DDR-Post auch von BRD überwacht

Überwachungsstaat Die DDR-Bürger wurden offenbar nicht nur von ihren "Organen" bespitzelt, sondern auch von der BRD aus.

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Vorweg: Zu Schadenfreude meinerseits besteht kein Anlass. Deshalb werde ich sie hier auch nicht ihrer bedienen. Gregor Gysi sagte einemal sinngemäß: Die DDR war kein Unrechtsstaat, aber es gab Unrecht in ihr. Dem kann ich zustimmen. Schon deshalb, weil es den juristischen Begriff "Unrechtsstaat" gar nicht gibt. Opfer von Verfolgung durch Staatsorgane der DDR werden das womöglich anders sehen. Verständlich. Aber zugegeben: Als mir gestern der Bericht "Überwachungsstaat - DDR-Postkontrolle in der Bundesrepublik" auf "3sat-Kulturzeit" unterkam, stellte sich bei so etwas wie Genugtuung ein. Nicht, dass ich sonderlich überrascht gewesen war, als ich erfuhr, DDR-Post sei in der Bundesrepublik Deutschland von bestimmten "Organen" regelmäßig aufgerissen, gefilzt und sogar beiseite geschafft worden. Mag sein, dass mich die höchstwahrscheinlich hohe Menge der durchsuchte Post etwas verwundert hat. Die Praxis als solche sicherlich nicht. Schließlich herrschte Kalter Krieg. Und mit den beiden deutschen Staaten stießen das kapitalistische und das (angeblich) sozialistische System hart aneinander.

Faule Stellen

Die BRD war eben längst nicht nur der tolle demokratische Staat, den auch viele DDR-Bürger in ihm sahen. Vor einiger Zeit traf ich in Herne einen alten Kommunisten aus Essen, der in den 1950er Jahren KPD-Mitglied gewesen war. Er erzählte mir, wie er im Adenauer-Staat für seine politische Überzeugung in den Knast gesteckt worden und später quasi mit Berufsverbot belegt worden war. So etwas ernüchtert. Aber man erkennt: auch der vermeintlich bessere der einstigen beiden deutschen Staaten gleicht in Teilen einem Apfel mit faulen Stellen. Er vermochte sich nur immer gut herauszuputzen. Überhaupt: An Selbstvertrauen hat es dem westlichen deutschen Landesteil gewiss nie gefehlt. Dennoch steht dieser sich königlich dünkende Westteil sogar manchmal mit einem Male nackt vor einem. So gestern nach dem Ansehen dieses Berichtes auf 3sat-Kulturzeit.

Die Heuchelei des Westens

Warum nun also Genugtuung? Weil das die öfters angekratzte Seele eines gewesenen DDR-Bürgers wie ich eben einer bin, ein wenig salbt. Wie oft musste ich - und muss es noch heute - seit dem Ende der DDR bestimmte als Spässe getarnte Stasi-Anmachen schlucken! Wie oft das Wort "Ossi" wegstecken. Wie oft mir erklären lassen, wie ich in der DDR angeblich gelebt hatte. Alles unter der Rubrik "Ihr hattet doch nichts!". Die DDR galt per se als Unrechtsstaat, das dort gelebte Leben sozusagen - frei nach Adorno - als kein richtiges, weil im falschen Leben gelebtes. Iwo: Überempfindlich bin ich bestimmt nicht. Nur kübelweise über einem (auch via mancher Medien) früherem Leben ausgegossene Häme, stinkt dann doch ziemlich zum Himmel! Und diese Selbstgewissheit dabei! Und ist es nicht wieder die gleiche Häme, die mit einem wie auflockiertem Selbstbewußtsein de luxe und in quasi gleichsam unanfechtbarer Selbsterhebung über andere Völker (Griechen, Portugiesen, Spaniern, Franzosen, die islamische Welt) ausgegossen - selten aber hinterfragt wird? Deutschland, die Deutschen - sind immer die besseren! Sind frei und demokratisch eingestellt bis in die Haarspitzen hinein. Man trägt die Worte Freiheit und Menschenrechte wie Monstranzen vor sich her. Welch Heuchelei! Jean Ziegler spricht in Verbindung mit Hunger und Unrecht auf der Welt in Verantwortung des Westens von einer Heuchelei des Westens...

Ja, Hochmut kommt vor dem Fall. Viele Dinge sind nicht wie sie scheinen zu sein, oder schienen gewesen zu sein. Zeigt man mit dem Finger einer Hand auf andere, zeigen halt immer vier Finger auf einen zurück. Die BRD also auch ein Überwachungsstaat? Damals. Und heute in Teilen wieder. Nur technisch perfekter...

Der Text zum Filmbeitrag via 3sat-Kulturzeit:

Dass Bürger bespitzelt wurden und weder Post noch Telekommunikation vor dem staatlichen Zugriff sicher waren, kennt man aus der DDR. Dass aber auch in der Bundesrepublik ähnliche Zustände herrschten, ist neu. Der Freiburger Historiker Josef Foschepoth behauptet genau das in seinem neuen Buch "Überwachtes Deutschland".

"Das war das am besten und am meisten überwachte Land in Europa, vielleicht auch weltweit", sagt Josef Foschepoth über die DDR. Im ehemaligen Bahnpostamt in Hamburg wurden jahrzehntelang Briefe und Pakete aus der DDR aufgerissen und durchsucht. "Die Post wurde hier vom Postbahnhof in den Aufzug im Mittelbau transportiert und von dort in den siebten Stock befördert", erinnert sich Carl-Henry Dahms, ehemaliger Beamter der Bundespost. "Das war ein Raum mit drei bis vier Postbeamten und einem Zollbeamten. Das fand an Tischen statt, die vor dem Fenster angeordnet waren."

Hier geht es zum 3sat-Kulturzeit-Film

Wie eingangs erwähnt, geht es hier nicht um Schadenfreude. Auch nicht darum, die DDR besser zu zeichnen als sie war. Um ein wenig Genugtuung vielleicht. Eigentlich um zwei Seiten einer Medaille, die man geflissentlich durch die gleiche Brille betrachten sollte. Und die gewesenen DDR-Bürgerinnen und Bürger - werden die nun wieder einmal enttäuscht sein? Wohl kaum. Sie waren es gewohnt beobachtet zu werden. Dass nun gewissermaßen nicht nur im Inneren sondern auch von außen und noch dazu vom Großen Bruder im Westen bespitzelt worden sind, werden sie verschmerzen. Wenn sie angeblich nichts hatten, Kummer hatten sie über die Jahrzehnte genug. Den waren sie gewohnt. Man musste sich nur zu helfen wissen...

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Geschrieben von

asansörpress35

Politischer Mensch, der seit der Schulzeit getrieben ist, schreibend dem Sinn des Lebens auf die Spur zu kommen.

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