Umwelt- oder Klimapolitik?

For Future Sowenig der gute Wille die Tat ersetzt, so ist eine gute Umweltpolitik auch nicht automatisch ein Beitrag zur Begrenzung der Erderwärmung. Differenzierung tut not.

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Dr. Konrad Götz ist Mitarbeiter am Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) GmbH, das aus der „Forschungsgruppe Soziale Ökologie“ hervorging und kurz nach Beginn der zweiten rotgrünen Regierung in Hessen ab 1992 institutionell gefördert wurde.
Das Institut hat 2011 das Ecological Research Network (Ecornet) mitbegründet. Dies ist ein Verbund von acht unabhängigen, gemeinnützigen Instituten der Umwelt- und Nachhaltigkeitsforschung in Deutschland, die sich gemeinsam der Mission den gesellschaftlichen Wandel in Richtung Nachhaltigkeit mitzugestalten und wissenschaftlich zu fundieren, verschrieben haben.

Jüngst hat sich Konrad Götz via 𝘵𝘢𝘻 (16.01.2020) mit einem Beitrag zu Wort gemeldet, den er „Greta und die #Resoluzzer“ über- und in dem er u. a. schrieb: „Was die neue Bewegung inhaltlich stark macht, ist die Verankerung in der Wissenschaft. ...Der Gültigkeitsanspruch der wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Klimakrise wird von Einstellungen und Meinungen entkoppelt“.
Er findet das geschickt und zugleich zu kurz gesprungen, „(d)enn aus den objektiven Daten der -Klimaforschung ergibt sich nicht automatisch, wie der gesamte gesellschaftliche Transformationsprozess – einschließlich der Frage subjektiver Akzeptanz – fortgesetzt werden kann. Wie auch jene Gruppen einbezogen werden können, die sich bisher mit ihren Einstellungen gegen die Erkenntnisse der Klimaforschung abschotten“.

Ihm geht es stattdessen um die Aufnahme des Schwungs der jungen Klimabewegung „um eine wirksame Klimaschutzpolitik wirklich praktizieren zu können“. Dafür „benötigen wir einen gesellschaftlichen Grundkonsens“ meint er. „Dieser entsteht nicht automatisch auf Basis ‚geophysikalischer Wahrheiten’, sondern es braucht gleichzeitig ein kritisches, sozialökologisches Transformationswissen, das auch die weichen Faktoren der Meinungen und Grundeinstellungen unterschiedlicher sozialer Gruppen berücksichtigt“.

Das ist eine geschickte Argumentationsstrategie, greift aber zu kurz“, um Götz selber zu zitieren. zwar beschreibt er abstrakt richtig wie Politik funktioniert. Dass man gut beraten ist, das Richtige auch demokratisch legitimiert zu tun und nicht nur gebetsmühlenartig zu wiederholen, dass man der Repräsentant letzter Gewissheiten ist, was aber bei Götz völlig untergeht und das hat er gemeinsam mit FfF und großen Teilen der Umweltbewegung, dass er Klimapolitik, also eine solche, die den menschengemachten Temperaturanstieg zu begrenzen versucht und Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik praktisch synonym benutzt.

So schreibt er deswegen auch: „Das Problem, das seit dem Bericht des Club of Rome 1972, also seit 45 Jahren bekannt ist, erfährt eine neue, verblüffende Dringlichkeit“. Das aber ist eine irrige Annahme. Ging das MIT (Massachusetts Institute of Technology), dass für den CoR damals „Die Grenzen des Wachstums“ erarbeitet hat, von Ressourcenknappheit und drohenden und verheerenden Umweltzerstörungen durch Schadstoffemissionen aus (CO2 ist kein Schadstoff! auch wenn zu viel CO2 schädlich ist), so geht es bei dem aktuell alles dominierenden Thema um die Veränderung der Erdatmosphäre, durch die Zunahme der Konzentration von Gasen, die zu einer stärkeren Aufheizung des Planeten führen, weswegen sie auch Treibhausgase genannt werden. Zwar gab es auch 1972 schon eine Idee von der klimaverändernden Wirkung von CO2, aber das war bestenfalls ein Randthema.

Was nun ist aber der Unterschied zwischen Klima- und Umweltschutz? Umweltschutz konstituiert sich meist örtlich und wird von den wahrnehmbaren Wirkungen dort bestimmt. Daher auch der Zusammenhang zwischen „weichen Faktoren der Meinungen und Grundeinstellungen unterschiedlicher sozialer Gruppen“. Konkret: wer die Innenstädte in Deutschland vom verbrennungsmotorisierten Individualverkehr befreit, der macht eine gute Umweltpolitik für die Stadtbewohner:innen dort.

Klimapolitisch bewirk dies aber erst einmal gar nichts und wenn es schlecht läuft, ist die Folge eine erhöhte Emission von CO2. Das hört sich paradox an, hängt aber mit der Wirtschaftsweise zusammen, die Rohstoffströme nicht planmäßig organisiert, sondern dem Markt anheim gibt, die Verteilung zu regeln. Diese Marktwirtschaft bewirkt, dass der Nachfrageausfall nach Superbenzin und Diesel zu einer Preissenkung bei den Anbietern dieser Treibstoffe führt, wenn dieser nicht zugleich synchronisiert ist, mit einer Produktionsverringerung. Der sinkende Preis wiederum führt zu einer Erhöhung der Nachfrage an anderen Orten der Welt. Wenn die Einnahmeausfälle durch Mengensteigerungen kompensierbar erscheinen, so wird die Produktion ausgeweitet und am Ende führt die Einschränkung der Mobilität in den Innenstädten für PKWs hier, ggf. zu einer Sonderkonjunktur von SUVs und anderer hochmotorisierten Fahrzeugen, aufgrund günstiger Treibstoffpreise andernorts.

Klimapolitik ist also weitaus komplizierter, weil bei ihr der Handlungsrahmen einerseits örtlich ist und andererseits diese aber global konzipiert werden muss, weil es hier eine sachlich gebotene Entgrenzung gibt. Auch der Ausstieg aus der Kohleverbrennung hier, bedeutet nicht, dass sich das Klima nicht gerade deswegen erst einmal verschlechtert. Etwas anderes ist die Einstellung der Kohleförderung. Kohle die nicht auf den Markt kommt, kann nicht verbrannt werden.

Das alles spricht ja nicht gegen Umweltpolitik im nationalen oder europäischen Rahmen, nur ist es nicht automatisch auch eine Politik zugunsten des Klimas. Allerdings könnte es durchaus sein, dass bestimmte Umweltpolitiken langfristig Nachahmung finden und somit Wirkung für die Begrenzung des Temperaturanstiegs entfalten. Vielleicht wartet man darauf auch nicht, sondern nimmt sich Donald Trump und den Protektionismus partiell zum Vorbild. So könnten sich die Länder mit dem höchsten Umweltstandards zusammenfinden und auf alle Waren, die nicht mindestens nach dem in diesen Ländern vorherrschenden Anforderungen erzeugt wurden, Klimaabgaben erheben. Dies würde z.B. bei der exportorientierten Stahlindustrie in Indien schnell dazu führen, die Maßnahmen zur Erreichung der höchsten Umweltstandards bei sich selbst durchgeführt würden.

Man ersparte sich so auch Ersatzkämpfe, wie die aktuell gegen Siemens, weil diese Signalanlagen für ein Projekt des indischen Energiekonzern Adani für die Infrastruktur der Carmichael-Mine liefern will. Bedenklich ist dabei weniger die Gegnerschaft gegen ein Projekt, dass jährlich und langfristig 60 Mio. Tonnen Steinkohle fördern möchte, etwa 50 Prozent mehr, als Deutschland zurzeit pro Jahr verfeuert.

Bedenklich ist der Kampf für Vertragsbrüchigkeit und die Nähe zu bestimmten Politiken, die Vertragstreue für etwas halten, die man nach kurzfristigen Opportunitäten zu beurteilen hat. Wer das Klima auf der Erde erträglich halten möchte, wird essentiell darauf angewiesen sein, dass die Idee, wonach Verträge einzuhalten sind, dogmatisch gehandhabt wird.

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