"Kumpel" Frank: "Kommen Sie zahlreich!"

Ruhrfestspiele 2013 Das Theaterfestival gründet auf dem Solidaritätsgedanken “Kohle gegen Kunst – Kunst gegen Kohle”.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Am 1. Mai wurden auf dem Grünen Hügel der Stadt Recklinghausen die 67. Ruhrfestspiele eröffnet. Sie stehen unter dem Motto “Aufbruch und Utopie”. Das größte Theaterfestival Europas wartet 2013 mit 100 Produktionen auf. Festspielleiter Frank Hoffmann rief dazu auf, die Vorstellungen zahlreich zu besuchen.

http://www.readers-edition.de/wp-content/uploads/2013/05/2013-05-01-13.02.39-1024x768.jpg

"Kumpel" Frank Hoffmann (links) und Betriebsratschef Norbert Maus (rechts) eröffnen die 67. Ruhrfestspiele mit einem kräftigen "Glück auf!"; Fotos (2): asansoerpress35

Dreiviertel zwölf erreichte der 1.Mai-Zug Recklinghausens das Ruhrfestspielhaus auf dem Grünen Hügel der Stadt. Zuvor waren die Demonstranten unweit des Rathauses von Recklinghausen aufgebrochen. Es ist seit Jahrzehnten guter Brauch, dass der Recklinghäuser 1.Mai-Umzug vorm Ruhrfestspielhaus auf dem Grünen Hügel des Stadtparks endet. Nach der dort stattfindenden Abschlußkundgebung werden stets die Ruhrfestspiele Recklinghausen eröffnet.

Blackout? Nur eine kleine Panne

http://www.readers-edition.de/wp-content/uploads/2013/05/2013-05-01-11.41.55-300x225.jpg

Der 1.Mai-Umzug 2013 der Stadt Recklinghausen trifft am Ruhrfestspielhaus ein

Der Beginn der Kundgebung verspätete sich um wenige Minuten: Es fehlte wohl an einer starken Stromversorgung für die Mikrofonanlage. “Seht ihr”, ätzte jemand spasseshalber aus der Menge, “Blackout! Wir sind ja immer vor der Energiewende gewarnt worden!” Aber: nix mit Blackout. Rasch war die Panne behoben. Und es konnte losgehen. Klaus Brüsek von der IG BCE begrüßte die Kundgebungsteilnehmer und lobte die gute Beteiligung. Brüsek sprach sich dafür aus, die Kandidaten der demokratischen Parteien, die im September für den Bundestag kanditieren einer genauen Prüfung zu unterziehen. Und zwar inwieweit deren politische Ziele mit gewerkschaftlichen Vorstellungen und Forderungen kompatibel seien. Der Gewerkschafter erinnerte an die jüngsten bereits erfolgten oder noch geplanten Betriebsschließungen im Kreis Recklinghausen. Und perspektivisch auch daran, dass, wenn – wie durch die Politik beschlossen – Ende 2018 der deutsche Steinkohlebergbau beendet sein wird noch einmal zehntausend Arbeitsplätzen wegfallen. Da, so Brüsek, kämen nicht zuletzt ziemliche große Probleme auf die Kommunen zu.


Wolfgang Pantförder, Bürgermeister von Recklinghausen: “Soziales Deutschland” nötig

Darauf hob auch der Recklinghäuser Bürgermeister Wolfgang Pantförder (CDU) ab. Er forderte Regierungen in Bund und Land – unabhängig von deren politischer Färbung – daran zu bemessen, was sie dafür täten, um den Kommunen zu einer auskömmlichen Finanzausstattung zu verhelfen. Entsprechende Forderungen müssten an die jeweilige Regierungen gerichtet werden, verlangte der Christdemokrat. Die nämlich müssten in die Lage versetzt werden Einrichtungen der Daseinsvorsorge angemessen anbieten zu können. Vorrangig müsse man sich um Kinder und Jugendliche zu kümmern. Eine von Pantförders Forderungen war die nach guter Arbeit und die Verhinderung von Altersarmut. Der Bürgermeister: All das seien nun einmal gesamtgesellschaftliche Aufgaben. Pantförder verwies wie schon in den vergangenen Jahren abermals darauf hin, dass Recklinghausen, die 1.Mai-Kundgebung und zuvorderst die Ruhrfestspiele nicht auseinander zu denken seien. Die Stadt könne man sich ohne die seit nunmehr sechzig Jahren auf dem Grünen Hügel stattfindenden Ruhrfestspiele nicht mehr vorstellen. Auch nicht ohne das, was der sie ausrichtende DGB, die Einzelgewerkschaften – voran die IG BCE – dafür täten. Mit einem Augenzwinkern machte sich er CDU-Bürgermeister Hoffnung darauf, vielleicht künftig auch einmal Hauptredner auf der lokalen Mai-Kundgebung sein zu dürfen. Als ein paar Lacher zu hören waren, verwies Wolfgang Pantförder, der auf die politische Farbe seiner Partei anspielend, zugestanden hatte, ja eher dunklere Kleidung zu bevorzugen, darauf, dass im CDU-Logo ja auch ein bisschen Rot vertreten sei. Ehe Wolfgang Pantförder mit einem “Glück auf!” schloss, rief er dazu auf alles für ein “soziales Deutschland” zu unternehmen.

Hauptrednerin Edeltraut Glänzer: Prekäre Löhne = “üble Ausbeutung

Diesjährige Hauptrednerin der DGB-1.Mai-Kundgebung war Edeltraut Glänzer, Hauptvorstand der IG Bergbau, Chemie, Energie. Unumwunden machte die Funktionärin deutlich: Deutschland braucht “einen nachhaltigen Politikwechsel”. Glänzer gedachte zunächst der schlimmen Ereignisse 1933 nachdem die Nazis an die Macht gekommen waren. Während die Faschisten zunächst den 1. Mai zum “Tag der Arbeit” gemacht hatten, waren am Tag danach SA-Schergen ausgerückt, um Gewerkschafter zusammenzuschlagen und Gewerkschaftshäuser zu besetzen. (Heute jährt sich dieser schlimme Tag zum achtzigsten Male.) Es war das Ende der freien deutschen Gewerkschaften. Edeltraut Glänzer: Diese geschichtlichen Ereignisse vor 80 Jahren. müssen Anlass zu Mahnung und Verpflichtung sein, nie wieder ein solches System zuzulassen. Sie fordert ein Verbot der NPD. Wohlwissend, dass ein solches Verbot allein die braune Ideologie in den Köpfen der Neonazis nicht den Garaus macht. Starken Applaus erhielt Glänzer für ihre Mahnung an die Menschen sich gegenüber bestimmten negativen gesellschaftlichen Erscheinungen heutzutage gleichgültig zu verhalten, bzw. diese zu beschweigen. Sie unterstrich ihre Mahnung mit einem Wort von Pastor Martin Niemöller:

„Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist.
Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat.
Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Gewerkschafter.
Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“

Edeltraut Glänzer nannte als Gründe für den dringenden Handlungsbedarf. Nämlich die Tatsache, dass in unserem Land “zuviel schief” und zuviel falsch laufe”. Wenn heute von “prekären Löhnen” geredet werde, dann sei das in Wahrheit “üble Ausbeutung”. Und “Armutslöhne” hätten nichts “mit Sozialpartnerschaft” zu tun. Die Gewerkschaftsfunktionärin beklagte, dass sich, gelänge es den Gewerkschaften einmal ein Lücke zu schließen, schon bald neue auftäten. Als Beispiel nannte Glänzer die Werkverträge. Und Schwarz-Gelb, erhob die IG BCE-Frau empört die Stimme, sei nun vier Jahre im Amt, dennoch warte man vergeblich auf nötige politische, teilweise von Bundesregierung ankgekündigte, Veränderungen. “Wenn wir nach Berlin gucken, dann sehen wir: Still ruht der See.”

Altersicherung sei das Haupthema. Für die Änderung der Missstände gelte, dass die “z.z – ziemlich zügig” abgestellt gehörten. Finanzmärkte müssten kontrolliert und das Verbringen von Geldern in Steueroasen erschwert werden. Gegen eventuelle Einwände argumentiert Glänzer: “Nichts ist alternativlos.” Deutschland brauche Mindestlöhne. Bildungschancen müssten den jungen Menschen eröffnet werden. An die Unternehmen: “Mehr in Bildung investieren und Auszubildende übernehmen!” Die Menschen in Europa, sprach Glänzer mit fester Stimme ins Mikrofon, dürften sich “nicht auseinander dividieren lassen”. Den Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau hält die IG BCE-Gewerkschafterin für falsch.

Norbert Maus: Nach dem Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau “würdevoll aus der Region verabschieden”

Den letzten Satz Glänzers unterschreibt auch Norbert Maus: “Ich akzeptiere diesen Beschluss. Aber akzeptieren tue ich ihn nicht!” Den Ausstieg betrachtet er als “energiepolitisch unvernünftig”. Maus ist Betriebsratsvorsitzender des Bergwerks Auguste Victoria. Maus vertrat die Meinung, die deutsche industrielle Basis müsse erhalten werden, weil sie “unseren” Wohlstand generiere und garantiere. Sie sei sozusagen das Lebenselexier unserer Gesellschaft. Derweil gehe jedoch die “soziale Schere” auseinander. Wer gute Arbeit wolle, müsse auch gute Arbeit bezahlen. Was heiße, dass den Gewerkschaften der Rücken gestärkt werden müsse. Bitter sei: Das Bergwerk Auguste Victoria, so Norbert Maus, lasse 2015 schon die Ausbildung auslaufen. Maus zeigte sich jedoch in einer Hinsicht sicher: Ihre Bergmannsehre versetze sie in die Lage, sich nach den zweieinhalb Jahren, die man noch bis zur Schließung der Zeche “vor der Brust” habe, “würdevoll aus der Region verabschieden” zu können.

Strom, forderte Norbert Maus, müsse bezahlbar bleiben in Deutschland. Sechshunderttaussend Menschen sei letztes Jahr hierzulande der Strom abgestellt worden, weil sie ihn nicht mehr hätten bezahlen können: Das sei “eine Schande für Deutschland”.

Auch Norbert Maus hob noch einmal die Bedeutung des größten Theaterfestivals Europas auch für die Region hervor.

Schlussendlich rief Maus seinen “Kumpel” Frank, den Ruhrfestspielleiter Frank Hoffmann, ans Mikrofon. “Kumpel” Frank dürfe Maus ihn nennen, seit Frank Hoffmann einmal in die Zeche Auguste Victoria hatte einfahren dürfen, liess der Betriebsratsvorsitzende die Kundgebungsteilnehmer wissen. Maus: “Er hat sich gewundert, dass er nicht in Privatkleidung hat einfahren dürfen.”

Zusammen erklärten Norbert Maus und Frank Hoffmann Ruhrfestspiele 2013 mit einem kräftigen “Glück auf!” für eröffnet. Es sind die nunmehr 67. Ruhrfestspiele Recklinghausen.

Ruhrfestspielleiter Frank Hoffmann: “Kommen Sie zahlreich!”

Frank Hoffmann kündigt die kürzeste Rede an diesem Tage an. Und hält sein Versprechen. Er, so Hoffmann, konstatiere ebenfalls das Vorhandensein von sozialer Armut in Deutschland. Über die Krise jedoch wolle man beim Festival nicht reden. Vielmehr ginge es darum, “die Krise aus den Köpfen raus zu kriegen”. Leute, die ins Theater gingen, hätten schwer gearbeitet. Sie wollte nicht nur etwas von der Krise hören. Sie hätten auch das Recht, dass ihnen auch Hoffnung gemacht würde. Nur müsse aufgepasst werden, dass diese Hoffnung nicht blind mache. Die während der diesjährigen Ruhrfestspiele präsentierten 100 Produktionen, die das deutsche Theater beleuchteten, sollten – so stellt es sich Frank Hoffmann vor – dazu inspirieren, sich anzuschauen wie Theaterschaffende es früher geschafft hätten mit Krisen umzugehen. Und andererseits sollen sie dazu animieren nach vorne zu schauen und vielleicht einen Anreiz zum Nachdenken zu geben, wie die Welt ein wenig verbessert werden könne. Frank Hoffmann Aufruf an ein potentielles Publikum: Kommen Sie zahlreich!” Dann wünschte der Chef von’s Janze noch einen “sonnigen 1. Mai”. Das Wünschen hat geholfen…


67. Ruhrfestspiele Recklinghausen: Vom 1. Mai bis zum 16. Juni. Diesjähriges Motto lautet “Aufbruch und Utopie”.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

asansörpress35

Politischer Mensch, der seit der Schulzeit getrieben ist, schreibend dem Sinn des Lebens auf die Spur zu kommen.

asansörpress35

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden