost,
Der in der MOPO vom Mittwoch veröffentliche Artikel entstellt meine Pressemitteilung vom Dienstag auf höchst unschöne Weise:

Ich habe am Dienstag darauf hingewiesen, dass es nach den Daten des Statistikamtes erkennbare Übereinstimmungen zwischen den durchschnittlichen Einkommensverhältnissen und den Mehrheitsergebnissen sowohl in den Stadtteilen mit höheren als auch in den Stadtteilen mit geringeren Einkommensverhältnissen gibt.

Dabei habe ich ausdrücklich betont: „Gleichzeitig bleibt die Frage, ob in den Stadtteilen, die deutlich höhere Steuerlasten tragen und mehrheitlich mit NEIN gestimmt haben, nicht umgekehrt teils auch andere Erwägungen eine Rolle gespielt haben, als energie- und fiskalpolitische Erwägungen (‚Nicht mit meinem Geld!‘).“

Abgeleitet habe ich daraus, dass der Haushaltsvorbehalt in Artikel 50 unserer Verfassung einen guten Grund hat: „Das Ergebnis macht in jedem Fall deutlich: Die Hamburgische Verfassung schließt in Artikel 50 Absatz 1 HVerf Fragen von so weitreichender, den Haushalt belastender Wirkung aus gutem Grund aus dem Bereich der Volksgesetzgebung aus. Milliarden-Projekte, die tief in den Haushalt eingreifen, dürfen nicht zum Gegenstand von spontanen Gefühlsentscheidungen in der Wahlkabine gemacht werden, sondern erfordern sorgfältige und ausführliche Haushaltsberatungen in den für den Haushalt der Stadt verantwortlichen Gremien.“ Diese Feststellung bezog sich erkennbar auf alle Bevölkerungsgruppen.

Wenn das Anlass dafür gewesen ist, dass die Hamburger Morgenpost am Mittwoch ihren einseitigen Bericht daraus gemacht hat, durch den sich einzelne Leserinnen und Leser verletzt fühlen, tut mir das aufrichtig leid und ich möchte mich dafür auf diesem Weg dafür entschuldigen.

Herzlichen Grüße,
Walter Scheuerl"

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