Pay Day Africa 2020 in Köln

Welttag vs. Sklavenhandel Am kommenden Wochenende gibt es in Köln eine wichtige Veranstaltung dazu: den Pay Day Africa

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Eine wichtige Veranstaltung, der PAY DAY AFRICA 2020, wird am kommenden Wochenende, am 22. und 23. August 2020 in Köln stattfinden.

Pressemitteilung der Organisatoren vom Bündnis Pay Day Africa

Nun ist es endlich so weit! Das Event findet statt, trotz Corona!

Anlässlich des INTERNATIONALEN TAGES DER ERINNERUNG AN SKLAVENHANDEL UND DESSEN ABSCHAFFUNG - auch WELTTAG GEGEN SKLAVENHANDEL genannt, organisiert das Bündnis ‚Pay Day Africa‘ ein historisch wichtiges, gesellschaftspolitisches Non-Profit-Event in Köln vom Samstag, 22. bis Sonntag, 23. August, 2020.

Titel des Events: PAY DAY AFRICA 2020 (zu Deutsch: ZAHLTAG AFRIKA 2020)

Der Veranstalter ist das BÜNDNIS PAY DAY AFRICA, ein Bündnis diverser afrikanischer und nichtafrikanischer Vereine, Initiativen, Aktivist*innen und Künstler*innen quer durch die Republik: Africa Committee Cologne (ein Bündnis Kölner Aktivist*innen und Künstler*innen aus Afrika), die Urbane. Eine HipHop Partei, Mutualité Bosangani e.V., United Africa Germany, African/Black Community Berlin, Jàppoo NRW e.V., Oury Jalloh Initiative, und vielen mehr.

Ehrung aller Opfer des Transatlantischen Sklavenhandels und die Schaffung des allgemeinen Bewusstseins für die Sklaverei

Zentrales Anliegen dieses Events sind: die Ehrung aller Opfer des Transatlantischen Sklavenhandels und die Schaffung des allgemeinen Bewusstseins für die Sklaverei - die bekanntlich als das abscheulichste Verbrechen gegen die Menschlichkeit gilt. Doch noch wichtiger ist, auch Gerechtigkeit in Form der längst überfälligen Reparationen zu fordern.

Das zweitägige Event bietet ein buntes Programm von Aktivitäten, die von feierlicher Mahnwache, multimedialer Podiumsdiskussion, Poetry Slam, Lesungen, Live-Musik, Info-Points, Getränken bis hin zu Live-Graffiti-Acts usw. reichen.

PROGRAMM (Kurzfassung)**


** Details zu den einzelnen Aktivitäten werden hier und über anderen Medien publikgemacht und regelmässig aktualisiert

SAMSTAG, 22. AUGUST, 2020

Uhrzeit: 13 bis 21 Uhr
Einlass: 12 Uhr / Beginn:


Location: Köln, Deutzer Wert am Rheinufer


Aktivitäten


Redebeiträge / Lesungen / Poetry / Infopoints
Live-Musik (über 17 coole und talentierte Acts) / Dance


Podiumsdiskussion [17 bis 19 Uhr]:
Die zweistündige multimediale Podiumsdiskussion wird auch live über diverse Radiosender bundesweit und via YouTube und Facebook gestreamt.


** Künstlerinfos, sowie Informationen über Redner*innen, Dichter*innen, Erzähler*innen, Podiumsteilnehmer*innen und über unsere Medienpartner können unseren täglichen NEWSLETTER entnommen werden


Alle Künstler*innen und viele Mitwirkenden haben auf ihre berechtigten Gagen und Honorare verzichtet.

SONNTAG, 23. AUGUST, 2020

Uhrzeit: 14 bis 18 Uhr


Location: Köln, Neumarkt


Aktivitäten


Stille Mahnwache + Graffiti-Acts

CORONA-HINWEISE (bitte beachten!):


Aufgrund der sich ändernden und unsicheren Lage der Coronavirus-Pandemie, behalten sich die Organisator*innen das Recht vor, die Teilnehmer*innen-Zahl der jeweiligen Aktivitäten zu beschränken und bestimmte Hygienemaßnahmen zu ergreifen, wie es in Gesetzen, Vorschriften und nach gesundem Menschenverstand vorgesehen ist.

In diesem Zusammenhang arbeiten wir sowohl mit den Ordnungs- und Gesundheitsämtern als auch mit der Polizei, den Rettungsdiensten und privaten Ordner*innen zusammen.

Folgende Hygienemassnahmen sind geplant, wie es in Gesetzen, Vorschriften vorgesehen ist, aber auch gemäß gesunden Menschenverstands:

Corona-bedingt behalten wir uns das Recht vor, die Teilnehmer*innen-Zahl der jeweiligen Aktivitäten zu beschränken,
Alle Aktivitäten im Zusammenhang mit dem o. g. Event finden in einem durch Absperrgitter umzäunten Bereichen statt,
Die Kundgebung ist zwar für alle eintrittsfrei zugänglich, es wird jedoch Einlasskontrollen geben, um die Einhaltung der Corona-Vorschriften festzustellen bzw. zu forcieren.
Nur Teilnehmende mit Mund-Nasen-Schutzmasken werden reingelassen. Pay Day Africa-Masken sind gegen Zahlung eines kleinen solidarischen Beitrags (kein Kommerz!) direkt vor Ort erhältlich,
Alle Teilnehmenden werden beim Einlass registriert (Name, Adresse, Telefonnummer, Email-Adresse, Zeit des Betretens und des Verlassens). Zweck dieser behördlichen Vorschrift ist die Nachverfolgung möglicher Infektionsketten
1,5m-Corona-Abstand ist auf jeden Fall einzuhalten
Desinfektionsmittel werden in den Ein- und Ausgangsbereichen kostenfrei zur Verfügung gestellt werden.
Leider wird es kein Essensstand geben, dafür aber einen Getränke-Stand der Crew von Nachtigall (Köln-Ehrenfeld), selbst Teil des Bündnisses Pay Day Africa

HINTERGRUND

Das Bündnis Pay Day Africa 2020 hat sich kurzfristig entschieden, dieses Event doch an diesen historisch wichtigen Tagen durchzuführen, trotz der Corona-Pandemie. Denn: wir hatten bereits Anfang des Jahres die Entscheidung getroffen, die Veranstaltung an den genannten Tagen durchzuführen. Dann kam Corona! Aufgrund der gelockerten Corona-Beschränkungen, sind wir nun in der Lage, eine solche Veranstaltung zu stemmen, selbstverständlich unter Berücksichtigung der geltenden Corona-Regelungen.

Die geplante Veranstaltung wird zugegebenermaßen insbesondere durch den Mord an dem Schwarzen US-Amerikaner, George Floyd, angeheizt, aber auch durch die daraus resultierte massive Debatten über Sklaverei, Kolonialismus, Koloniale Kontinuität und systemischen Rassismus und Intersektionaliät.

Der Mord an dem Schwarz-Amerikaner George Floyd am 25. Mai 2020 durch vier weiße Polizisten in Minneapolis (USA) hat nicht nur massive Debatten über systemischen Rassismus in den USA und Europa angeheizt, sondern auch die offenen Wunden der Sklaverei und die grausame und ausbeuterische koloniale Vergangenheit und ihre Kontinuität wieder ans Licht gebracht - ausgerechnet am 25. Mai, am Africa-Befreiungstag (African Liberation Day)

Es war der Aufstand gegen die europäische Sklavenwirtschaft durch afrikanische Sklaven in Saint-Domingue (heute Haiti) in der Nacht vom 22. auf den 23. August 1791, der den Weg für die Abschaffung des Transatlantischen Sklavenhandels ebnete. Dem zufolge erklärte die UNESCO 1997 den 23. August eines jeden Jahres zum INTERNATIONALEN TAG DER ERINNERUNG AN SKLAVENHANDEL UND DESSEN ABSCHAFFUNG - auch WELTTAG GEGEN SKLAVENHANDEL genannt.

Bevor die Europäer*innen kamen, waren die Araber (fast alle männlich!) längst da: der Trans-Sahara-Sklavenhandel. Schätzungsweise wurden bereits bis zu 17 Millionen Afrikaner*innen in die arabische Sklaverei verkauft. Dann kamen die Europäer*innen, übernahmen die Sklavenhandelsstrukturen der Araber in Afrika und bauten diese aus. Ungefähr so könnte man die Entstehung des Transatlantischen Sklavenhandels der Europäer*innen mit wenigen Worten erklären. Also, vor dem Transatlantischen Sklavenhandel, gab es den Trans-Sahara-Sklavenhandel, der heute in verschiedenen Formen ungehindert fortgesetzt wird.

Vor 576 Jahren (1444) fand in Lagos, Portugal, die erste öffentliche Ausstellung und der Verkauf afrikanischer Sklaven statt. 1518 begann die erste direkte Verschiffung afrikanischer Sklaven nach Amerika. Die Sklavenhandel-Überseereise des Briten, John Hawkins, im Jahre 1562 markierten den Beginn des Transatlantischen Sklavenhandels in Großbritannien. Portugal und Großbritannien kontrollierten nicht weniger als 70 % der afrikanischen Sklaven, die nach Amerika verschifft wurden. Zwischen 1640 und 1807 wurde Großbritannien jedoch zum größten und mächtigsten Sklavenhändler der Welt.

1833 verabschiedete das britische Parlament den historischen ‚Slavery Abolition Act‘ (Gesetz über das Verbot des Sklavenhandels), das die Sklaverei in den meisten Kolonien des Britischen Empires abschaffte. Das Gesetz trat am 1. August 1834 in Kraft. Durch dieses Verbot regte sich bei Sklaven- und Plantagenbesitzern zunächst massiver Widerstand. So wurde eine Vereinbarung getroffen, um die Sklavenbesitzer zu entschädigen, die an dem Jahrhunderte praktiziertes kollektives Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu Profit Zwecken der Menschheit beteiligt waren: der Transatlantische Sklavenhandel.


Um das Entschädigungspaket für Sklavenhändler und Sklavenhalter in Höhe von 20 Millionen Pfund zu finanzieren, erhielt Großbritannien einen Kredit in Höhe von 15 Millionen Pfund von zwei der damals berühmtesten Banker Europas, Nathan Mayer Rothschild und Moses Montefiore: 5 Million Pfund stammte aus Eigenmitteln der britischen Regierung. Es ist wichtig, zu erwähnen, dass dieser Kredit einer der größten Kredite ist, die Großbritannien je aufgenommen hat; erst 2015 zahlte Großbritannien endlich diesen Kredit ab.

Das Gesamtvolumen des o. g. Entschädigungspakets machte etwa 40 % der gesamten Staatseinnahmen und 5 % des Bruttoinlandsprodukts des Landes aus, etwa 145 bis 300 Milliarden Pfund, gemessen an heutigem Geldwert.
Kein einziger Pfennig wurde als Entschädigung an die Versklavten, an ihre Nachkommen oder/ und an Afrika ausgezahlt. Um der offenen Wunde noch Salz drauf zu streuen, halfen die Versklavten und ihre Nachkommen, die im Vereinigten Königreich und in anderen Ländern des gesamten Commonwealths lebten, direkt oder indirekt mit, den Kredit zurückzuzahlen. Dies geschah in Form von direkten Steuerzahlungen im Vereinigten Königreich, Kolonialsteuern sowie kolonialen Beuten von menschlichen und natürlichen Ressourcen und Schätzen.

Aufgrund der oben dargelegten Hintergründe bzw. Umstände, hat das BÜNDNIS PAY DAY AFRICA beschlossen, diese historisch wichtige Veranstaltung in der Domstadt durchzuführen.

Der Eintritt ist frei.

DIE #DEUTSCHEN #KOLONIALFRAUEN

Fakten, die in den gängigen Geschichts-Unterrichtsbüchern sehr schwer zu finden sind, wenn überhaupt ….https://static.xx.fbcdn.net/images/emoji.php/v9/t34/1/16/1f914.png

Extrakt aus der Publikation:

DIE DEUTSCHE FRAU IM #KOLONIALISMUS“ [Gudrun Eickelberg / DerElefant! e.V. Bremen 2012]

Im April 1888 wurde der erste koloniale Verein für Frauen in Deutschland gegründet, der „Deutsche Frauenverein für Krankenpflege in den Kolonien.“ Bei den zu pflegenden Kranken handelte es sich um deutsche Militärangehörige und deutsche Siedler in den Kolonien. Der 1908 von Adda von Liliencron gegründete Frauenbund der Deutschen Kolonialgesellschaft hatte sich als Ziel, die Festigung der Bande zwischen Kolonien und Heimat und der Verbreitung des kolonialen Gedankens gesetzt. Beide Vereine verbreiteten ihre Ansichten und Informationen in der Zeitschrift„Kolonie und Heimat“. Dort wurde auch über die Möglichkeit des Besuchs einer Kolonialen Frauenschule berichtet.

Solche Schulen gab es in Witzenhausen, Carthaus und Bad Weilbach. Sie dienten der Ausbildung zur Vorbereitung auf ein Leben in den Kolonien, ebenso wie die Lehrfarm von Frau von Falkenhausen in Brakwater, Südwestafrika. Die in den kolonialen Frauenvereinen engagierten Frauen stammten überwiegend aus dem gebildeten Bürgertum, aus Soldaten-, Unternehmer- und Beamtenfamilien. So auch Frieda von Bülow, die einer angesehenen Soldatenfamilie angehörte. Sie ging nach Ostafrika um dort die ersten Pflegestationen zu gründen und schrieb für die Zeitung „Die Frau“ eine Artikelserie über das Leben deutscher Hausfrauen in Ostafrika.

Aus einer Unternehmerfamilie stammte Hedwig Heyl. Obwohl sie sich sehr für die Bildung und die Rechte von Frauen einsetzte, war sie eine überzeugte Nationalsozialistin und Rassistin. Anna Gräfin von Zech begleitete ihren Ehemann, einen Unternehmer, in mehrere Kolonien und leitete nach dem Tod ihres Mannes die Deutsche Kolonialfrauenschule in Witzenhausen. Auch Ada Adeline Schnee, Ehefrau des Gouverneurs der Kolonie Ostafrika, machte von sich reden. Sie schrieb ein Buch über ihre Erlebnisse in Ostafrika und erhielt für „ihr hervorragendes Wirken auf dem Gebiete des Kolonial- und Auslandsdeutschtums“ den Luisenorden.

Der Grundgedanke, dem die Gründung der Kolonialfrauenschulen unterlag, war, die Kolonien auch innerlich deutsch werden zu lassen. Es kam in den deutschen Kolonien Anfang des 20. Jahrhunderts nur eine Frau auf 6 bis 9 Männer. Im Deutschen Reich hingegen herrschte „Frauenüberschuss“. Was lag da näher als einen Ausgleich zu schaffen. In den Kolonialfrauenschulen sollte geeignete junge Frauen auf ihre Aufgaben in den Kolonien vorbereitet werden. Dabei spielten auch durchaus emanzipatorische Aspekte eine Rolle, jedoch eben auch rassistische, koloniale und nationalistische. Es wurden Verbindungen zwischen der bürgerlichen Frauenbewegung und der Kolonialbewegung geknüpft.

Die Kolonialfrauenschulen rekrutierten ihre Schülerinnen überwiegend aus dem gebildeten Bürgertum und dem Adel. Die Frauen sollten darauf vorbereitet werden, in den Kolonien entweder als Lehrerinnen, Kindergärtnerinnen oder Krankenpflegerinnen zu arbeiten oder eine Farm zu bewirtschaften. In erster Linie sollten sie aber deutsche Männer heiraten und so für geordnete Verhältnisse in den Kolonien sorgen. Deutsche Frauen sollten die Männer davor bewahren, auf eine den Eingeborenen nahe Stufe herabzusinken. Dafür schienen Mädchen aus „besseren“ Kreisen mit ihrer bürgerlichen Überlegenheit und ihrer weiblichen Selbstlosigkeit am besten geeignet zu sein.

„Die Frau in den Kolonien muss sein der treue Kamerad, die verständnisvolle Gehilfin des Mannes, die Schulter an Schulter mit ihm wirkt und schafft und die, wenn die Umstände es erfordern, ihn auch vertreten kann in der Leitung oder Überwachung eines großen Farmbetriebes.“ So Anna Gräfin von Zech, Schulleiterin in Witzenhausen.

Eine wahrhaft partnerschaftliche Rolle, die den Frauen in Deutschland meist nicht beschieden war. Eine weitere Aufgabe, die den künftigen Kolonialistinnen zufiel, war die der Trägerin deutscher Kultur. Sie sollten den deutschen Siedlern ein „deutsches Heim“ schaffen mit all den deutschen Tugenden wie Ordnung, Disziplin und Sauberkeit. Nicht zuletzt aber sollte sie weißen Nachwuchs gebären.

Was in Deutschland als großes Problem der Kolonien betrachtet wurde, war das Anwachsen der „Mischlings!“-Bevölkerung. Die aus Ehen zwischen deutschen Männern und Frauen der Kolonialbevölkerung hervorgegangenen Kinder und ihre Mütter waren automatisch deutsche Staatsbürger mit allen damit verbundenen Rechten und Möglichkeiten. Sie hatten Erbansprüche und Zugang zu Erziehungsgeld. Diese Rechte wurden im Deutschen Reich durchaus anerkannt, aber die Verwaltung in den Kolonien boykottierte entsprechende Direktiven aus Berlin.

Aber auch die Siedler brauchten „klare Grenzen zwischen den Rassen als Grundlage des politischen Machtanspruchs und des kulturellen Überlegenheitsgefühls.Für den Präses der Rheinischen Missionsgesellschaft im Namaland, Carl Wandres, waren „Mischehen geradezu unmoralisch, für das Deutschtum ein Schlag ins Gesicht“ und „die Erzeugung der ‚Mischlinge!‘ (...) eine Gefahr für unser Land“. So sahen es auch zahlreiche prominente Siedlerfrauen in der Kolonie, welche die Legitimierung von „Mischehen!“ als Gleichstellung mit lokalen Frauen und damit als „Herabwürdigung der weißen Frau“ begriffen.

Ein Versuch das Problem zu beheben, waren das Mischehenverbot. Dabei kamen Mischehen nur in Südwestafrika und Samoa in signifikanter Zahl vor (in Deutsch-Südwestafrika wurden bis 1903 42 bikontinentale Eheschließungen verzeichnet) und auch nur zwischen deutschen Männern und einheimischen Frauen. „Der umgekehrte Fall, dass eine weiße Frau einen Farbigen geheiratet hätte, ist wohl in Deutschland, in den Schutzgebieten selbst aber nicht vorgekommen.

Mit dem Mischehenverbot war zwar die politische Gefahr gebannt, aber nicht das rassistische Problem der ‚Mischlings!‘-Kinder. 99 % aller ‚Mischlinge!‘ in den Kolonien entstammten nämlich einer illegitimen Verbindung.

Die Anzahl dieser Kinder stieg von 1112 im Jahre 1908 auf 1746 im Jahre 1913. Diese Zahlen bestätigen lediglich, was zum Alltagswissen der Siedlergesellschaft gehörte, nämlich das sexuelle Beziehungen, ob in „wilden Ehen“ bzw. in Konkubinaten, ob in Form einer Liaison oder auch in Form – zunehmend häufiger werdender – Vergewaltigungen, an der Tagesordnung waren. Der Hintergrund für die große Zahl an „Mischlings!“-Kindern mit deutschen Vätern war in den Augen der Deutschen jedoch das unzureichende „Angebot“ an weißen Frauen in den Kolonien. Das war insbesondere in der Kolonie Deutsch-Südwestafrika der Fall.

Wegen des Krieges ab 1904 kamen auch immer mehr Soldaten in die Kolonie. Diese lebten häufig mit einheimischen Frauen in „wilder Ehe“. Dazu der Ansiedlerkommissar Paul Rohrbach: „Wie alle unverheirateten Aussiedler hat (...) sein Hereroweib als Tisch- und Bettgenossin. Das ist hier so selbstverständlich wie Essen und Trinken, die weißen Wanderhändler machen es ebenso, die Soldaten auf den großen und kleinen Stationen nicht minder. (...) Hier liegt die Wurzel tiefer Schäden für die Zukunft.“

Die Verwaltung sah sich veranlasst, immer schärfer werdende diskriminierende Reglementierungen und Auflagen einzuführen. So wurden die weißen Männer, die in der Verwaltung arbeiteten und eine Mischehe führten entlassen, aus Vereinen ausgeschlossen und ihre Kinder der Schule verwiesen.

Nach dem niedergeschlagenen Befreiungskampf der Herero im Jahr 1908 wurde der Frauenbund der Deutschen Kolonialgesellschaft gegründet, der sich die Förderung der Auswanderung deutscher Frauen in die deutschen Kolonien, besonders nach Deutsch-Südwestafrika, zur Aufgabe machte.

Bereits 1898 waren deutsche Frauen über das Fraueneinwanderungsprogramm nach Südwestafrika gereist. 1899 folgte eine weitere Schar an potentiellen Bräuten, im folgenden Jahr eine weitere. In Südwestafrika sprach man von „Weihnachtskisten“. Ledige deutsche Farmer lud man im Schutzgebiet regelmäßig zu Kaffee-Kränzchen in den Einrichtungen des Frauenbundes ein, um dort „Brautschau“ zu inszenieren. Während strenge Moralmaßstäbe bei den eingereisten Mädchen angelegt wurden, die sittlich einwandfrei und wirtschaftlich tüchtig sein sollten, kümmerte sich niemand um das Niveau der raubeinigen Farmerfreier, die keineswegs den besten Ruf genossen und hier „leichte Beute“ vorfanden.

Der Heiratsmarkt wurde vielen ahnungslosen Geschöpfen zur trostlosen Falle in der Einöde, aus der es kein Entrinnen mehr gab. Anfang 1911 waren von den zwischen Oktober 1907 und Mai 1910 vermittelten 158 Frauen 54 verheiratet, drei nach Kapstadt verzogen und sieben nach Deutschland zurückgekehrt. Bei sechs Frauen war der Verbleib unbekannt, 88 befanden sich noch in Anstellung, meistens als Dienstmädchen. Als Dienstmädchen im Deutschen Reich führte man seinerzeit ein rechtsloses Leben, wurde ausgebeutet und diskriminiert. In den Kolonien war man allein aufgrund der Hautfarbe in einer sozial besseren Position. Die niedrigsten Arbeiten wurden außerdem von der einheimischen Bevölkerung verrichtet.

Dazu Clara Brockmann:

„Das Bewusstsein, in dem damals noch recht frauenarmen Lande mit Freude begrüßt zu werden, steigerte von vornherein das Gefühl der persönlichen Wertschätzung...“

Einigen gelang der Aufstieg in die Selbständigkeit als Schneiderin, Caféhausbesitzerin, Wäscherin oder Weißnäherin. Die meisten erlangten den sozialen Aufstieg allerdings durch Heirat. Der Großteil der weißen Frauen in Südwestafrika kam über die Deutsche Kolonialgesellschaft oder ihren Frauenbund ins Land. Rund 80 % der anderen waren evangelische Missionarinnen, Missionsangestellte oder katholische Nonnen. Die Arbeit der Frauen in den Missionen findet in den missionsgeschichtlichen Darstellungen nur wenig Berücksichtigung. Die Arbeit der Männer wurde stets als wichtiger wahrgenommen. „Das Hauptaugenmerk wurde auf die Arbeit des Mannes gerichtet, der Frauenarbeit eine Nebenrolle zugewiesen – wobei der Aspekt des Helfens in den Vordergrund gerückt wurde. Ihre Arbeit war als Zusatz, war marginal gedacht (...).“ Zudem hinterließen diese Frauen nur wenige schriftliche Zeugnisse ihrer Arbeit.

(…)

An der Spitze der Hierarchie unter den Frauen in den Kolonien standen die Frauen aus den höheren gesellschaftlichen Kreisen. Sie waren finanziell abgesichert, gebildet und auf Kolonial-Haushaltsschulen auf ihre Aufgaben vorbereitet worden. Dabei stand nicht das Können im Mittelpunkt, sondern das Sein.

„Nicht im freien, burschikosen Wesen soll ihre Tatkraft sich äußern, sondern in echter Weiblichkeit soll sie dem neuen Deutschland über dem Meere den Stempel ihrer Wesensart aufdrücken, nicht bloß streben und arbeiten soll sie draußen, sondern sie soll sein, beseelt vom Geiste echten Christentums, eine Hohepriesterin deutscher Zucht und Sitte, die Trägerin deutscher Kultur, ein Segen dem fernen Lande: Deutsche Frauen, deutsche Ehre, deutsche Treue über’m Meere.“

Die erste Aufgabe der deutschen Frauen in den Kolonien war damit klar festgelegt: das Verbreiten des Deutschtums unter Vernichtung einheimischer Kultur, Gebräuche und Sitten. Das Bild, das sich die kolonialen Siedler gerne gaben, war das des fleißigen und soliden deutschen Menschen. Doch gleichzeitig war der Alkoholkonsum hoch, vor allem der „Sektverzehr“. Denn auch die Frauen hatten ihren Spaß an den zahlreichen Festen.

„Es ging sehr lustig (...) zu; das Bier floß in Strömen und manche Gäste waren schon beim Essen sehr munter. Ein ‚N-Wort‘-Junge kam herein mit dem Nachtisch, einer schönen Torte mit Schlagsahne. Einer der wilden Farmer stand auf und stülpte ihm diese über den Kopf. Da war der Jubel groß, und auch ich lachte Tränen.“ So Lydia Höpker.

Die deutsch-nationale Gesinnung der kolonialen Frauen äußerte sich nicht nur in der Begeisterung für deutsche Ordnung und Sauberkeit. Auch sie rechtfertigten Vergewaltigung und Ausrottung der nach Freiheit strebenden Völker in den Kolonialkriegen ebenso wie Kasernierung, Gettoisierung und Versklavung der Überlebenden.

Ada Cramer aus Südwestafrika:

„Das Land ist über Erwarten schön und fruchtbar. (...) Davon, dass vor wenigen Jahren ein zahlreiches Volk das Land bewohnte, war nicht mehr das Geringste zu spüren.“

(…)

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Geschrieben von

asansörpress35

Politischer Mensch, der seit der Schulzeit getrieben ist, schreibend dem Sinn des Lebens auf die Spur zu kommen.

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