Von der "Was tun!" NRW-Konferenz in Dortmund

Für eine starke linke Kraft Nicht nur für Ingo Meyer ist DIE LINKE "ein totes Pferd". In Dortmund trafen sich Linke (auch parteiunabhängige), die sich in einer außerparlamentarischen Bewegung engagieren

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„Was tun NRW!“ ist laut Selbstauskunft eine außerparlamentarische Sammlungsbewegung von in der Partei Die Linke tätigen Funktionsträgern, darunter Kreissprecherinnen beziehungsweise Kreissprechern, kommunalen Mandatsträgern und Mitgliedern von Sprecher*innenräten von Landesarbeitsgemeinschaften. „Viele von uns“, heißt es weiter, „sind in der SL NRW (Sozialistische Linke; C.S.) organisiert. Bei uns wirken aber auch noch ehemalige Mitglieder der Partei Die Linke mit, welche in kommunalen Parlamenten tätig waren beziehungsweise jetzt parteilos sind. Auch haupt- und ehrenamtliche Gewerkschaftsmitglieder arbeiten bei uns mit.

Unsere Intention ist es, uns aktiv für eine neue starke linke politische Kraft in Deutschland und NRW zu engagieren.

Themenschwerpunkte unserer Arbeit sind Soziales, Friedenspolitik und eine Umweltschutzpolitik, welche nicht zu Lasten der Lohnabhängigen, Erwerbslosen und des Mittelstandes erfolgt.

Sahra Wagenknecht und ihren politischen Ansätzen stehen wir in diesem Kontext sehr positiv gegenüber.“

So stand es in der Einladung zur am vergangenen Samstag stattgefunden habenden „NRW-weiten Was tun! – Konferenz“ im Bürgerhaus Pulsschlag in Dortmund zu lesen.

Wer „Was tun NRW!“ ist

Auf der Website von„Was tun NRW!“stellt man sich so vor: „Wir sind ein politischer Zusammenschluss in Nordrhein-Westfalen, der sich aktiv für die dauerhafte Existenz einer starken linken, sozial- und friedenspolitisch orientierten politischen Kraft einsetzt. Eine optimistische sowie zukunftsorientierte Kraft, welche unter anderem Persönlichkeiten wie Sahra Wagenknecht verbunden ist. Und die sich natürlich auch für in einen in einem sozialen Kontext eingebetteten Umweltschutz, Antifaschismus und eine gerechte Kommunalpolitik ganz konkret vor Ort mit Mut und Menschlichkeit engagiert.“

Über die Veranstaltung

Die Eröffnung und Begrüßung des Treffens hatte Ingo Meyer übernommen.

Es gehe darum, im außerparlamentarischen Bereich wieder eine starke linke Kraft zu etablieren, erklärte er. Meyer beklagte den politischen Einflussverlust der Partei DIE LINKE. Man sehe gerade in Arbeitervierteln und dort wo besonders viele Erwerbslose und arme Menschen leben, dass die AfD hauptsächlich da zunehmend an Stimmen gewinne.

Meyer gab aber zu verstehen, man dürfe nicht den Fehler machen das den Menschen, die die AfD wählen, anzulasten und sie zu beschimpfen. Denn es gebe unter der AfD-Wählern viele Menschen, die diese Partei aus Protest wählten, aber gar nicht wüssten, was diese Partei will und dass sie vorallem auch neoliberale Programmpunkte der AfD gar nicht kennen.

Ingo Meyers Appell: „Diese Menschen müssen wir wieder erreichen und sie dazu bringen sich wieder links zu engagieren bzw. links zu wählen“.

Was man nur tun könne, wenn man den Menschen zuhört und auf sie zugeht.

Der Politiker beklagte, es gebe in der Partei DIE LINKE zunehmende Tendenzen diese Menschen abzustempeln und auch ganz oben im Karl-Liebknecht-Haus höre man Meinungen, der Art, es habe gar keinen Sinn diese Menschen erreichen zu wollen.

Bei denen, die so dächten, handele es sich meist um sogenannte Lifestyle-Linke bzw. Pseudolinke – wie das etwa auch Sahra Wagenknecht bereits kritisiert hat. Man wolle sozusagen „grüner als die Grünen“ sein.

Ingo Meyer: DIE LINKE ist für mich „ein totes Pferd“

Ingo Meyer vertritt die Meinung, dass die Partei DIE LINKE zunehmend darin versagt, wirklich linke Politik – im traditionellen Sinne – für die Benachteiligten in dieser Gesellschaft zu machen.

Meyer: „Ich persönlich bin der Auffassung, dass es tatsächlich zu einer neuen Partei kommen wird. Und, dass es auch wichtig und notwendig ist, dass dies geschieht.“ DIE LINKE sei für ihn inzwischen „ein totes Pferd“. Weshalb so einige schon aus der Partei ausgetreten seien.

Er machte den Vorschlag mit anderen Bewegungen, die ähnliche Positionen vertreten, zusammenzuarbeiten. Als Beispiele nannte Meyer „Die Unbeugsamen“, oder auch die Aufstehen-Bewegung, die es ja noch immer gebe.

Es gehe allerdings darum menschlich miteinander zu diskutieren und sich solidarisch zu verhalten.

Moralinsaure Argumentationen und Menschen betreffs ihrer kritischen, anderen Meinung als rechtsoffen, böse oder gar als zu Nazi bezeichnen seien kontraproduktiv und müssten konsequent abgelehnt werden.

Eine solche fragwürdige Art der Diskussionskultur erlebe man zunehmend auch in der Linkspartei.

Es sei auch ein Unding, dass man mittlerweile als rechts gelte, wenn man sich für Frieden und für eine Verhandlungslösung betreffs der Beendigung des Ukraine-Kriegs einsetze, skandalisierte Ingo Meyer als „Infamie“. Dies dürfe nicht unwidersprochen bleiben.

Gedanken zur Friedenspolitik von Isabelle Casell

Ein Referat in Sachen Friedenspolitik von Isabelle Casell brachte Ingo Meyer dann zu Gehör, weil die Referentin verhindert war.

Unter anderen machte Casell darin deutlich, dass es eine Friedenspolitik nur mit und nicht unter Ausschluss Russlands geben könne. Sie wies daraufhin, dass auch gesehen werden müsse, dass Europa nicht nur aus den EU-Mitgliedsstaaten, sondern aus 40 Staaten bestehe. Die Europäische Union leide unter einen Mangel an Demokratie, Legitimität und Transparenz. Es gebe keine klare Gewaltentrennung von Exekutive, Legislative und Judikative. Das Europäische Parlament müsse das gesetzliche Vorschlags- und Mitentscheidungsrecht in allen Politikfeldern erhalten. Auch das exklusive Recht die Kommission und ihre einzelnen Mitglieder zu wählen und abzuwählen. Nötig sei die Demokratisierung aller Bereiche. Das Festhalten an Völkerrecht und Grundgesetz müsse Grundlage politischen Handelns sein. Die zunehmende Militarisierung der EU, so Casell, sei mit großer Sorge zu betrachten.

Auch spricht sie sich für eine gerechte Umverteilungs- und Steuerpolitik aus. Nötig seien Kürzungen des Militärhaushalts. Sowie ein Stopp der Produktion von Kriegswaffen. Ein Ende von Rüstungsexporten fordert Casell ebenfalls. Sie kritisierte, dass sich das Recht des Stärkeren in der Politik immer mehr durchsetze.

Sie fordert eine umfassende und objektive Medienberichterstattung. Geschehnisse müssten mindesten von drei Seiten betrachtet werden. Desgleichen wendet sie sich gegen Zensur- und Abhörmaßnahmen.

Robert Schwedt zu Sozialpolitik, allgemeiner „relativer Armut“ und der skandalösen Kinderarmut im Lande

Robert Schwedt befasste sich in seinem interessanten Vortrag mit Sozialpolitik und der skandalös hohen Kinderarmut hierzulande. Er macht anhand von Beispielen deutlich, was „relative Armut“ in einem der reichsten Länder der Welt, was Deutschland ja ist, für die einzelnen Menschen bedeutet. Was ja auch mit Vereinsamung verbunden ist, weil man sich oft gar nicht mehr mit Freunden und Bekannten treffen könne. Dass führt überdies zu Scham. Jeder Cent muss ja mehrmals umgedreht werden. Man habe etwa 17 Prozent Armut in Deutschland. Jeder fünfte Mensch hierzulande sei von Armut betroffen, jedes vierte Kind arm!

Im Nachklapp ergänzt Robert Schwedt heute und präzisiert auf der„Was tun NRW!“-Facebook-Seite: «Ich war am Samstag auf einem Treffen der „Was tun NRW“ Gruppe und habe ein Referat zum Thema Armut, mit dem Schwerpunkt Familienarmut gehalten.

Auf dem Treffen gab es drei Schwerpunktthemen, Frieden, Ökologie und Armut.

Als ich das Ganze noch mal Revue passieren habe lassen, habe ich gemerkt, dass wir alle zu kleinteilig gedacht haben und den Hauptschuldigen nicht benannt haben, das möchte ich jetzt nachholen.

Die Gier des Kapitals wird nicht durch den Besitz gestillt, sondern durch den Erwerb!

Daher treibt es uns in immer neue Kriege um im ersten Schritt an den Waffen und im zweiten Schritt durch den Aufbau Profite zu erzielen.

Es schickt auch nicht seine Kinder in den Krieg, sondern unsere, um für seine Gier zu sterben.

Das Kapital durchwühlt unsere Welt auf der Suche nach der letzten Schaufel verwertbaren Dreck und zerstört damit unsere Lebensgrundlage und die unserer Kinder und merkt nicht einmal, dass es sich damit selbst das Wasser abgräbt, da es von seiner Gier geblendet ist.

Es erzeugt Armut um sich an dieser zu bereichern und geht dabei nicht nur sprichwörtlich, sondern ganz real über Leichen, denn, Armut tötet und diese Toten nimmt das Kapital in kauf um seine unersättliche Gier zu stillen.

Somit muss man das Kapital und dem ihn hörigen Regierungen als Feind der Menschheit ansehen, da sie uns in immer neue Kriege treiben unsere Umwelt zerstören und uns in Armut verkommen lassen und uns dann noch einreden wollen, das wir kollektiv an all dem Schuld sind.

Nein, nicht wir sind schuld, sondern die unstillbare Gier des Kapitals ist es, die die Schuld trägt!«

Grußwort von Dr. Alexander Neu

Ein Grußwort hielt Dr. Alexander Neu (Ex-MdB der Linksfraktion). Die Videoübertragung über das Internet, über welche er zugeschaltet wurde, war nicht stabil. Aber schließlich gelang es den Vortrag von Neu über Smartphone und und Saalmikrofon dem Auditorium zu Gehör zu bringen.

Neu sagte, der Bedarf an einer neuen Partei wachse. Zu viele Parteien im Bundestag „seien auf Linie“. Die Politik der Partei der DIE LINKE sei quasi zunehmend unbefriedigend. Da fehle es einfach an zufassender Oppositionspolitik.

Alexander Neu sprach sich gegen die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine sowie für Friedensverhandlungen aus. Die Ukraine habe sicher das Recht sich gegen den Krieg Russlands zur Wehr zu setzen. Für einen Siegfrieden sei er nicht und machte deshalb geltend, dass auch die ukrainische Regierung eine Verantwortung für ihre Menschen und der eigenen Gesellschaft gegenüber trüge und eigentlich alles unternehmen müsse, um noch mehr Tote zu vermeiden.

Er wies zustimmend auf die Friedensüberlegungen von Ex-General Kujat, Peter Brandt und anderen in den entsprechenden Papieren hin, denen man nachgehen und diese unterstützen solle. Hart schalt er die „Sofastrategen von Grünen, über FDP bis SPD und CDU (Kiesewetter!)“, die vorm Fernseher säßen „und die Ukraine auffordern bis zum letzten Mann, bis zur letzten Maus zu kämpfen“. Das zeuge von reinem Russenhass.

Dr. Neu mahnte eine vernünftige Sozialpolitik an. Es brauche eine Partei, die Contra gibt gegen die jetzige Politik der Ampel.

Wer erlebten eine Außenpolitik in der Tradition des Kuschens, des Abtauchens und der Abhängigkeit von US-Politik, beklagte Dr. Alexander Neu.

Überlegungen zu Umweltschutz und Energiesicherheit

Interessante Überlegungen waren zum Themenbereich „Sozialverträglicher Umweltschutz“ von den Referenten Thomas Strobel und Hans Baur zu vernehmen. Dabei ging es um Fragen des Energiebedarfs.

Austausch der Vernetzungsgruppen

Im Anschluss wurden Arbeitsgruppen zu den Themen Frieden, Kinderarmut, und Umweltpolitik gebildet. Es kam zu lebhaften und engagierten Diskussionen. Ein Austausch mit den als Gäste anwesenden Vernetzungsgruppen schloss das interessante Treffen ab. Bleibt noch zu erwähnen, dass an der Veranstaltung auch einige völlig parteiunabgängige Linke teilgenommen haben.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

asansörpress35

Politischer Mensch, der seit der Schulzeit getrieben ist, schreibend dem Sinn des Lebens auf die Spur zu kommen.

asansörpress35

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