Blankenburg, 26.09.1939: ......... Wieder wird mir bewußt, wie sehr der Harz ein magisches Gebirge ist. Und auch die Hügellinien, die ihn randen, sind geheimnisvoll. Im Inneren ruhen die alten Heiligtümer und Opferstätten, umschlossen vom Gürtel der Kastelle auf den Vorgebirgen, und endlich folgen, gewissermaßen auskristallisiert, die Fürstensitze und hohen Dome am Rande, wo die Ebene beginnt. Man müsste Bestände dieser Art indessen mit einem Blicke und zeitlos sehen. Die Urkraft liegt in dem Gebirge selbst als das massive Gold. Die Menschensiedlung tritt hinzu, und ihren Bauten teilt sich ein wenig von dem geheimen Glanz mit. Der reichste Kreis von Städten, Schlössern, Domen ist doch nur ein Gleichnis des Überflusses und der Unerschöpflichkeit der Erde selbst. So sind die Steine, die man zum Bau behaut, nur Münze aus dem Schatz der Barren; sie wird auf das Gebot der Fürsten geprägt, doch schmilzt die Zeit sie wieder ein und führt sie formlos zum Überfluß zurück, in dem der Reichtum der Erde ruht: notierte Ernst Jünger in seinem Tagebuch, der an diesem Herbsttag am Harz entlang zum Generalkommando fuhr (veröffentlicht unter dem Titel Gärten und Strassen als Erstes Tagebuch).
Drei Wochen zuvor hat er eingetragen: Jeder Krieg fängt mit Lehrgängen an.......Die Blumen und Früchte reifen nun ohne uns.
Am 1. September 1939 hatten Deutsche Truppen mit dem Polenfeldzugden Krieg eröffnet, der schließlich auch die Harzlandschaft politisch veränderte. In den letzten Wochen des Krieges erklärte die Propaganda der Wehrmacht am Standort Blankenburg die Festung Harz zum unbezwingbaren Zufluchtsort. Aber der Zauber wollte nicht wirken: aus dem magischen Gebirge wurde eine innerdeutsche Grenzregion. Der Sendemast auf dem Brocken war lange Zeit der einzige gemeinsame Vermessungs-Festpunkt.
Heute schläft der Harz.
Als blinder Fleck liegt das Harzland immer noch am Rand der bewohnbaren Welt, für die Ostländer ebenso wie für die Westländer, leidend die Harzstädte wie verlöschende Sterne unter dem pessimistischen Diktat der demographischen Erwartungen. Eine gemeinsame Harz-Identität wird bisher nicht gelebt, zu nachhaltig wirken die Folgen der Teilung, die Verletzungen der Wendezeit und die Konkurrenzen der aufreibenden Jahre nach der Wiedervereinigung.
Dichtgeädert durchzieht das mythologische, historische und kulturelle Myzel diese deutsche Seelenlandschaft. Nur zaghaft erobern sich zeitgenossische Künstler das weiträumige Territorium. Nach der Wende etwa organisiert Peter Lang mit vier ostdeutschen Künstlern, u. a. Neo Rauch, ein Reiseprojekt, das seinen Niederschlag findet in einer Ausstellung und einem Katalog, viele Jahre später erkunden Moritz Götze und Peter Lang in der Sammelausstellung DER HARZ mit BECK, Roland Boden, Jan Eilhardt, Adib Fricke, Rüdiger Giebler, Joachim Grommek, Klaus Jörres, Markus Wirthmann, Ralf Ziervogel das inspirierende Potential der Region.
Aber der Harz kann warten. Schon seit der Steinzeit wissen seine Felsmassive, seine Höhlen, seine Talgründe und seine verzauberten Bäume, dass der Mensch ein launenhafter Weggefährte ist.
Hier endet der 117. Eintrag: Dieser Blog mischt Fiktion mit Realität. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind zufällig und in der historischen Überlieferung nicht verbürgt. Ich bin nur der Navigator, mein Name sei NEMO:
Ich schreibe um unser Leben. Bitte bleib dran.
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Dieser Blog mischt Fiktion mit Realität. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind zufällig und in der historischen Überlieferung nicht verbürgt. Ich bin nur der Navigator, mein Name sei NEMO:
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Kommentare 15
Ach ja, der Harz.
Meine Mutter sprach in den letzten Wochen vor ihrem Tod wieder häufiger von der Zeit, die sie als „Arbeitsmaid“ 1938 in Ilsenburg im Harz verbracht hatte. Es war, sagte sie, die „schönste Zeit meines Lebens“. Besonders gut war ihr in Erinnerung eine Wanderung zum Brocken im Schneetreiben. Nach der Wende fuhren wir im Frühjahr 1990 nach Ilsenburg. Die Menschen, die sie dort gekannt hatte, gab es nicht mehr, und der Ort kam ihr fremd vor.
Danke, Archinaut.
Ich bin dir immer für jeden Beitrag zu meiner Heimat dankbar.
Zur wissenschaftlichen Ergänzung: Die ersten Bewohner des Harzgebietes waren Trilobiten und Graptolithen.
Lieber luggi,
Dank für den Dank.......
übrigens finde ich es faszinierend, dass Du Dich an Trilobiten und Graptolithen noch erinnern kannst!
Schön, dass Du heute hereinschaust, lieber koslowski....
es gibt so gewisse Herbsttage, da muss ich an den Harz denken, auch wenn ich weit weg bin....
Na sicher kann ich mich an die Verkalkten erinnern; stehe ja selbst vor der Verkalkung.
Jetzt bin ich in der Nähe der anderen Verkalkten ...biten und ...lithen, also diese, die in den Kalkalpen ihr Leben vollendeten.
Bei der Geburt besteht der Mensch zu 80% Wasser,
danach nimmt der Wassergehalt ab,
besonders bei adipösen Menschen,
am Ende bleibt etwas Kalk....
PS.: Quelle www.inform24.de/wasser.html
Lieber archie.
danke für den schönen Beitrag. Hat mich gefreut , das zu lesen. Schöner Harz. Da wöre ich jetzt auch gerne. :)
Ist es nicht schade, dass es keine gemeinsame Hartz-Identität gibt?
Herzliche Grüße
poor on ruhr
Ernst Jünger war ein blutiger Schwätzer und die gemeinsame Identität der Harzgegend war schon immer die von Grenzen: Dialektgrenze, Verkehrshindernis, Wetterküche, wechselnde politische Grenze und nicht zuletzt Grenze zwischen Armut und Wohlstand. Südlich der "Hungerharz" des Bruchschollengebirges, wenige hundert Meter weiter nördlich die zweit-fruchtbarsten Böden Deutschlands, gleich nach der Magdeburger Börde. Damit umgehen zu können macht einen nicht geringen Teil der Identität dieser Gegend aus.
Ja Hadie, Differenzierungen und Grenzen werden überall liebevoll gepflegt, besonders zwischen Armut und Wohlstand.... wie auch in anderen Bergregionen gelten die "Harzer" (gibt's die überhaupt?) als streitlustig, engstirnig und zäh, als ob jedes Tal nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist....... ein Wunder scheint unter diesen Vorzeichen, dass der neue Landkreis Harz aus drei Landkreisen entstanden ist, die Halberstädter, die Wernigeröder und die Quedlinburger hben sich ja auch lange gewehrt....
Ernst Jünger war kein Harzer, zitiert habe ich ihn, weil bei ihm ein (zugeneigter!) Blick von außen erkennbar wird, vielleicht in einer Sprache, die man heute nur schwer ertragen mag (da hat jeder aber seine eigenen Gründe...)
Lieber por,
im schönen Landkreis Harz ist die Arbeitslosigkeit hoch,
zum Teil über 20%, viele sind schon länger ohne Arbeit,
eine gemeinsame Hartz-Identität ist da nur eine Frage der Zeit....;-))
Na ja, ich vermute, dass Du es etwas anders gemeint hast,
aber die Leute in der Region sind sehr ehrgeizig, jeder Ort kämpft um den eigenen Tourismus, um das eigene Gewerbegebiet, man geht ungern Kooperationen mit dem Nachbarort ein, da man sich gegenseitig nicht die Butter auf dem Brot gönnt.....
Vielleicht gehört der Harz ja eines Tages den Pandabären?
Herzliche Grüße
archie
Harzreise im Winter
Dem Geier gleich,
Der auf schweren Morgenwolken
Mit sanftem Fittich ruhend
Nach Beute schaut,
Schwebe mein Lied.
Denn ein Gott hat
Jedem seine Bahn
Vorgezeichnet,
Die der Glückliche
Rasch zum freudigen
Ziele rennt;
Wem aber Unglück
Das Herz zusammenzog,
Er sträubt vergebens
Sich gegen die Schranken
Des ehernen Fadens,
Den die doch bittre Schere
Nur einmal löst.
In Dickichts-Schauer
Drängt sich das rauhe Wild,
Und mit den Sperlingen
Haben längst die Reichen
In ihre Sümpfe sich gesenkt.
Leicht ist's folgen dem Wagen,
Den Fortuna führt,
Wie der gemächliche Troß
Auf gebesserten Wegen
Hinter des Fürsten Einzug.
Aber abseits, wer ist's?
Ins Gebüsch verliert sich sein Pfad,
Hinter ihm schlagen
Die Sträuche zusammen,
Das Gras steht wieder auf,
Die Öde verschlingt ihn.
Ach, wer heilet die Schmerzen
Des, dem Balsam zu Gift ward?
Der sich Menschenhaß
Aus der Fülle der Liebe trank!
Erst verachtet, nun ein Verächter,
Zehrt er heimlich auf
Seinen eignen Wert
In ung'nügender Selbstsucht.
Ist auf deinem Psalter,
Vater der Lieb, ein Ton
Seinem Ohre vernehmlich,
So erquicke sein Herz!
Öffne den umwölkten Blick
Über die tausend Quellen
Neben dem Durstenden
In der Wüste!
Der du der Freuden viel schaffst
Jedem ein überfließend Maß.
Segne die Brüder der Jagd
Auf der Fährte des Wilds,
Mit jugendlichem Übermut
Fröhlicher Mordsucht,
Späte Rächer des Unbills,
Dem schon Jahre vergeblich
Wehrt mit Knütteln der Bauer.
Aber den Einsamen hüll
In deine Goldwolken!
Umgib mit Wintergrün,
Bis die Rose wieder heranreift,
Die feuchten Haare,
O Liebe, deines Dichters!
Mit der dämmernden Fackel
Leuchtest du ihm
Durch die Furten bei Nacht,
Über grundlose Wege
Auf öden Gefilden;
Mit dem tausendfarbigen Morgen
Lachst du ins Herz ihm;
Mit dem beizenden Sturm
Trägst du ihn hoch empor.
Winterströme stürzen vom Felsen
In seine Psalmen,
Und Altar des lieblichsten Danks
Wird ihm des gefürchteten Gipfels
Schneebehangner Scheitel,
Den mit Geisterreihen
Kränzten ahnende Völker.
Du stehst mit unerforschtem Busen
Geheimnisvoll offenbar
Über der erstaunten Welt
Und schaust aus Wolken
Auf ihre Reiche und Herrlichkeit,
Die du aus den Adern deiner Brüder
Neben dir wässerst.
Johann Wolfgang Goethe (1777)
Lieber hibou,
ganz, ganz hArzlichen Dank für diese Erinnerung,
Wie die Alten sungen,
So zwitschern die Jungen :-))
dieser schöne text weckt erinnerungen an eine kleine harzreise in den 80ern, die uns nach ilsenburg führte, an der ilse entlang, einen berg hinauf, wo eine wirtschaft die wenigen wanderer erwartete, und dann ... ich erinnere mich, daß es oben neblig war und kaum etwas zu sehen, nur das gestein zu unseren füßen, schroff, schroffer, als es mir im erzgebirg je begegnet (wenn das nicht schon wieder ein traum ist ...)
Liebe jayne,
für Deinen Besuch hier und für Deine Erinnerung an eine Nebelwanderung im Harz danke ich Dir herzlich (nein, war bestimmt kein Traum!)