Am vergangenen Sonntag ging die dreitägige IALANA-Medientagung mit dem Thema „Krieg und Frieden in den Medien“ in Kassel zu Ende. Vorweg: Die Tagung war ein Riesenerfolg! Laut Veranstalter waren 350 interessierte BesucherInnen da und folgten aufmerksam dem dichten und hochinteressanten Programmteilen mit vielen äußerst informativen Referaten kompetenter Gäste, welche die Veranstalter eingeladen hatten. Es ging um das Thema „Krieg und Frieden in den Medien“ und die Frage: Kann man ein Leitbild „Friedensjournalismus“, der Wahrheit verpflichtete und deeskalierende Berichterstattung etablieren? Anlass für die Tagung war nicht zuletzt auch die unumstößliche Tatsache, dass das Vertrauen in die Berichterstattung der deutschen Medien zweifelsohne nachgelassen hat. Auf dem Höhepunkt der Ukraine-Krise im Jahre 2014 machte sich der wachsende Unmut der Medienrezipienten besonders stark Luft.
Jede Menge Kompetenz und Engagement – Die Referenten und Diskutanten
Auf der Tagung sprachen bzw. diskutierten Daniela Dahn (Journalistin und Autorin), Max Uthoff (Kabarettist u.a. Die Anstalt und Jurist), Dr. Sabine Schiffer (Institut für Medienverantwortung), Prof. Dr. Günther Rager (TU Dortmund), Maren Müller (Ständige Publikumskonferenz öffentlich-rechtliche Medien e.V.), Markus Fiedler (Lehrer, Autor u.a. von „Die dunkle Seite der Wikipedia“), Prof. Dr. Ulrich Teusch (Autor), Dr. Kurt Gritsch (Institut für Zeitgeschichte Innsbruck), Prof. Dr. Gabriele Krone-Schmalz (ehem. ARD), Albrecht Müller (Herausgeber der NachDenkSeiten), Dr. Uwe Krüger (Universität Leipzig), Ekkehard Sieker (u.a. Team Die Anstalt), Prof. Dr. Jörg Becker (Politikwissenschaftler), Volker Bräutigam und Friedhelm Klinkhammer (ehem. ARD und NDR; Programmbeschwerden), Jens Berger (Redakteur NachDenkSeiten), Pascal Luig (Chefredakteur WeltnetzTV), Jens Wernicke (RUBIKON)) Dr. Ute Finkh-Krämer ((EX-MdB), Reiner Braun (Co-Präsident IPB) und Tilman Wörtz (Peace Counts). Einen musikalischen Höhepunkt setzte zum Abschluss des zweiten Tagungstages Konstantin Wecker mit einem Konzert für die TeilnehmerInnen. Alles in allem: jede Menge Kompetenz und Engagement.
Begrüßung durch Otto Jäckel
Daniela Dahn lieferte Grundgedanken zum Tagungsthema
Die Grundgedanken („keynote speech“) zum Thema der Tagung trug die Autorin Daniela Dahn am Freitagabend vor. Sie sprach davon, dass wir eine „weißgewaschene Kriegsberichterstattung“ erlebten. Aktuell in „besonders empörenden Fall, was sich die Türkei hier leistet“. Dahn meinte den aktuellen völkerrechtswidrigen Angriffs der Türkei auf die Kurden in Syrien. Eine kritische Berichterstattung erlebe man nur von „wenigen linken Nischenjournalisten“. Angesichts dessen müsse sich niemand darüber wundern, dass Medien an Vertrauen einbüßten. Der „Grundkonflikt in den Medien“ sei „der alte“. Auf dem rechtspolitischen Kongress der SPD vor über vierzig Jahren habe der spätere Bundesverfassungsrichter Wolfgang Böckenförde, so Dahn, gesagt: Es gebe keine akzeptable Vorschläge wie die Pressefreiheit unter der Dominanz von Privateigentum zu sichern sei. Und habe die Schwierigkeiten Machtbegrenzungen und Freiheitssicherung im Medienbereich zu verwirklichen beschrieben. Die privatrechtliche Organisation der Medien führe zu einer Kumulation von wirtschaftlicher Macht und Kommunikationsmacht. Sie erinnerte damit daran, dass über die Anstellung auch von politisch oder anders orientierter Redakteure befände allein der Verleger oder Konzern in dessen Eigentum sich die Redaktion befindet. Auch die öffentlich-rechtlichen Anstalten unterlägen keiner wirklich demokratischen Kontrolle.
Selbst der einstige Bundespräsident Horst Köhler habe den Presserat seinerzeit mit einem Marx-Zitat überrascht: „Die erste Freiheit der Presse besteht darin, kein Gewerbe zu sein“. Dahn: „’Deine Freiheit ist nicht meine Freiheit, ruft die Presse den Gewerbe zu‘, hatte Marx in der Rheinischen Zeitung ergänzt“. Und sie beschied: „Doch die Freiheit des Gewerbes hat gesiegt. Medien sind Kommerz.“ Die öffentlich-rechtlichen Anstalten sollten, daran erinnerte die Rednerin, eigentlich von Gewinnüberlegungen frei sein: „Aber davon ist wenig zu merken.“ Um ihrer TV-Kritik Ausdruck zu verleihen, zitierte Daniela Dahn Peter Scholl-Latour, der befunden habe: „Wir leben im Zeitalter der medialen Massenverblödung“. Die Aufklärungsarbeit der durch Quellen fundierten ZDF-Kabarettsendung „Die Anstalt“ (die Arbeit macht, die Journalismus leisten müsste; C.S.) strich Dahn indessen heraus.
Freilich gebe es noch kritischen, aufklärenden Journalismus in TV-Beiträgen („auf der Mitternachtsschiene“) „von Redakteuren, die nicht aufgegeben haben“, aber sie seien zu marginal, um Oskar Negts These von der „unterschlagene Wirklichkeit“ zu widerlegen. „Die Angst der unbequemen Journalisten vor dem Elfmeter in der Redaktionssitzung kommt hinzu“, gab die Autorin zu bedenken. Angesichts exzessiver Sparpläne und Redaktionsverkleinerungen sei „eher Selbstgleichschaltung angesagt“. Profiliert hätten sich „die Journalisten, die problemlos auch zu Regierungssprechern werden können“.
Um zu verdeutlichen, wie Meinungsbeeinflussung und Desinformation organisiert werden kann, informierte Dahn darüber, dass allein für das Pentagon in den USA 27 000 PR-Spezialisten mit einem Jahresbudget von fünf Milliarden Dollar arbeiten.
„Wie Kabarettisten auf Krieg und Frieden in den Medien schauen“
Der Höhepunkt des Freitagabends wurde über interessante Kabarett-Video-Präsentationen aus Auftritten von Georg Schramm „Afghanistan“, Volker Pispers „Bis neulich“ sowie Max Uthoff (Die Anstalt) „Verstrickungen deutscher Medien“ und „Syrien“ angesteuert: Der Programmpunkt „Wie Kabarettisten auf Krieg und Frieden in den Medien schauen“. Mit Max Uthoff (Die Anstalt). Fragen in dieser Runde wurden gestellt von Daniela Dahn und Dr. Peter Becker (IALANA) sowie aus dem Publikum. Schauen Sie dazu, liebe LeserInnen, die Aufzeichnung der KollegInnen von WeltnetzTV via You Tube an. Max Uthoff warnte davor die Wirkung von Kabarett zu überschätzen: „Wenn Kabarett etwas verändern würde, wäre es wahrscheinlich verboten.“
„Krieg in den Medien – Wie wird berichtet, warum wird es so berichtet?“ Beiträge von Dr. Sabine Schiffer und …
Dr. Sabine Schiffer ging zu diesem Behufe den Fakt der Medienkonzentration und der Frage „Wer beherrscht die Medien?“ nach. Sie zitierte eingangs einen Text der Friedrich-Ebert-Stiftung: „Die Medienkonzentration und ihre Rolle als politischer Akteur sind ein drängendes Problem für Lateinamerika.“ Schiffer: „Das ist nicht nur richtig. Das trifft auch außerhalb Lateinamerikas zu. Auch bei uns.“
Dr. Sabine Schiffer stellte bezüglich eines eingeblendeten Bildchens eines Puppenspielers, welcher die Medien quasi wie Marionetten führt, vorweg eines unmissverständlich klar: „Einen Drahtzieher, der das alles kontrolliert und steuert den finden wir nicht. Den würden wir uns in den Medienwissenschaften manchmal sogar gerne wünschen.“ Dann wäre alles einfach. „Aber, es ist alles sehr komplex.“
Der Vortrag machte deutlich, wie vielfältig Medienverflechtungen (und gegenseitige Beteiligungen an den Medienerzeugnissen) inzwischen sind, ohne dass den LeserInnen dies womöglich bewusst ist. Eine angenommene Medienvielfalt komme heute eher inszeniert daher. Wie kann man etwa erklären, dass ein Nikolaus Blome von der Bildzeitung zum Spiegel wechselt oder umgekehrt? Das habe halt damit zu tun, „dass die teilweise ein Haus sind“.
Dem System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bescheinigte Schiffer „kein schlechtes Konstrukt zu sein“ – es fehle ihm jedoch hier und da die Staatsferne. „Als Dozentin des Internationalen Medienvergleiches“ wolle sie jedoch trotzdem für dieses System werben: „Es ist eine Perle mit Defekten.“ Es mangels Alternativen – wie man im Ausland sehen könne – nicht nur „erhaltenswert sondern auch ausbaunotwendig“.
Ein unabhängiger Journalismus müsse nachhaltig sein. Dr. Schiffer zitierte Eckart Spoo, der immer dafür plädiert habe: „Keine Demokratie ohne Demokratisierung der Medien“. Es sei durchaus anzudenken, das öffentlich-rechtliche System auf Print und Internet auszuweiten. Die Änderung der Rundfunkstaatsverträge sollten geändert und Publikumsräte von allen Mediennutzern gewählt und ein Ombudssystem eingerichtet werden, um von der „Blackbox“ wegzukommen und eine öffentliche Debatte zu ermöglichen. Dazu die „Erlanger Erklärung“ des Publikumsrats.
… Prof. Dr. Günther Rager
Das hart auf Kante „genähte“ – nicht eine Sekunde langweilige – Tagungsprogramm am Samstag nahm sich schließlich noch der Strukturen der Rundfunk- und Fernsehmedien sowie der neuen digitalen Medien an. Da wurden Personalproporze, Kontrollgremien und Inhalte in den Fokus genommen und der Frage nachgegangen „Wer sitzt wofür im Rundfunkrat der öffentlich-rechtlichen Sender?“ und die Auswirkungen von deren Arbeit analysiert. Dies war Aufgabe von Maren Müller (Ständige Publikumskonferenz öffentlich-rechtliche Medien e.V.)
Unbehagen mit Wikipedia
„Innerer und äußerer Frieden als Aufgabe der Medien“
Das Thema „Innerer und äußerer Frieden als Aufgabe der Medien“ war dem Autor („Lückenpresse“) Ulrich Teusch gestellt worden.
„Der Kosovo-Krieg. Eine gesteuerte Debatte“
Dr. Kurt Gritsch brachte schwere Verfehlungen von Politik und Medien mit seinem Vortrag „Der Kosovo-Krieg. Eine gesteuerte Debatte“ in Erinnerung.
„Illegale Kriege und ihre Behandlung in den Medien“
„Illegale Kriege und ihre Behandlung in den Medien“ kamen in Form einer Video-Präsentation eines Auftritts von Daniele Ganser (SIPER) auf Tapet.
„Die Konfrontationspolitik gegenüber Russland und die Medien“
Großes Publikumsinteresse erfuhr die frühere ARD-Korrespondentin Gabriele Krone-Schmalz mit dem von ihr ausgearbeiteten Beitrag „Die Konfrontationspolitik gegenüber Russland und die Medien“. Schon vor ihrem Vortrag musste die Autorin zahlreiche am Veranstaltungsort angebotene Bücher signieren.
„Was lernen wir? Wie mit Propaganda umgehen?“ – Podiumsdiskussion
Daran beteiligt waren Gabriele Krone-Schmalz, Albrecht Müller (NachDenkSeiten), Dr. Uwe Krüger (Universität Leipzig), Andreas Zumach (Journalist) und Ekkehard Sieker aus dem „Die Anstalt“-Team.
Liedermacher Konstantin Wecker beschloss den Samstagabend ohne einen Soundcheck machen zu können – alles lief dennoch bestens – mit einem unvergesslichen Konzert mit nachdenklichen, sensiblen und engagierten forschen Lieder. Das Publikum, das gleich zu Anfang bei seinem „Willy“-Lied voll dabei gewesen war, erklatschte noch mehrere Zugaben. Ein praller Abend. Ein in jeder Hinsicht gelungener Tag im Gemeindesaal der CROSSjugendkulturkirche Kassel am Lutherplatz samt nicht weniger begeisterndem Abend, welcher mit einem kleinen Empfang beschlossen wurde.
Fazit und Kritik
Abschließend sei die Tagung, die den Veranstaltern gewiss viele Anstrengungen gekostet hat, sei diese zunächst einmal in höchsten Tönen gelobt. Sie hat die an sie gestellten Erwartungen sicher für viele BesucherInnen er- und wenn nicht gar übererfüllt. Das Programm ließ eigentlich nichts zu wünschen übrig. Vielleicht dann doch etwas, dass aber den Organisatoren nicht angelastet aber dennoch auch von ihnen bedacht werden sollte:
Kritische, bedenkenswerte Worte eines „bemoosten Karpfens“
Zu diesem Behufe möchte ich die kritischen Worte von Prof. Dr. Peter Grottian zitieren, welcher der Sozialwissenschaftler am Ende der Veranstaltung aus dem Saal heraus zu bedenken gab: Er habe bei 350 Teilnehmerin nur vier oder fünf junge Leute unter 23 Jahren ausgemacht.
„Die Mittelalterlichen und wir als bemooste Karpfen scheinen nicht sehr erfolgreich gewesen zu sein, unsere Kinder, Enkelkinder, Nichten und Neffen zu so einer tollen, wichtigen Tagung zu gewinnen. Wo ist denn der Kassler Studienrat mit seiner Abiturklasse und die fünf Studierenden einer Hochschullehrerin der Gesamthochschule Kassel? Wo die ganze aufmüpfige Zivilgesellschaft von Attac und Greenpeace? Und wo sind denn hier irgendwelche Leute von irgendwelchen angeblichen Jugendorganisationen? Das verweist auf ein strukturelles Problem. Für unsere hier verhandelten und toll verhandelten Themen haben wir keinen demokratischen Nachwuchs. Die junge Generation ist zwar interessiert. Aber eine Zwei-Tage-Tagung tun sie sich nicht an. (…) Die Generation der 14-29-jährigen die sage und schreibe zehn Stunden mit allen sozialen Medien durchschnittlich jeden Tag verbringt. Wo ist denn da noch Platz für eine IALANA-Tagung?“ Das sei „einer der Gründe, warum Demokratie lautlos vor die Hunde geht. Denn wenn das so ist, dann ist die junge Generation offenkundig eine, die den Lebensalltag so anders organisiert, dass für das Verständnis für uns bemoosten Karpfen nach politischen Widerstand und Selbstorganisation einfach gar kein Platz mehr ist.“
Im Publikum hob nach dieser Wortmeldung ein leichtes Murren an. Das aber sollte im Sinne von Grottians Worten in ein Nachdenken oder gar Handeln münden, meine ich. Selbst dann, wenn bedenken muss: Die junge Generation gibt es sicher nicht.
Wo blieben die „richtigen“ Medien auf dieser Medientagung?
Noch etwas fragt man sich: Wo blieben die „richtigen, die etablierten Medien?", wie sich Albrecht Müller (Herausgeber NachDenkSeiten) ausdrückte, auf dieser Medientagung? Der Organisatoren, hieß es, haben sie und auch die öffentlich-rechtlichen Medien eingeladen. Gesehen hat man sie nicht. Möglicherweise waren Zeitungsleute da? Schade. Die elektronischen Medien haben etwas verpasst. Immerhin war neben den Team von WeltnetzTV Russia Today (RT Deutsch) mit einem Kamerateam dabei. Hoffentlich kreidet man das den Veranstaltern nicht negativ an. Man hat ja schon Pferde vor der Apotheke …
Hinweis: Bebildert findet sich der Beitrag (Fotos von mir) hier.
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